Ein Mitarbeiter des Anbieters Lime stellt E-Roller zum Aufladen auf. Foto: dpa/Britta Pedersen

Seit Sommer kann man in Stuttgart E-Scooter ausleihen. Eine erste Bilanz zeigt: Autofahrten fallen dadurch wohl kaum weg. Stattdessen gibt es immer wieder Probleme mit Nutzern, die die Regeln nicht kennen. Und weitere Anbieter sondieren den Markt.

Stuttgart - Die Meinungen gehen weit auseinander. Sind die neuen Elektroroller, die man in Stuttgart seit einigen Monaten mieten kann, die Zukunft oder ein zusätzliches Ärgernis? Sind sie Gefahrenquelle, Spaßmobil oder ernst zu nehmendes ökologisches Verkehrsmittel? Eine erste Bilanz fällt eher ernüchternd aus.

Angebot

Derzeit sind in Stuttgart zwei Anbieter mit insgesamt 700 Fahrzeugen am Start. Die Unternehmen Lime und Voi stellen jeweils 350 E-Scooter zur Verfügung, davon dürfen pro Anbieter maximal 100 in der Innenstadt aufgestellt werden. Diese Zahlen sollen je nach Bedarf angepasst werden. Weitere Interessenten sind vorhanden. Allerdings sind laut Stadtverwaltung manche davon noch nicht in der Lage, die teure und aufwendige Logistik zu stemmen. Vorgestellt haben sich bei der Stadt zehn Firmen. Derzeit werden vor allem die Anbieter Circ und Tier gehandelt. Wann sie loslegen wollen, ist unklar. „Es gibt noch keine konkreten Pläne für einen Start in den nächsten Wochen“, sagt etwa Circ-Sprecher Stefan Keuchel. Alle haben eine freiwillige Selbstverpflichtung der Stadt unterschrieben, in der klare Regeln für den Betrieb aufgestellt sind.

Nutzung

„Wir sind sehr zufrieden mit unserem Start in Stuttgart“, sagt Claus Unterkircher, der bei Voi für den deutschsprachigen Raum zuständig ist. Man verzeichne pro Tag zwischen vier und zehn Ausleihen pro Roller – „mit steigender Tendenz“. Die Stadt spricht insgesamt von fünf bis sieben Fahrten täglich. Erfahrungsgemäß „pendeln sich diese nach dem anfänglichen Hype auf einen Wert um die vier Ausleihen pro Tag und Fahrzeug ein“, sagt Ralf Maier-Geißer vom Referat Strategische Planung und Nachhaltige Mobilität. Nach Beobachtungen der Stadt sind die Nutzer bisher meist männlich sowie zwischen 18 und 35 Jahre alt.

Distanzen

„Die durchschnittliche Fahrtenlänge beträgt ein bis drei Kilometer“, sagt Unterkircher. Die Voi-Scooter würden häufig für Alltagswege genutzt, oft in Kombination mit dem öffentlichen Nahverkehr. „Für viele Menschen bietet diese Form der Mobilität inzwischen eine Alternative zum Automobilverkehr und sie lassen ihr Auto häufiger zu Hause“, bekräftigt er. Bei der Stadt ist man in diesem Punkt allerdings weniger euphorisch. „Aktuell ist zu beobachten, dass Fahrten mit dem E-Scooter wohl eher Fußwege als Pkw-Fahrten ersetzen, oder aus Spaß an diesem neuen Verkehrsmittel sogar zusätzlich gemacht werden“, so Maier-Geißer. Das bestätige auch die im Bundesvergleich geringe Durchschnittsdistanz von unter 1,5 Kilometer pro Fahrt. „Auf dieser Distanz ist und bleibt das zu Fuß gehen immer noch ökologischer. Alles andere muss man abwarten“, sagt er.

Strom

Autofahrten werden laut Verwaltung also kaum ersetzt. Doch wie sieht es mit den Stromquellen und dem Wiederaufladen der Batterien aus? Die Anbieter haben in der freiwilligen Selbstverpflichtung den Einsatz von nachhaltig erzeugtem Strom zugesagt. Voi hat der Stadt die Nutzung von Öko-Energie bereits bestätigt. „Das lässt sich aber nicht in jedem Fall kurzfristig realisieren, zum Beispiel weil ein Anbieter zunächst Werkstattflächen zur Untermiete anmietet“, heißt es bei der Stadt.

Aufladen

Verbesserungsbedarf gibt es beim Thema Wiederaufladen. Dabei macht die Stadt keine Auflagen. Sprich: Wie die Anbieter die Roller nachts abholen und wieder verteilen, ist ihnen selbst überlassen. Das passiert bisher mit Servicefahrzeugen, die durch die Stadt fahren, teils von Logistikpartnern. Das soll sich jedoch irgendwann ändern. „Perspektivisch planen alle Anbieter, den hoffentlich bald möglichen Akkuwechsel mit E-Lastenrädern vornehmen zu können“, sagt Maier-Geißer. Diese seien im Straßenverkehr der Großstädte deutlich wendiger und flexibler als angemietete Transporter – und natürlich sauberer.

Sicherheit

Schlagzeilen gemacht haben die E-Scooter in den ersten Wochen vor allem durch Alkoholfahrten. Dutzende Betrunkene wurden auf den Gefährten erwischt, die sich offenbar vor allem in der Partyszene schnell durchgesetzt haben. Immer wieder hat es Unfälle und Verletzte gegeben. „Es ist bisher aber noch nichts wirklich Schlimmes passiert“, sagt Polizeisprecherin Monika Ackermann. Vereinzelt habe es Zusammenstöße mit Autos gegeben, meist seien die Rollerfahrer aber ohne fremde Beteiligung verunglückt.

Die Polizei stellt fest, dass „eine sehr große Unsicherheit da ist, was man darf und was nicht“. Auch Maier-Geißer sagt: „Mit dem Gefährt an sich gibt es keine Probleme. Schwierig sind lediglich die Nutzer, die sich nicht an die Verkehrsregeln halten und damit sich selbst und andere gefährden.“ Das beginne beim behindernden Abstellen der Scooter auf dem Gehweg und ende beim Führerscheinentzug bei Trunkenheitsfahrten. Insgesamt, so die Einschätzung, müsse das neue Fortbewegungsmittel „seinen Platz in unserem Mobilitätsalltag noch finden“.

Viele Informationen rund um das Thema E-Scooter, zur Anmietung und den geltenden Regeln hat die Stadt Stuttgart auf ihrer Internetseite unter www.stuttgart.de/e-scooter zusammengestellt.