Erst vor wenigen Monaten verabschiedet, jetzt aber doch wieder im Einsatz gegen die Pandemie: Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Sieben-Tage-Inzidenz ist auch am Dienstag wieder kräftig gestiegen. Diese Entwicklung ist der Grund, dass die Bundeswehr, die man erst Ende Juni verabschiedet hatte, wieder nach Stuttgart zurückgekehrt ist. Die Impfquote steigt trotz vieler Vor-Ort-Impfaktionen nur langsam.

Stuttgart - Nach zweieinhalb Monaten Pause kehrt die Bundeswehr zur Unterstützung des Gesundheitsamtes bei der Pandemiebekämpfung nach Stuttgart zurück. „Ab sofort leisten neun Soldatinnen und Soldaten Amtshilfe“, so die Stadt. „Die Infektionszahlen steigen wieder“, begründet Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann den Antrag. Um der vierten Welle entgegenzuwirken, müsse man Infektionsketten unterbrechen und „das Virus ausbremsen“.

Sußmann erinnert daran, dass die „Soldatinnen und Soldaten uns in der Vergangenheit bereits eine große Hilfe bei der Eindämmung der Coronapandemie waren“. Im ersten, achtmonatigen Einsatz waren insgesamt 120 Kräfte des Jägerbataillons 292 aus Donaueschingen in Stuttgart tätig, bis zu 60 gleichzeitig. Außerdem hatten in der Spitze 29 Einsatzkräfte in Alten- und Pflegeheimen Schnelltests vorgenommen. Der jetzige Einsatz ist bis zum 1. Oktober vorgesehen, also nur zwei Wochen. Hauptaufgabe wird die Kontaktverfolgung bei Infektionen sein.

Inzidenz hat stark zugenommen

Die Inzidenz lag am Dienstag bei 100,3 Fällen pro 100 000 Einwohner (Vortag: 92,3). Die vorigen sieben Tage wurden 632 Neuinfektionen registriert (plus 141). Derzeit gibt es hier mehr als 1500 aktive Infektionsfälle. Man liege „auf einem relativ hohen Plateau“, sagt der Stadtsprecher Sven Matis.

Dabei ist die Inzidenz im Vergleich zum Vorjahr jetzt schon deutlich höher. Vor rund zwölf Monaten betrug diese etwa 25 Fälle pro 100 000 Einwohner. Wegen der sehr ansteckenden Deltavariante seien die Infektionen nun deutlich „schneller und massiver“ gestiegen als im Vorjahr. Mit dem Ende der Schulferien rechnet die Stadt „in den nächsten Tagen und Wochen mit einem deutlichen Anstieg der Infektionen“, erklärt der Stadtsprecher. „Erste Fälle“ in Schulen und Kitas seien bereits aufgetreten.

Anteil der Reiserückkehrer wird steigen

Bei den Reiserückkehrern ist die Lage ähnlich wie im vorigen Jahr. Diese machen aber angesichts der höheren Infektionsfälle derzeit nur knapp zehn Prozent der Fälle aus. Unter den noch aktiven Infektionen seien 132 Reiserückkehrer. 127 davon kamen aus dem Ausland, die meisten aus der Türkei, dem Kosovo und aus Kroatien. Man rechne aber damit, dass in nächster Zeit der Anteil der Reiserückkehrer an den Neuinfektionen auf etwa ein Drittel aller Fälle anwachsen werde, so Matis.

Sozialbürgermeisterin Alexandra Sußmann forderte die Menschen erneut auf, sich gegen Corona impfen zu lassen. Doch alle Appelle der vergangenen Wochen und Monate haben bei den noch Ungeimpften in Stuttgart offenbar nur begrenzt gewirkt. Jedenfalls kommt die Impfkampagne auch in der Landeshauptstadt nur schleppend voran. Nach den jüngsten Angaben des Landes zu den Impfquoten in den 44 Stadt- und Landkreisen Baden-Württembergs liegen die Zweitimpfungen in Stuttgart bei 57,4 Prozent (Landesschnitt: 58,7 Prozent). Die Quote der Erstimpfungen liegt bei 60,2 Prozent (Landesschnitt: 61,6 Prozent).

Erfolgsmodell mit mäßigem Effekt

Die laufenden Vor-Ort-Impfungen durch mobile Teams des Robert-Bosch-Krankenhauses (RBK) gelten zwar als „Erfolgsmodell“, sagt Stadtsprecher Matis, er räumt aber ein: „Der quantitative Fortschritt könnte noch besser sein.“ Das wünscht sich auch der Medizinische Geschäftsführer des RBK, Mark Dominik Alscher. Etwas mehr als 1000 Impfungen am Tag mache das verbliebene Impfzentrum im RBK, „500 bis 600 durch die mobilen Teams, etwa 600 im Zentrum“. Das ist im Landesvergleich zwar noch sehr viel, aber wenig gemessen an den Hochzeiten des Impfens in Stuttgart. Man erreiche aber durchaus auch viele junge Leute mit dem Vor-Ort-Impfen etwa am Marienplatz, in Clubs und am Feuersee.

Einen gewissen Schwung hat das Ferienende gebracht, vielleicht auch die Werbung für die bundesweite Impfaktionswoche. Als Problem erweise sich, dass man, weil die Impfzentren im Land am 30. September schließen, die Menschen zur Zweitimpfung an niedergelassene Ärzte verweisen müsse. Dort einen Termin zu bekommen sei nicht so einfach, sagt Alscher. „Wir bekommen immer wieder erboste Anrufe.“

Vor allem Ungeimpfte in Kliniken

Welchen positiven Effekt die Corona-Schutzimpfung hat, zeigt die Auswertung der Inzidenzen nach Geimpften und Nichtgeimpften. Seit Anfang August ist in Stuttgart die Inzidenz bei den Ungeimpften von 41,5 auf 242,1 Fälle pro 100 000 Fälle gestiegen und ist damit neunmal höher als bei den Geimpften mit nur 28 Fällen.

Entsprechend hoch ist der Anteil der ungeimpften Infizierten in Stuttgarts Krankenhäusern. Im RBK liegen derzeit rund 30 Covid-Patienten, von denen sechs beatmet werden, sagt der Medizinische Geschäftsführer Mark Dominik Alscher. „Das ist nicht wenig.“ In ganz Stuttgart seien es etwa 85. Die Patienten seien zwischen 40 und 70 Jahre alt und zu etwa 95 Prozent, also „weit überwiegend, nicht geimpft“, sagt Alscher.