Sattlerin Viktoria Kottler arbeitet in ihrer Werkstatt an einem Ledergeschirr. Foto: dpa/Uli Deck

Handwerk erfindet sich öfter mal neu. Eine Sattlerin im Südwesten macht vor, wie es geht – und fertigt Produkte der ganz besonderen Art.

Das kann sie zwar auch: Taschen, Gürtel, Kinderschühchen. Aber das macht sie vor allem: lederne Liebesschaukeln, Lederfesseln für Fuß- oder Handgelenke, Halsbänder, Lederkorsette und -geschirre. Die gelernte Sattlerin Viktoria Kottler hat sich auf Erotikbedarf spezialisiert und fertigt dafür in ihrer Werkstatt in Bischweier südlich von Karlsruhe auf Anfrage alles, was Herz und Körper ihrer Kundinnen und Kunden begehren. Nichts ist Kottler zu ausgefallen, nichts zu kurios. Rund 70 Prozent ihrer Produktion entfallen mittlerweile auf Artikel für die Welt von Sex und Liebe. „Handwerk. Leder. Erotik“ steht auf dem Firmen-T-Shirt der 29-Jährigen. Das letzte Wort in Rot.

 

Wie alles anfing – und was die Sachen kosten

Die Idee entstand ausgerechnet während eines Kurses für Rückbildungsgymnastik nach der Geburt ihres Sohnes 2020. Die 29-Jährige grinst selber, als sie das erzählt. Eine Teilnehmerin, heute eine ihrer Freundinnen, habe sie auf den Gedanken gebracht, es doch mal mit der Erotikschiene zu versuchen. „Sie kannte Leute, die für große Dating-Portale arbeiten.“ Da war Kottler schon einige Jahre mit ihrem Ledergewerbe selbstständig. „In der Erotikbranche, da geben die Menschen gerne Geld aus“, sagte sie sich. Auch ihr Mann hatte ihr zugeraten. Eine Liebesschaukel ist für knapp 500 Euro zu haben, das klassische fünfteilige Fuß-, Hals-, Handfesselset für 580 Euro. Geht eigentlich. Noch nie habe jemand zu handeln versucht, erzählt sie. „Erotik geht immer.“ Es duftet nach Leder in ihren Räumen, sie hat dort Ware im Wert von rund 15 000 Euro liegen.

Was sich Kunden so wünschen

Im Mai 2023 startete Kottler mit ihrem Angebot, vorausgegangen waren viel Planung und die Entwicklung von Prototypen. Seitdem ist ihr Auftragsbuch voll. Wartezeit um die zwölf Wochen, sagt sie, je nachdem, was Kundin und Kunde sich so wünschen. Und die wünschen sich so einiges, ins Detail geht Kottler aber nicht. Diskretion ist Ehrensache, sagt sie. Meist kämen etwas ältere Paare in einer festen Beziehung, mal kämen Frauen, mal Männer. „Ganz normale Leute halt“, sagt sie. „Leute wie du und ich.“ Für sie ist das Thema in keiner Weise peinlich, hochgezogene Augenbrauen sind nicht ihr Ding, Vorurteilen von Sattlerkollegen sei sie bisher auch nicht begegnet. Für ihre Produkte steht sie auf ihrer Website selbst Modell.

Überhaupt ist Kottler nicht die Einzige im Sattlerberuf, die Erotikartikel herstellt. Es erzählt halt nicht jeder, sagt sie. „Es ist aber eher eine Nische“, erläutert Sandro Schreiter vom Landesinnungsverband des Raumausstatter- und Sattlerhandwerks Baden-Württemberg. Und eine gute Möglichkeit, in einem traditionsreichen Beruf auch ungewöhnliche Wege zu gehen. „Wir sind schon immer ein wandelbares Handwerk und sehr vielseitig und können Krisen seit jeher gut überleben“, sagt Steffen Würtz, Landesfachgruppenleiter der Sattler im Südwesten. 

Zukunft soll noch professioneller werden

Viktoria Kottler ist dafür ein gutes Beispiel.  In ihrer Nische hat sie sich eingerichtet und will auf Dauer nur noch Erotikartikel anfertigen. Die meisten ihrer Kunden nehmen per Mail Kontakt mit ihr auf, manche kommen auch vorbei zum Anpassen oder Ausprobieren.  Manche lassen auch Artikel reparieren. Es gibt ein paar Vorgespräche und dann kann sie loslegen. „Ob ich einen Gürtel für die Hose oder eine Handfessel mache, ist mir egal“, sagt sie. „Mich interessiert die Arbeit mit dem Leder, mich interessiert das Fachliche daran und ob ich ein hochwertiges Produkt abliefere.“ Im Erotikbereich sei der Qualitätsunterschied ihrer handgefertigten Artikel zu Produkten aus Fernost besonders enorm.

Als Nächstes plant sie einen Online-Shop, das kann aber noch etwas dauern. Ihre Produkte haben hübsche Namen wie Blumencountry für beblümte Lederhalsbänder, eine Liebesschaukel mit gestepptem Sitz heißt „Cozy“, die „Heavy Duty“-Fesseln sind schwarz mit kirschrot. Und wer Pink möchte, bekommt Pink. Oder Türkis. Ein Halsband liegt gerade auf dem Tisch, verziert mit 24-Karat-Blattgold. Die Geschmäcker sind verschieden. Wie viele Kunden sie hat, möchte sie nicht sagen. Inzwischen liefert sie auch ins Ausland. Ihr Leder bezieht sie von Gerbereien aus der Region oder direkt aus den USA. 

Blöde Kommentare auf Instagram hat sie bisher keine bekommen. Eher Lustiges zu ihrem Sortiment. In ihrer Werkstatt liegen bunte kleine Lederschuhe und niedliche Lederlatzhosen für Kleinkinder direkt neben dem Fesselset. „Einer schrieb mal, dass man bei mir was für die Partnerschaft kaufen kann. Und neun Monate später dann was fürs Kind.“