Ein Hörsaal an der Universität Hohenheim: Studenten ohne Abitur gibt es hier so gut wie gar nicht, an der Universität Stuttgart ist es ähnlich Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Unter bestimmten Voraussetzungen kann man auch ohne Abitur an der Universität studieren. Bundesweit machen das fast 10.000 Personen so. In Hohenheim und an der Uni Stuttgart sind es zusammen aber nur 33.

Stuttgart - Die Studenten Andreas Holz und Alexander Ott sind unter ihren Kommilitonen an der Uni Hohenheim in der absoluten Minderheit. Denn sie studieren, ohne ein Abitur zu haben.

Ein Studium ist auch ohne Abitur möglich – wenn man die Voraussetzungen erfüllt. Bundesweit nimmt die Zahl der Studenten ohne klassische Hochschulzulassung laut einer Studie des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) zu – doch in Stuttgart sind es nur wenige.

An zwei Unis nur 33 Fälle

Demnach hat es 2010 unter den Erstsemestern bundesweit 9241 gegeben, die keine klassische Hochschulzugangsberechtigung hatten. Im Jahr 2007 waren es nur 3940. Damit haben inzwischen rund zwei Prozent aller Studienanfänger im Bundesgebiet keine klassische Hochschulzulassung.

In Stuttgart gelten Holz und Ott dennoch als Exoten: Im Sommersemester waren in Hohenheim von den fast 10. 000 Studenten nur 17 ohne klassische Hochschulzulassung eingeschrieben. An der Uni Stuttgart studieren 27.000 Studenten, nur 16 von ihnen hatten im Sommersemester kein Abitur.

Die Möglichkeiten, ein Hochschulstudium auch ohne allgemeine oder fachgebundene Hochschulreife zu beginnen, sind seit 2009 deutlich verbessert worden. Bewerber brauchen dafür eine abgeschlossene Ausbildung und mehrjährige Berufserfahrung.

Trotzdem fällt der Schritt vom Berufsleben ins Studium vielen schwer. Für Andreas Holz ist es nicht verwunderlich, dass er unter seinen Kommilitonen in der absoluten Minderheit ist: „Ich habe sechs Jahre lang gearbeitet, plus die drei Jahre Ausbildung zum Industriekaufmann. Finanziell gesehen war es eine harte Umstellung.“

Der 28-Jährige lebt jetzt mehr schlecht als recht von Bafög und seinem Nebenjob als Werkstudent. Auch Kindergeld fällt bei ihm im Gegensatz zu den meisten seiner Kommilitonen weg. Bereut hat er den Schritt trotzdem keine Sekunde lang. „Ohne Studium bin ich beruflich nicht vorwärts gekommen“, sagt er.

Erst im Beruf die Talente zum Studieren entdeckt

Da es in seiner Familie keine Akademiker gibt, kam er zunächst überhaupt nicht auf die Idee, mehr als einen Realschulabschluss anzustreben. Doch während seiner ersten Berufsjahre entdeckte er seine Talente und seinen Ehrgeiz.

Andreas Holz strebte eine Führungsposition im Marketingbereich eines großen Konzerns an. Doch ohne Studium – keine Chance. „Obwohl ich neben der Arbeit meinen Betriebswirt gemacht habe, waren meine Aufstiegschancen begrenzt.“ Ein Jahr lang bewarb er sich deutschlandweit – doch es hagelte trotz sehr guter Noten nur Absagen.

Dann gab ihm eine Freundin den Tipp, dass ein Studium auch ohne Abitur möglich ist. Er bewarb sich bei mehreren Unis – und hatte bei allen Erfolg.

Die Bedingungen für ein Studium ohne Abitur variieren zwischen den verschiedenen Hochschulen. Einige verlangen eine Hochschulzugangsprüfung, einige ein Probestudium, wieder andere den Nachweis einer Fortbildungsprüfung nach der Berufsausbildung und ein Beratungsgespräch. Bei der Uni Hohenheim reichten die Berufsjahre, die Fortbildungsprüfung und ein Vorstellungsgespräch.

Andreas Holz entschied sich für das Bachelorstudium der Wirtschaftswissenschaften an der Uni Hohenheim – genau wie sein Kommilitone Alexander Ott.

Die Partys nehmen auch die älteren Studenten gern mit

Auch ihm fiel der Wechsel zur Uni erst einmal nicht leicht. „Ich habe dafür meine Festanstellung als Fachangestellter für Arbeitsförderung bei der Bundesagentur für Arbeit aufgegeben – ohne zu wissen, ob es sich am Ende auszahlt“, sagt er.

Außerdem hatte er anfangs Bedenken, ob ihm das Lernen an der Uni nach der Unterbrechung durch den Arbeitsalltag wieder gelingen würde. „Ohne Abitur fehlt einem natürlich auch Unterrichtsstoff, den meine Kommilitonen in der Oberstufe schon gelernt hatten“, sagt Ott. Besonders Mathe sei anfangs eine Herausforderung gewesen, „es ist aber machbar“.

Durch die Ausbildung, die praktische Erfahrung im Beruf und den Betriebswirt verfügen Ott und Holz wiederum über Erfahrungen, die ihre Kommilitonen nicht haben. Und einen entscheidenden zusätzlichen Vorteil hat das Studentenleben im Vergleich zum Berufsalltag: „Die Partys nehme ich natürlich auch alle mit“, sagt Ott.

Wie es funktioniert

Voraussetzungen sind der Nachweis einer beruflichen Fortbildung, also eine Meisterprüfung oder eine der Meisterprüfung gleichwertige berufliche Fortbildung im erlernten Beruf.

Ebenfalls möglich ist eine berufliche Fortbildung, sofern sie durch die Rechtsverordnung als gleichwertig angesehen wird, oder wenn der Bewerber eine Fachschule im Sinne des Schulgesetzes erfolgreich abgeschlossen hat.

Außerdem muss der schriftliche Nachweis über ein Beratungsgespräch zu Inhalt, Aufbau und Anforderungen des angestrebten Studiengangs an einer Hochschule eingereicht werden. Dieses kann beim Fachstudienberater des angestrebten Studiengangs oder bei der Zentralen Studienberatung stattfinden und dort bescheinigt werden.