Baden-Württemberg hat im Krisenjahr 2022 die Photovoltaik ordentlich ausgebaut. Bei der Windenergie sah es ziemlich mau aus. Beides muss noch deutlich zunehmen.
Der Ausbau der Windenergie in Baden-Württemberg geht weiterhin nur schleppend voran. Im Jahr 2022 wurden lediglich neun neue Anlagen mit einer Gesamtleistung von 38 Megawatt errichtet. Das sind 16 Windräder weniger als im Jahr zuvor. Das teilt die Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg (EE BW) mit, in der sich Verbände, Unternehmen und Forschungsinstitute aus der Erneuerbare-Energien-Branche im Land zusammengeschlossen haben. Um die Klimaziele zu erreichen, müssten bis 2030 im Durchschnitt pro Jahr rund 100 Anlagen mit einer Gesamtleistung von 530 Megawatt errichtet werden, mehr als zehnmal so viel wie aktuell, so die Plattform. Zum Vergleich: Spitzenreiter Schleswig-Holstein kam auf 132 neue Anlagen, die neu installierte Leistung beträgt 545 Megawatt. Selbst Bayern, wo die Gesetzgebung weniger windfreundlich ist als im Südwesten, hat mit 14 neuen Anlagen mehr zugebaut.
Immerhin wurden nach vorläufigen Zahlen 2022 insgesamt 41 neue Anlagen genehmigt – und damit mehr als 2021. Nach Brancheneinschätzung befänden sich zudem deutlich mehr Projekte in der Vorgenehmigungsphase, so EE BW. „In den nächsten Jahren wird der Zubau daher voraussichtlich spürbar zunehmen. „Voraussetzung ist jedoch eine massive Beschleunigung der Abläufe in den Verfahren zur Genehmigung und zur Flächenausweisung“, sagt Jörg Dürr-Pucher, Vorsitzender der Plattform EE BW: „Wir brauchen das Tempo wie bei den LNG-Terminals!“
Baden-Württemberg hat zwar weniger Windpotenzial als andere Bundesländer, doch dessen Nutzung wäre gerade im Winter wichtig, um naturgemäß schwächere Ergebnisse bei der Photovoltaik auszugleichen und mehr erneuerbare Erzeugungskapazität im Süden zu haben, wenn in Nord- und Mitteldeutschland besonders viel Windenergie anfällt. Wegen Netzengpässen muss im Winter von den Netzbetreibern besonders viel Erzeugung zugekauft werden, um die Spannung im Netz aufrecht erhalten zu können.
Um den Ausbau zu beschleunigen, schlägt die Dachorganisation unter anderem eine Neujustierung beim Artenschutz vor und das vor allem in den Regionen mit den windstärksten Flächen. „Gerade in den Hochlagen des Schwarzwaldes muss ein Kompromiss geschlossen werden zwischen dem Auerhuhn und der Windkraft, der nicht 100 Prozent Auerhuhn und null Prozent Windenergie heißt“, so Dürr-Pucher.
Auch bei der Solarenergie muss das Tempo steigen
Besser sieht es bei der Photovoltaik (PV) im Land aus. Nach einer vorläufigen Auswertung des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) sind im vergangenen Jahr 780 Megawatt PV-Leistung im Land hinzugekommen. Im Vorjahr waren es 621 Megawatt. Tatsächlich müsste es aber mehr als das Zweieinhalbfache pro Jahr sein, um bis 2030 die Klimaziele zu erreichen, rechnet die Plattform vor. Bayern hat mit 2100 Megawatt Zubau dieses Volumen erreicht.
„Trotz des Zuwachses muss der jährliche Zubau sowohl bei der Photovoltaik als auch bei Windenergie noch viel höher sein, damit die Landesziele für die klimafreundliche, sichere und günstige Energieversorgung Realität werden“, so Franz Pöter, Geschäftsführer von EE BW. Die erneut geringen Zubauzahlen müssten ein Weckruf sein, die Anstrengungen für den EE-Ausbau auf allen Ebene zu forcieren.
Dazu macht die Organisation auch konkrete Vorschläge: So müssten für den Ausbau von Freiflächen-PV, wie sie häufig neben Autobahnen zu finden sind, Regelungen in der Landesbauordnung oder bei der Grundsteuer verändert werden. Probleme bei Netzanschlüssen will die Plattform zudem unkonventionell lösen: Da Wind und PV selten gleichzeitig die volle Leistung erbrächten, könnte man Solar- und Windparks an einem gemeinsamen Einspeisepunkt anschließen, schlägt EE BW vor, und mit einer intelligenten Steuerung eine Überlastung vermeiden.