Solarelemente sind in der Marbacher Altstadt kaum vertreten – dabei spielt auch der Denkmalschutz eine Rolle. Foto: Archiv (Werner Kuhnle)

Die Stadt will ihre Bürger beim Umrüsten auf erneuerbare Energien mitnehmen. Es gibt offenbar große Potenziale in Privatgebäuden und im Verkehr.

Wann kommt der Klimaschutzmanager? Diese Frage bewegt in Marbach nicht nur die Stadträte. Sie selbst sorgten aber dafür, dass die Stelle im Rathaus möglich wird. Einstimmig bewilligten sie am Donnerstag ein Klimaschutzkonzept der Energieagentur Kreis Ludwigsburg (LEA) – das ist Voraussetzung dafür, einen solchen Spezialisten einzustellen. Davon sollen nicht zuletzt die Bürger profitieren. Denn sie brauchen in Zeiten des Klimawandels Orientierung in Energiefragen.

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Worum geht es in dem Klimaschutzkonzept der LEA?

Treibhausgase bis 2040 zu 90 Prozent abzubauen, ist ein wichtiges Ziel, auch in Marbach. Die Schillerstadt steht damit nicht alleine da. Im Landkreis Ludwigsburg entstehen gerade überall Analysen. Unter dem Eindruck immenser Starkregenschäden wie kürzlich in Mundelsheim und Oberstenfeld soll die Abkehr von fossilen Brennstoffen vorangetrieben werden. Das Klimaschutzkonzept zeigt Potenziale für erneuerbare Energien auf. Überdies stellt die LEA einen Katalog mit 21 Projekten auf. Der SPD-Stadtrat Ernst Morlock sprach nach der Lektüre des 74-seitigen Werks von einer „Herkulesaufgabe“. Klar ist, dass die Bürger mit ihren Immobilien und ihrem Mobilitätsverhalten entscheidend zum Gelingen der Ziele beitragen. Deshalb wünschen sich die Räte auch eine starke Öffentlichkeitsarbeit.

Wie wird der aktuelle Zustand von Marbach im Klimaschutz beurteilt?

Die LEA bescheinigt der Stadt nachhaltige Ansätze – etwa mit Wärmenetzen für die Altstadt und das Rielingshäuser Neubaugebiet Keltergrund. Die Agentur lobt das professionelle Gebäudemanagement und die Kooperation mit dem Solarverein, wie zum Beispiel beim Bau von Fotovoltaikanlagen an Schulen sowie jährliche Energieberichte. Es gibt aber auch noch Luft nach oben. Die CO2-Bilanz der Stadt ist zwar im Vergleich nicht schlecht: Jeder Bürger hat im Untersuchungsjahr 5,4 Tonnen Treibhausgase verursacht – das ist weniger als der Landesdurchschnitt mit 9,4 Tonnen. Und immerhin rund ein Drittel des verbrauchten Stroms wurde durch lokale erneuerbare Energien erzeugt. Das entspricht dem Bundesdurchschnitt. Doch bei der Wärme aus erneuerbaren Energien schneidet Marbach mit 7,6 Prozent miserabel ab und liegt weit unter dem Landesdurchschnitt von 15,6 Prozent.

Wo liegen große Potenziale?

In der Analyse anhand von Daten aus dem Jahr 2016 erkennt die Agentur das größte Potenzial im Bereich der Gebäudedämmung. Die Haushalte könnten pro Jahr 80 000 Megawattstunden (MWh) sparen, mit einer moderneren Heiztechnik 10 000 MWh. Ein sehr großer Teil der Gebäude sei vor 1978 errichtet worden. Im Endenergieverbrauch von rund 242 000 MWh liegen die privaten Haushalte mit 45 Prozent vor dem Verkehr mit 27  Prozent und dem Gewerbe. Wärme werde immer noch größtenteils über Heizöl zu 39  Prozent und Erdgas zu 54 Prozent erzeugt. Nur sieben Prozent der Privatgebäude werden mit erneuerbaren Energien versorgt.

Welche Projekte nennt die LEA in ihrem Konzept für eine Verbesserung?

Unter den 21 Maßnahmen findet sich die Förderung von Solar- und Wärmeanlagen ebenso wie Quartierssanierungen oder Ladestationen für E-Fahrzeuge und E-Bikes, Taktverdichtungen im ÖPNV, Energiekonzepte für Neubaugebiete, Hausmeisterschulungen und Lastenpedelecs für Familien sowie Beratungen und die Teilnahme am European Energy Award und die kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit. Die Reaktionen der Stadträte waren positiv, kritische Töne blieben aber nicht aus. Puls-Rat Hendrik Lüdke klagte über Parkplatzpläne und erinnerte an einen Radweg an der Poppenweilerstraße. Viele Beschlüsse seien „mit Benzin im Blut“ erfolgt. „Konkrete Maßnahmen – und nicht nur eine Stelle“ forderte CDU-Ratsfrau Heike Breitenbücher. „Die Bürger stärker bei der Hand nehmen im Dschungel der Förderungen“, riet Dr. Michael Herzog für die Freien Wähler. Sich auf den privaten Sektor und den Verkehr zu konzentrieren, ist für die Grüne Barbara Eßlinger das Gebot der Stunde.

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