Immer mehr Kartoffeln werden krank. Der Landwirt Michael Kinzinger aus Vaihingen/Enz (Kreis Ludwigsburg) fordert mehr Freiheit beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.
Was ist nur mit den Kartoffeln los? Immer mehr der Erdknollen im Landkreis Ludwigsburg werden krank. Sie fühlen sich weich wie Gummibälle an. Michael Kinzinger vom Berghof im Vaihinger Stadtteil Enzweihingen muss in diesem Jahr jede zwanzigste Knolle aussortieren – doppelt so viele wie im Vorjahr.
Doch nicht nur die Kartoffel bereitet Probleme. Der Klimawandel mit seinen langen Trockenphasen verlangt den Landwirten im Kreis Ludwigsburg einiges ab. Die Bauern fordern insbesondere weniger Hindernisse beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Das ging aus der Pressekonferenz hervor, die der Landesbauernverband am Montag auf dem Hof von Michael Kinzinger über die Erntebilanz 2025 abhielt.
Infizierte Kartoffeln schmecken scheußlich
Hinter den Schäden im Kartoffelanbau steckt die Schilf-Glasflügelzikade. Das Insekt zählt zu den invasiven Tierarten, die im Zuge der Erderwärmung bis in den Speckgürtel rund um Stuttgart vorgedrungen sind. Die Zikade verbreitet ihre Erreger in den Bewuchs der Kartoffel – von dort wandern die Bakterien in die Knolle. Die Folge ist Zellzerfall. Infizierte Exemplare schmeckten scheußlich, erzählt Michael Kinzinger: „Unsere Hündin Heidi mag normalerweise gekochte Kartoffeln, diese aber nicht.“
Der Vaihinger Bauer ist nicht der einzige Betroffene. Erreger der Zikade sind seit mehr als 15 Jahren bekannt. Sie finden sich unter anderem auch in Zuckerrüben, Möhren, Rote Beete und Zwiebeln. Die Landkreise Ludwigsburg und Heilbronn seien besonders stark betroffen, hieß es vonseiten des Landesbauernverbandes.
Getreide ging verloren – für Zwiebeln und Kartoffeln war die Nässe gut
Michael Kinzinger hatte im Allgemeinen ein schwieriges Anbaujahr, insbesondere beim Getreide. Wochenlang herrschte im Frühjahr Dürre, dann setzte der Regen zur falschen Zeit ein. „Alles, was wir noch vor der langen Regenphase ernten konnten, war gut – danach ging vieles verloren.“ Jetzt hofft Kinzinger auf eine ergiebige Kartoffelernte, die in vollem Gange ist. Für diese Kultur wie auch für Zwiebeln sei die Feuchtigkeit gut gewesen.
Wie kann ein Landwirt langen Trockenperioden, wie sie in Zeiten des Klimawandels immer öfter auftreten, begegnen? Michael Kinzinger hat in ein modernes Bewässerungssystem investiert, um Kartoffeln und Zwiebeln versorgen zu können. „Das war kostspielig – doch ohne diese Maßnahmen hätten wir mindestens 30 Prozent Ernteverlust gehabt.“
Kinzinger appelliert an die Politik, den Bauern beim Pflanzenschutz mehr Spielräume zu gewähren. Das Beispiel der Zikade zeige, dass die per Notfallzulassung eingesetzten Mittel wirkten. „Kein Landwirt spritzt zum Spaß – wir zahlen dafür, es kostet Zeit, und keiner macht es gerne.“
Aber wenn Lebensmittel in Menge und Qualität erzeugt werden sollen, brauche man dauerhaft zugelassene wirksame Mittel, betont der 34-Jährige, der als stellvertretender Vorsitzender beim Bauernverband Heilbronn-Ludwigsburg fungiert und die Direktvermarktung per Hofladen mit Backstube, Online-Shop, Besenwirtschaft und Weinfesten vorangetrieben hat.
Rückendeckung erhielt Michael Kinzinger am Montag von Joachim Rukwied, dem Präsidenten des baden-württembergischen Bauernverbandes. Anlass war das Pressegespräch zur Erntebilanz 2025 in Baden-Württemberg auf Kinzingers Hof. Laut Rukwied prägten Wetterextreme das Jahr. Zwar liege die diesjährige Ernte mit drei Millionen Tonnen Getreide über dem langjährigen Mittel, doch der Krankheits- und Schädlingsdruck auf die Äcker erhöhe sich ständig.
Bauernverband setzt sich für Pflanzenschutzmittel ein
Die Schilf-Glasflügelzikade breite sich deutschlandweit aus, so Rukwied: „Je nach Befallsdruck liegen die Ertragsverluste bei 50 Prozent und mehr.“ Der Bauernverbandschef fordert eine dauerhafte Zulassung geeigneter Pflanzenschutzmittel. „Notfallzulassungen reichen nicht aus, um einem zunehmenden Schädlingsdruck langfristig zu begegnen.“
Kritische Töne schlug Rukwied auch in puncto Bürokratie an. „Entgegen der Bekundungen der Politik werden es immer mehr Auflagen.“ Als Beispiel nannte der Funktionär die Überwachung der Felder durch Satelliten. Die Behörden verlangten bei Ausfall der Technik aufwendige Nachweise vom Landwirt, „damit man ihm glaubt“. Über eine derart erdrückende Bürokratie könne er nur den Kopf schütteln. Den Landwirten sollte mehr vertraut werden – vor allem, wenn das Wetter nicht mitspielt. Und das wird es in Zukunft immer seltener.
Wie war die Getreideernte im Land?
Mengen
Die Erntemengen lagen mit drei Millionen Tonnen Getreide über dem Durchschnitt. Der Winterweizen als wichtigste Kultur unter den Getreidesorten weist mit 1,6 Millionen Tonnen ein Plus von vier Prozent über dem langjährigen Mittel auf. Die Wintergerste rangiert sogar mit 10 Prozent und die Sommergerste mit 12 Prozent über dem Durchschnitt. Raps liegt mit einem Prozent im Plus, der Hafer mit sieben Prozent im Minus.
Anbauflächen
Landesweit ist Winterweizen mit 216.500 Hektar die Hauptkultur, gefolgt von Wintergerste mit 79.600 Hektar und Winterraps mit 53.000 Hektar sowie Sommergerste und Körnermais mit jeweils 52.500 Hektar, Dinkel mit 28.200 Hektar und Hafer mit 21.600 Hektar.