Die Macher der neuen Bar Holzmaler an der Weberstraße im Stuttgarter Rotlichtviertel. Links:der einstigen Café´Stella-Mitbegründer Peter Stellwag, der das Barkonzept für die Altstadt entwickelt hat. Foto: Julia Schramm

Außen eine düstere Fassade, mit unleserlicher Schrift verschmiert, drinnen ein Schmuckstück: Die versteckte Speakeasy-Bar (Flüsterbar) Holzmaler in einer dunklen Altstadt-Gasse hat bei der Eröffnung die geladenen Gäste sehr begeistert.

Stuttgart - Direkt neben der neuen Cocktailbar, die von außen nicht als solche zu erkennen ist, befindet sich das Eros 11 a mit heruntergelassenen Rollläden. Anfang des vergangenen Jahres wurde das Laufhaus auf Betreiben der Stadt per Gerichtsbeschluss geschlossen, weil es nicht unter Bestandschutz steht. Erneut sind rote Lichter in der Stuttgarter Altstadt ausgegangen – und erneut sorgen nun Wirte dafür, dass dank ihrer hochwertigen Barkultur ein anderes Publikum den Weg ins Leonhardsviertel findet, nicht jenes, das sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nehmen will.

Bei der Eröffnungsfeier der Bar Holzmaler an der Weberstraße war Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle (Grüne) voll des Lobes – nicht nur, weil es hier einen überdachten Fahrradstellplatz gibt. Fürwahr ein Schmuckstück ist an der wohl düstersten Gasse der Stuttgarter Altstadt entstanden, an einem noch dazu historischen Ort, unweit der einstigen Stadtmauer. Peter Stellwag, der vor über 35 Jahren zu den Mitgründern des Cafés Stella gehörte, hat das außergewöhnliche Barkonzept entwickelt. „Beim Stella dachten viele, ein Café direkt an der Stadtautobahn funktioniert nicht“, erinnerte er sich. Funktioniert nun eine Bar, die versteckt ist wie zu Zeiten der Prohibition und die nur öffnet, wenn man die Parole kennt?

Noch fragt keiner nach der Parole

In der ersten Nacht hat noch keiner nach der Parole gefragt. Die Tür stand offen. So dürfte dies auch noch in den nächsten Nächten weitergehen (geöffnet ist dienstags bis samstags von 19 Uhr an). Im Nebenraum der Bar Holzmaler ist eine Tänzerin mit Bananen-Rock als Gemälde an der Wand zu sehen. Diese erinnert an Josephine Baker, die für die Selbstbestimmung der Frau eingetreten ist. Die Tänzerin auf dem Bild trägt eine Gorilla-Maske, die für die „Guerilla Girls“-Bewegung aus den 1980ern steht, die bei ihren politischen Aktionen für die Gleichberechtigung der Frau diese Kostümierung trug.

„Hier im Rotlichtmilieu müssen viele Frauen Arbeiten verrichten, die sie nicht wollen“, sagte Peter Stellwag, der zur Eröffnungsparty in den Arbeitskleidern des einstigen Holzmalers Johannes Mack erschien, der vor über 100 Jahren hier seine Werkstatt hatte, und dessen Geschichte der Innenarchitekt erzählte. Das Guerilla-Girl der Cocktailbar wendet sich gegen die Ausbeutung der Frau, erklärte er. Brigitte Lösch, die Landtagsabgeordnete der Grünen, freute sich über die deutlichen Worte von Stellwag: „Er ist ein echter Feminist.“

Gerhard Goller bringt Barplan aus dem Jahr 1970 mit

Als Jörg Kappler und Micha Kaiser, zwei Mitarbeiter beim Daimler, vor acht Jahren das Gebäude an der Weberstraße relativ günstig kauften – keineswegs um noch ein Laufhaus zu eröffnen –, ahnten sie nicht, dass sie in diesem Wohnhaus mal eine Bar im Erdgeschoss in Auftrag geben würden. Als der Mieter der unteren Wohnung auszog, wandelten sie auf den Spuren des Holzmaler Johannes Mack, der billige Dünnhölzer verarbeitete, auf dass sie wie edle Eiche aussahen.

Das Trio, das die beiden Besitzer für die Bartheke gefunden haben, machte bereits in der ersten Nacht einen ausgezeichneten Job. Es sind zwei junge, ambitionierte Bartender und ein Stadtoriginal, der sich Dino nennt und ein solcher ist in der Stuttgarter Gastroszene (unter anderem arbeitete er im Bix). Ein riesigen Leuchtbild von einem Seerosenteich schmückt die lange Theke. Unter den Gästen der Eröffnung war Gerhard Goller, der langjähriger Leiter der städtischen Gaststättenbehörde der einen Plan vom Leonhardsviertel aus dem Jahr 1970 mitbrachte, in die er mit verschiedenen Farben die Sperrzeiten eingezeichnet hatte.

Tiefe Gräben ziehen sich durch die Altstadt

Dass immer mehr Clubs und Bars jenseits vom Eros-Gewerbe im Rotlichtviertel eröffnen, fördert die Nachbarschaftshilfe nicht unbedingt. Tiefe Gräben ziehen sich durch die Altstadt. Etliche Bordellbetreiber, so hört man, freuen sich über den Wandel nicht. Sie fürchten, dass sich Freier nicht mehr ins Viertel trauen, weil sie nicht gesehen werden wollen.

Bezirksvorsteher Veronika Kienzle wünscht sich, dass auch tagsüber ein Café in diesem Quartier eröffnet, dass nicht nur abends Freunde der Barkultur das Viertel aufwerten. Ganz sicher ist sie nicht, ob das geschlossene Laufhaus Eros 11 a nebenan nicht doch stellenweise für sexuelle Dienstleistungen genutzt wird. „Es gibt ein Zugang vom unteren Laufhaus zu diesem“, sagt sie.