Vorbild Ottensen: Der Bezirk in Hamburg-Altona gilt als Referenzprojekt für die künftige Flaniermeile in Fellbach. Foto: Bezirksamt Altona )

Der Auftakt des Projekts „Sommerstraßen 2023“ des Rems-Murr-Kreises findet in Fellbach statt. Die Kirchhofstraße wird vom 2. Juli an für zwei Monate zur autofreien Zone, die von diversen Akteuren „kulturell bespielt“ wird.

Was Metropolen wie Hamburg, Berlin und München, aber auch Heilbronn oder Fürth bereits erfolgreich erprobt und umgesetzt haben, kommt nun auch nach Fellbach: Als Pilotvorhaben des vom Rems-Murr-Kreis angestoßenen Projekts „Sommerstraßen 2023“ wird in der Stadtmitte auf der Südseite des Fellbacher Rathauses eine „temporäre Flaniermeile“ eingerichtet, wie es die Organisatoren beschreiben.

Die Flaniermeile ist nur etwa 120 Meter lang

Konkret geht es um einen Abschnitt zwischen der Ecke zur Hinteren Straße, wo auch das Kulturamt sein Domizil hat, und dem Guntram-Palm-Platz, also dem Park der Schwabenlandhalle. Nun ist der Begriff Meile ein wenig sehr großzügig ausgelegt – de facto ist dieser in eine Sommerstraße umgewidmete Bereich per grober Messung auf dem Stadtplan lediglich circa 120 Meter lang. Aber dafür ist in dem Areal umso mehr los. Eine eigens gegründete „AG Sommerstraße“ hat bereits ein Konzept entwickelt und diverse Beteiligte aus der Stadt für besondere Aktionen gewinnen können.

Start am 2. Juli mit Landrat und Oberbürgermeisterin

„Fellbach flaniert“ ist der Überbegriff für diese Idee eines Verkehrsversuchs, der in den diesjährigen Zeitraum der kreisweiten Aktion Stadtradeln sowie auch in den derzeitigen Europäischen Kultursommer eingebettet sein soll. Deshalb ist in Fellbach die Stabsstelle Radmobilität zuständig, die gemeinsam mit dem Kulturamt bereits zahlreiche Programmpunkte entwickelt hat. Auftakt ist am Sonntag, 2. Juli, um 11.30 Uhr in der Kirchhofstraße wie auch im Rathausinnenhof mit bekanntermaßen fahrradaffinen Ehrengästen, nämlich Oberbürgermeisterin Gabriele Zull und Rems-Murr-Landrat Richard Sigel.

Einige Programmpunkte für diesen Start hat die Fellbacher Radbeauftragte und Cheforganisatorin Birgit Orner bereits parat. Es soll Musik geben, man kann sich beim Radcheck den eigenen „Drahtesel“ auf Vordermann bringen lassen, außerdem wird ein aus Treibholz zusammengebasteltes Karussell vor Ort sein, das mit Pedalen angetrieben wird. Im achtwöchigen Zeitraum bis 27. August ist pro Woche ein besonderer Aktionstag vorgesehen, an dem sich Musiker und Künstler vorstellen können. Auch ein Bücherflohmarkt oder ein Tanzworkshop könnten stattfinden. Das Jugendhaus oder die mobile Jugendarbeit sind für Beiträge bereits angefragt. Auch die Projektgruppe für den Fellbacher Beitrag zur Internationalen Bauausstellung 2027 in der Stadtregion Stuttgart (IBA’27) soll sich in der Sommerstraße vorstellen.

„Unser Ziel ist es, einen ansprechend gestalteten innerstädtischen Frei- und Kreativraum zu schaffen, der Platz bietet für Austausch und Begegnung, für entspanntes Flanieren und Verweilen, für kreative und neue Nutzungen, für ein neues Erleben des öffentlichen Raumes und neue Perspektiven der Mobilität“, berichtet Birgit Orner. Zugleich werde mit diesem Projekt die Verkehrssicherheit erhöht, insbesondere für die zwischen der von vielen Fußgängern frequentierten Kirchhofstraße und der in der Schillerstraße gelegenen Wichernschule. Auch Einzelhandel und Gastronomie in der City, besonders im nahen Rathaus-Carrée, sollen von den „attraktiven Aufenthaltsflächen“ in der Flaniermeile profitieren.

Wohl nicht allen gefallen wird, dass in den zwei Monaten 13 Parkplätze an der Friedhofsmauer entfallen müssen. Es gebe allerdings genügend Ausweichmöglichkeiten in der direkten Umgebung, versichert die Stadt. Wichtig außerdem: Die Anwohner in der Kirchhofstraße erhalten ein Sonderzufahrtsrecht zu ihren Domizilen.

Bestückt wird diese Sommerstraße mit modularen Bau- und Gestaltungselementen, etwa Sitzkombinationen, Picknick-Garnituren, grünen Liegen oder Baum-, Pflanz- und Sandkästen – allesamt kostenlos zur Verfügung gestellt von der Servicestelle „Verkehrsberuhigte Ortsmitten“ des Landes. Die wissenschaftliche Begleitung dieser Pilotstraße wie den noch folgenden ähnlichen Flaniermeilen im Rems-Murr-Kreis übernimmt die Bundesanstalt für Straßenwesen.

Orientieren will man sich in Fellbach insbesondere an dem Verkehrsversuch unter dem Titel „Ottensen macht Platz“. In jenem Bezirk im Stadtteil Hamburg-Altona wurde im Sommer und Herbst 2019 ein „Flanierquartier auf Zeit“ eingerichtet. Daraus hat sich später das Projekt „freiRaum Ottensen“ entwickelt, mit dem Ziel, dort „ein autoarmes Quartier entstehen zu lassen“.

Sommerstraßen in Deutschland

Berlin
In diesem Frühjahr hat die Stadt drei neue Sommerstraßen eingeführt. In der Wilmersdorfer Straße in Charlottenburg wurde die Fußgängerzone um 75 Meter verlängert. Im Steinmetzkiez in Schöneberg-Tempelhof entstand ein 30 Meter langer autofreier Bereich, der temporär begrünt wurde. Im Bezirk Mitte wurde in der belebten Ackerstraße auf 50 Meter der Autoverkehr auf eine eingeengte Fahrbahn gelenkt.

München
Im Sommer 2020 hat die Verwaltung unter dem Eindruck der Coronapandemie 14 Straßen in verschiedenen Stadtteilen zu Spielstraßen oder verkehrsberuhigten Bereichen umgewidmet. Später folgten weitere Sommerstraßen. „Gerade im Sommer laden Sommerstraßen dazu ein, sich an der frischen Luft zu bewegen und Straßenräume einmal anders als bisher zu nutzen“, heißt es. Diese Straßen sollen „als konsum- und eventfreie Räume in Wohnortnähe insbesondere den Bewohnerinnen und Bewohnern vor Ort zugutekommen und schaffen mehr Platz in der Stadt“.