Am Samstag fand der erste Flohmarkt auf dem Stuttgarter Karlsplatz nach der Corona-Schließung statt – und fand gleich großen Anklang.
Stuttgart - Interessiert erkundigt sich eine Dame nach dem Preis des silbernen Brautgürtels, den Rolf Veit an diesem Samstag im Flohmarkt-Sortiment hat, ebenso wie einen großen Porzellaneisbären oder eine Lampe von beeindruckenden Ausmaßen. Auch für sie findet sich ein Interessent. „Es ist erfreulich viel los“, stellt der Inhaber von Veitantik in Winterbach erfreut fest. Die meisten Besucher des ersten Markts auf dem Karlsplatz seit Beginn der Coronabeschränkungen tragen Maske und folgen der Direktive des Hinweisschildes, das dazu auffordert, Abstand zu halten. Auch zwischen den Ständen sind größere Lücken erkennbar. Nur die Hälfte der rund 120 Händler, die sich normalerweise versammeln, hat sich zur Premiere unter Pandemiebedingungen eingefunden. Die Daheimgebliebenen kommen am nächsten Wochenende zum Zuge. So soll zu großes Gewühle vermieden werden Veit hält die Vorsicht beim Neustart des Flohmarktbetriebs für angemessen. „Es steht ohnehin zu befürchten, dass die Infektionszahlen nach der Urlaubszeit wieder steigen“ gibt der Mann zu bedenken, der das Sammeln und Vertreiben von Kunst und Antiquitäten als Berufung sieht. Was ihm nicht einleuchten will, ist, dass die Auflagen beim Wochenmarkt nebenan weniger streng sind, als auf dem Terrain um das Kaiser-Wilhelm-Denkmal. „Warum wird dort weniger streng auf Abstände geachtet?“, fragt er.
Zwei Studentinnen verhandeln mit einem eloquenten Verkäufer über den Preis eines Perserteppichs. Drei Jungen im Grundschulalter wühlen begeistert in einer Kiste mit Spielzeugautos. Hier schlagen Kinderherzen angesichts von Schätzen für lediglich einen Euro höher, dort wird über die Investition in eine schmucke Kaffeemühle für das hundertfache nachgedacht. Schnäppchen und Hochwertiges finden auf dem seit 1983 regelmäßig stattfindenden Markt gleichermaßen Liebhaber. Rainer hat sich gerade ein kleines Elchgeweih gesichert, „Ich bin seit Jahren fleißiger Flohmarktgänger“, berichtet der Stuttgarter. Natürlich habe er sich die erste Auflage nach der Zwangspause nicht entgehen lassen können. Dass alles ein wenig kleiner als gewohnt ausfällt, stört ihn nicht. „Lieber habe ich diese abgespeckte Version als gar nichts“, sagt der 47-Jährige. In Berlin gäbe es zwar bereits wieder größere Flohmärkte, aber mit abgegrenzten Laufwegen. Da sei ihm die Bewegungsfreiheit in der Landeshauptstadt doch lieber.
„Ich finde es schön, dass hier samstags wieder etwas los ist“
Auch Veronika Kienzle, Bezirksvorsteherin in Mitte schätzt die Stuttgarter Marktinstitution. Entsprechend hat sie es sich nicht nehmen lassen, zum Neustart vorbeizuschauen. Es gebe nicht viele Städte, die einen festen Flohmarkt mit ähnlichem Ambiente zu bieten hätten. „Der Flohmarkt gehört fest zum urbanen Leben“, hält sie fest. Ihr Eindruck: Besucher und Händler halten sich an die Auflagen. Der Testlauf ist geglückt. Kienzle würdigt die Nachhaltigkeit des Flo-Handels. Zudem diene das samstägliche Treiben auch der Kommunikation. „Manche Kunden kommen zu mir, weil sie Sammler sind und wissen, dass ich gute Qualität anbiete“, bestätigt Hansi Stingel diese Einschätzung. „Andere wollen nur ein bisschen reden. Mir sind beide gleich lieb.“ Die coronabedingte Pause hat der Rentner mit dem sortieren und putzen neuer Ware zugebracht. Außerdem sei das Wetter gut gewesen. Man habe ein bisschen entspannt in der Sonne sitzen können.“ Stingel ist bester Laune. Es stimmt in freudig, dass sich einige Stammkunden zurückgemeldet haben. Eine Bekannte habe sogar einen Geburtstagsbesuch verschoben, um auf den Karlsplatz zu kommen.
„Ich finde es schön, dass hier samstags wieder etwas los ist“, konstatiert Mirjam (27). Sie finde es toll, nun wieder regelmäßig über den Flohmarkt bummeln zu können. Mal springe ihr etwas ins Auge, und es komme zum Kauf, mal bleibe es beim Betrachten. „Das hier ist einfach ein Stück Stuttgart für mich“, fasst Mirjam zusammen. „Ich denke, die Besucher wissen das und bleiben deshalb so diszipliniert. Es wäre zu schade, wenn der Markt wieder schließen müsste.“