Märchen trifft auf skurrilen Kriminalfall: Das DAT-Ensemble spielt „Die Wahrheit über Hänsel und Gretel“. Foto: Eibner-Pressefoto/Roger Bürke

An der Böblinger Kunstschule gibt es eine neue Theatergruppe. Für seine erste Produktion zieht es das DAT-Ensemble ab 24. September an den Hölzersee in Magstadt. Die skurrile Inszenierung „Die Wahrheit über Hänsel und Gretel“ findet als Stationentheater statt.

Magstadt - „Aaaaah!“ Ein Schrei gellt mitten in die Theaterprobe. Was ist da passiert? Die Schauspieler schauen sich nervös um. War das dieser wunderliche Mann mit den langen, weißen Haaren, der zuvor noch wirres Zeug über das Märchen fabuliert und dabei von „Tatort“ und „Notwehr mit Todesfolge“ gesprochen hat? Bald darauf taucht eine Polizistin auf und die gesamte Gruppe macht sich auf die Suche.

Es ist schon ein ziemlich skurriles Stück, das die Darstellerriege des Böblinger DAT-Ensembles sich da zusammengesponnen hat. Die beschriebene Szene ist Teil der Inszenierung. Die Theatertruppe mimt hier nämlich selbst einen ziemlich bunt zusammengewürfelten Haufen von Laiendarstellern und (über-)ambitionierter Bühnenprofis. Das Stück im Stück – oder besser: die gespielte Theaterprobe im Stück – handelt von der fiktiven Firma Metzler Lebkuchen und Feingebäck GmbH. Das jahrhundertealte Familienunternehmen hat nach eigenen Angaben den Lebkuchen erfunden.

Märchengeschichte als mysteriöser Mordfall

Als eine Art PR-Event hat die Senior-Chefin (Reinhilde Kynast) zur Theaterprobe einer Inszenierung von „Hänsel und Gretel“ eingeladen. Ihre Enkelin Johanna (Alina Held) soll Regie führen und hat dabei ihre liebe Not, die Chaotentruppe zu bändigen. Noch absonderlicher wird es, als der eingangs erwähnte ältere Herr auftaucht.

Der vermeintliche Wirrkopf (gespielt von Dietrich Gnass) platzt mitten in die Probe und hält ungefragt einen Vortrag über die angeblichen realen Hintergründe des Grimmschen Märchen. Ausgerechnet hier im Wald um den Hölzersee soll sich die Geschichte von „Hänsel und Gretel“ ereignet haben, hinter der sich in Wahrheit ein mysteriöser Kriminalfall verbergen soll.

Premiere fürs neue DAT-Ensemble

Das ist die Ausgangslage des Stücks „Die Wahrheit über Hänsel und Gretel“. Bei der Lösung des Falls darf das Publikum aktiv mitmachen. Die Inszenierung ist nämlich als Stationen-Theater angelegt. Von der Fischerhütte, wo die bis zu 50 Zuschauer sich stärken und vielleicht noch schnell „ums Eck“ gehen können, geht es gemeinsam mit den Schauspielern in zwei Gruppen zunächst auf einen gut halbstündigen Spaziergang durch den Wald. Anschließend findet man sich gemeinsam zum Finale bei der Pflanzschulhütte ein.

Die Produktion ist die erste Inszenierung des so genannten DAT-Ensembles mit Mitgliedern der Leistungsförderung der Böblinger Kunstschule. Die Mimen sind zwischen 18 und Mitte 70 Jahre alt und rekrutieren sich aus den unterschiedlichen Gruppen der „Dance, Art, Theater“-Kunstschule (DAT) und aus dem 1982 von Hildegard Plattner gegründeten „Kulisse“-Ensemble.

Vorlage von „Titanic“-Mitbegründer Hans Traxler

Wobei das mit der ersten Inszenierung so nicht ganz stimmt: Ursprünglich sollte die im Herbst 2019 gegründete Gruppe bereits am 24. April 2020 ihre erste Premiere präsentieren. Regisseurin und Kunstschulleiterin Prisca Maier-Nieden wollte mit dem Ensemble eine Adaption von Thomas Winterbergs „Das Fest“ auf die Bühne im Städtischen Feierraum bringen. Wegen der Corona-Krise wurde daraus nichts. „Wir mussten das Stück komplett streichen“, zuckt die Regisseurin am Rande einer Presseprobe vor der Fischerhütte mit den Schultern. Unter Pandemiebedingungen sei die Inszenierung einfach nicht machbar gewesen.

Also musste sich die Theaterpädagogin gemeinsam mit den Ensemblemitgliedern etwas Neues einfallen lassen. Über die Videokonferenz-Plattform Zoom blieben die Darsteller in Kontakt, machten Improvisationsübungen und tauschten Ideen aus. Reinhilde Kynast brachte das schon 1963 erschienene Büchlein „Die Wahrheit über Hänsel und Gretel“ von Hans Traxler ins Spiel. Der „Titanic“-Mitbegründer arbeitet hier das Märchen auf parodistisch-pseudowissenschaftlich Weise auf, als handele es sich um einen echten Kriminalfall. „Das fand ich schon immer sehr witzig“, erzählt Reinhilde Kynast.

Theaterprobe per Zoom in der S-Bahn

In zahlreichen Zoom-Sessions entwickelte die Truppe Handlung und Konzept für das Stück. Bei der Suche nach einer geeigneten Location erwies sich der Hölzersee mit der bewirteten Fischerhütte als beste Wahl. Aber auch wenn schnell klar war, dass die Produktion im Freien spielen soll, fanden die Proben zunächst nur virtuell statt. „Anfangs haben wir nur via Zoom proben können“, erzählt Prisca Maier-Nieden.

Optimal war das nicht: „Wegen der Zeitverzögerung kann man nicht gut improvisieren“, erklärt Alina Held. Gelegentlich erwies sich die Technik dann aber doch als recht praktisch: „Einmal saß eine von uns in der S-Bahn und hat von dort aus mitgeprobt“, grinst Hänsel-Darsteller Marc Dannecker.

Info

Termine
Die Premiere von „Die Wahrheit über Hänsel und Gretel“ findet am Freitag, 24. September, am Magstadter Hölzersee statt. Startpunkt ist die Fischerhütte. Weitere Termine: 2., 8., 9., 10., 16. und 17. Oktober. Beginn ist jeweils um 17.30 Uhr. Geeignet für Kinder ab zehn Jahren.

Vorverkauf
Karten und weitere Infos sind erhältlich unter Telefon (07031) 669 1632 sowie unter www.kunstschule-boeblingen.de über die Homepage der DAT-Kunstschule.