Strom aus Wasserkraft Foto: dapd

Beim Stauseeprojekt Atdorf prallen Natur- und Klimaschutz aufeinander.

Stuttgart - Beim Stauseeprojekt Atdorf im Schwarzwald prallen Natur- und Klimaschutz frontal aufeinander. Darf man Bäume opfern, um ein Pumpspeicherwerk zu bauen? Wer erneuerbare Energie will, so Fachleute auf einer Anhörung der Grünen, braucht solche Anlagen. Wahrscheinlich auch solche im Schwarzwald.

Zahlreich sind sie angereist, die Gegner des Stausees, darunter auch Grünen-Kommunalpolitiker. Deren Widerstand ist mittlerweile bundesweit bekannt, denn er steht für ein strategisches Dilemma der Partei: Energiepolitisch bekennt sie sich für den Bau von solchen Anlagen, die das schwankende Angebot von Sonnen- und Windkraft stabilisieren sollen. Vor Ort jedoch gehen sie auf die Barrikaden.

Sankt-Florians-Prinzip nennen das Kritiker, doch die Bürgerinitiative vom Hotzenwald, wie die Region heißt, zieht sich diesen Schuh nicht an. "Wir befürchten, dass man jetzt 150 Hektar in Anspruch nimmt und später sagt, das hätte man gar nicht gebraucht", sagt der Diplomingenieur Jürgen Pritzel. Wie seine Mitstreiter stellt er nicht nur Atdorf infrage, sondern die Notwendigkeit von Pumpspeicherwerken insgesamt.

Die oft zitierte Regelleistung, also die Fähigkeit, bei Engpässen schnell Strom zu liefern, wird seiner Ansicht nach frühestens 2020 benötigt, wenn deutlich mehr Windräder und Solarzellen am Netz sind. Dann aber rechnet Pritzel mit ganz neuen Technologien, um Energie zu speichern. Druckluft zum Beispiel oder Erdgas. Oder aber man speichert sie in Norwegen, wo Stauseen in Hülle und Fülle zur Verfügung stehen.

Norwegische Seen könnten den kompleten deutschen Speicherbedarf decken

Norwegen als Batterie Europas? Christian Hey vom Sachverständigenrat für Umweltfragen, einem von der Bundesregierung eingesetzten Expertenrat, hält das für realistisch. Die Seen dort könnten locker den kompletten deutschen Speicherbedarf decken - selbst wenn der Strom vollständig regenerativ erzeugt wird. Doch die Politik gehe dabei halbherzig vor, so Heys Kritik. Außerdem bremsten die Energieversorger, die kein Interesse am Ausbau des Stromnetzes bis Norwegen hätten. Der aber wäre Voraussetzung, um überschüssigen Strom in dortigen Seen speichern und bei Bedarf wieder abrufen zu können. Hey: "Es ist nicht banal, Leitungen für 60 Gigawatt durchs Wattenmeer zu ziehen." Bis 2017 seien gerade mal zwei Leitungen für 2,8 Gigawatt geplant.

"Wir können nicht alle Probleme in Skandinavien lösen", dämpft Felix Matthes vom Berliner Öko-Institut die Euphorie. Auch wenn man das internationale Stromnetz massiv ausbaut, hält er das Speichern von Energie für notwendig - und Wasser sei dafür eben eine gute Option. Allerdings nur eine von vielen: "Es gibt nicht die Speichertechnologie, die alles kann", sagte Maike Schmidt vom Stuttgarter Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung. Wie alle anderen Referenten plädiert sie für einen Mix aus verschiedenen Methoden.

Doch muss ein Pumpspeicherwerk unbedingt in einem ökologisch hochsensiblen Gebiet wie bei Atdorf entstehen? Annegret-Claudia Agricola von der Deutschen Energie-Agentur, die dem Projekt in einem Gutachten einen energie- und volkswirtschaftlichen Nutzen attestiert hat, muss einräumen, dass "gesellschaftliche Kosten nicht betrachtet wurden".

Klimaschutz dürfe nicht automatisch Vorrang vor Artenschutz haben, mahnte denn auch die Waldshuter Grünen-Kreisvorsitzende Ruth Cremer-Ricken. Ihr Haupteinwand: dass der Bauherr, die EnBW-Tochter Schluchseewerke, keinerlei Alternative untersuchen will. Darauf aber pocht auch der Stuttgarter Grünen-Fraktionsvize Franz Untersteller, der die Anhörung organisiert hat. "Ich wünsche mir, dass es vor dem Planfeststellungsverfahren eine Art Runden Tisch gibt, bei dem auch Alternativen zur Sprache kommen." An der grundsätzlichen Notwendigkeit von Pumpspeicherwerken hat aber auch Untersteller keinen Zweifel: "Wir brauchen viel mehr als jene, die wir heute schon haben."