Starke Show: Eros Ramazzotti in der Schleyerhalle Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Pomp und Pathos gehören zum Rezept: Eros Ramazzotti begeistert seine Fans in der Hanns-Martin-Schleyer-Halle.

Stuttgart - Eros Ramazzotti lässt diesen Satz leuchten, auf seinen Leinwänden: „90 Percent of the Planet is breathing polluted Air“. Der Superstar Italiens, Verführer mit Reibeisenstimme, will auf seiner neuen Tournee auch Mahner sein. Er weiß vielleicht nicht, dass er mit seinem Engagement in Stuttgart eine besondere Saite anrührt, aber er bekommt seinen Applaus gewiss auch an vielen anderen Orten: dafür, dass er den plastikverklebten Weltmeeren Raum gibt, in seinem Konzert, den Städten, die in Abgasen versinken, dafür, dass er dazu aufruft, den Planeten zu retten – und natürlich für seine Musik.

Eros Ramazzotti hat im November das 16. Album seiner Karriere veröffentlicht, er steht auf den Bühnen seit 38 Jahren, hat sich vor den Augen seiner Fans vom Pop-Jüngling zum Mitfünfziger gewandelt, tritt nun auf mit derselben Gestik südländischer Leidenschaft, aber ergrauten Schläfen und schlicht im T-Shirt. Sein jüngstes Album „Vita ce n‘é“ versucht, an große Zeiten anzuknüpfen, seine 8000 Stuttgarter Fans jedoch warten begierig auf die alten Hits – und bekommen sie schließlich auch.

Er blättert in seinem Leben

2019 punktet Eros Ramazzotti mit einem originell gelungenen Bühnenbild. Eine Projektionswand zieht sich weit geschwungen hinter ihm zur Hallendecke hinauf; die Bilder, die auf ihr leuchten, versetzen den Sänger in andere Welten, Sternennebel, Landschaften von paradiesischem Grün. Seine Band dagegen verschwindet in dieser Kulisse – nur ein Saxofonist tritt gelegentlich hervor, spielt ein Solo, tritt zurück. Später dann wird Ramazzottis Schlagzeuger zum großen Animateur des Publikums, treibt die Stimmung im Saal in neue Höhen und verdeutlicht ganz nebenbei, wie viel die Musik dieses italienischen Meisters dem afroamerikanischen Soul verdankt. Der Einfluss bleibt im Ohr, auch als Ramazzotti „Se bastasse una canzone“ singt und „Un‘altra te“, in das er mit leichter Hand den Hit eines anderen Vorbilds einbaut: Bob Marleys „No Woman no Cry“.

Pomp und Pathos gehören dazu

„Per il resto tutto bene“, ein Stück seines neuen Albums, sang er im Studio gemeinsam mit Helene Fischer, deren Stimme erstaunlich gut mit der seinen harmoniert. Auf der Bühne sind es mehrere Backgroundsängerinnen, die zu seinen Duettpartnerinnen werden. Ramazzotti hat sein Konzert mit viel Druck begonnen, laut und wild, gespickt mit eigenen Gitarrensoli, ein Star in den besten Jahren, der sich noch einmal austoben will, ehe er zur Ruhe findet. Aber auch dieser Moment kommt: Schließlich singt er an einem weißen Flügel, alleine mit seiner Gitarre, bei einem langen Akustikset, in dem seine Band nur mit Akzenten die Dramatik steigert. Bilder kommen hinzu, die den jungen Ramazzotti zeigen, im Auto, am Strand. Er kennt seine Stärken, er spielt sie aus, er blättert in seinem Leben. Und sein Publikum ist bei ihm, es bleibt seinen Stühlen nicht lange treu.

Nach all den Bildern, Liedern, berührt die Sonne, golden und dem Kitsch mit Vorsatz nicht abhold, das Meer, gießt ihre Strahlen auf die Wellen – und Ramazzotti wirft sich mit ausgebreiteten Armen in dieses Panorama hinein, liegt da, auf der roten Zunge der Brandung, die doch nur Kulisse ist. Pomp, Pathos – beim Italo-Pop gehört das zum Rezept. Eros Ramazzotti mag mit 55 Jahren kein Album vorgelegt haben, das das Genre neu erfindet – aber in Stuttgart hat er gezeigt, dass er noch gut weiß, wie man spielt, auf seiner Klaviatur.