In der Stuttgarter Altstadt lernen sich die Angeklagte und das mutmaßliche Opfer kennen. Foto: Horst Rudel

In einer Wohnung in Esslingen sollen eine Gelegenheitsprostituierte und ihr Freund mit einem Hammer die PIN-Nummer von einem Mann erpresst haben. Jetzt steht das Duo vor Gericht.

Stuttgart/Esslingen - Wie das Sexspiel ablaufen soll, darüber sind sich die drei Beteiligten einig gewesen. Die beiden Angeklagten, eine 33-jährige Frau und ein 41-jähriger Mann, gaben den Ton an, das spätere mutmaßliche Opfer ließ sich an der Hundeleine durch die Wohnung führen, sexuell erniedrigen, beschimpfen und bespucken. Doch was nach dem Rollenspiel, das mit Pausen fast fünf Stunden lang gedauert hatte, passierte, darüber gehen die Versionen auseinander.

Der Mann aus Filderstadt geht von einem freiwilligen Sex-Date aus

Laut Staatsanwaltschaft sollen die beiden Angeklagten in der Wohnung der in Esslingen lebenden 33-Jährigen für das Sexspiel von ihrem Gast insgesamt 3000 Euro verlangt haben. Der Mann aus Filderstadt war aber davon ausgegangen, dass es sich um ein freiwilliges Sex-Date handele und nicht um den Dienst einer Gelegenheitsprostituierten. Dann sollen die Angeklagten unter Drohung mit einem Hammer und einem Küchenmesser die Kredit- und EC-Karte samt passender PIN-Nummer von dem Mann erpresst haben. Daraufhin habe die Frau bei einem Geldautomaten 400 Euro vom Konto des Geschädigten abgehoben. Nach deren Rückkehr in die Wohnung hätten die Angeklagten noch weitere Geldzahlungen verlangt. Zur Unterstreichung ihrer Forderung drohten sie wieder mit dem Hammer.

Jetzt musste sich das Duo vor der 5. Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts wegen gemeinschaftlicher räuberischer Erpressung in zwei Fällen verantworten. „Die Geschichte hat sich ganz anders abgespielt“, sagte die Angeklagte. Die 33-Jährige schilderte, wie sie am 27. Dezember vergangenen Jahres das mutmaßliche Opfer gegen 1 Uhr in einer Bar im Stuttgarter Rotlichtmilieu kennengelernt hatte. Sie habe am Spielautomaten gesessen, als der Mann ihr einen Whisky Cola spendiert habe. Er habe sich darüber beschwert, dass die Prostituierten nicht verstehen würden, dass er devot veranlagt sei. „Ich sagte ihm, dass ich eine Domina bin und für 1000 Euro seine Fantasien befriedigen könnte“, so die Angeklagte.

Im Gerichtssaal nahm die 33-Jährige kein Blatt vor den Mund. Ohne Scham erzählte sie, dass sie bei dem Aufeinandertreffen bereits seit vier Tagen ununterbrochen auf Kokain war. Auch der Filderstädter soll in der Bar und später auch bei ihr in der Wohnung die Droge geschnupft haben. Sie seien nach dem Kennenlernen noch weiter durch Bars im Rotlichtmilieu gezogen. „Als er an einem Spielautomaten 700 Euro gewonnen hatte, sagte er zu mir, dass er sich jetzt meine Dienste leisten kann.“ Sie habe von ihm die geforderten 1000 Euro bekommen.

In der Wohnung kommt es zum Rollenspiel samt Lackkleid und Hundenapf

Gegen 12 Uhr Mittag seien sie dann in ein Taxi gestiegen, um in die Wohnung nach Esslingen zu fahren. Mit im Auto saß der 41-jährige Angeklagte. „Er ist ein Freund von mir, wir haben die gleichen sexuellen Vorlieben“, sagte sie. In der Wohnung sei es dann zum Rollenspiel samt Lackkleid und Hundenapf gekommen. Dabei soll die Frau laut Anklage der Staatsanwaltschaft dem Besucher ihr Knie ins Gesicht gerammt haben. „Sie hat eben einen harten Ton als Domina“, erklärte der 41-Jährige, der Teil des Rollenspiels war. Zwischendurch habe ihm der Mann sogar leid getan. „Man merkte, dass er Anhang suchte, sie hat ihn einfach abkassiert.“

Dass er den Filderstädter mit einem Hammer bedroht haben soll, verneinte der Angeklagte: „Er war ein armes Hündchen, warum sollte ich ihn bedrohen?“ Nur weil der Besucher eine Verlängerung des Rollenspiels wollte, sei die 33-Jährige mit dessen EC-Karte zu einem Bankautomaten gefahren. Er habe ihr freiwillig die PIN-Nummer gegeben, der Automat habe jedoch nur 400 statt der versprochenen 1000 Euro ausgespuckt. Das wollten ihm weder der Vorsitzende Richter noch die Staatsanwältin glauben. Es gebe Ungereimtheiten: Warum etwa hatte das mutmaßliche Opfer seine Handynummer mit der Botschaft „Bitte keinen Stress“ auf einem Stück Papier in der Esslinger Wohnung hinterlassen? Warum erhielt dieser nach dem Treffen eine WhatsApp mit einem Sexvideo von den Dreien mit der Aufforderung, die offene Summe zu begleichen? Der Prozess wird fortgesetzt.