Tanja Degler beschäftigt sich schon lange mit Ernährung – auch wegen Erkrankungen in ihrer Familie. Foto: Gottfried Stoppel

Von Adipositas über Krebs bis Zöliakie: Die Wahl der Lebensmittel kann viel bewirken, sagt die zertifizierte Ernährungstherapeutin Tanja Degler aus Weinstadt. Sie berät dazu in ihrer Praxis und bietet Kühlschrank-Checks und Einkaufstouren im Supermarkt an.

Gut gemeinte Ratschläge zur Ernährung hat Tanja Degler, die an Neurodermitis leidet, im Laufe ihres Lebens viele bekommen. „Lass die Eier weg“ oder „Trink keine Kuhmilch, dann gibt sich das“ – diese und andere Tipps haben Mitmenschen der 50-jährigen Weinstädterin in der Vergangenheit gern mit auf den Weg gegeben. Aus wissenschaftlicher Sicht sind solche pauschalen Essverbote schlichtweg Quatsch und können bei Betroffenen sogar zu Fehl- oder Mangelernährung führen.

 

„Ernährung war immer ein Thema für mich“, sagt Tanja Degler, die früher als Diplom-Ökonomin an der Uni Hohenheim gearbeitet hat. Als ihr Sohn im Kindergartenalter an Krebs erkrankte, stand die Welt der Familie Kopf. Seither weiß Tanja Degler aus eigener Erfahrung, welch große Rolle die Ernährung auch bei Onkologie-Patienten spielt.

Das Dilemma sei, dass der Körper bei einer Chemotherapie extrem viel Energie brauche – doch aufgrund der häufig auftretenden Übelkeit, Geschmacksveränderungen und anderen Nebenwirkungen der Therapie nehmen Betroffene meist viel zu wenig Kalorien auf, was oft zu einer Mangelernährung und extremem Gewichtsverlust führe. Als betroffene Mutter habe sie sich damals ein bisschen hilflos gefühlt, erinnert sich Tanja Degler – sie hätte sich Informationsmaterial und mehr Aufklärung zur Ernährung bei Krebspatienten gewünscht.

Ernährungsberatung ist ein großer Markt

Heute weiß sie, was Onkologie-Patienten tun können und hat obendrein das Fachwissen, um Menschen mit anderen Vorerkrankungen wie Adipositas, Magen-Darm-Erkrankungen, Fettstoffwechselstörungen, Lipödem, Rheuma, Hang zu Schlaganfällen und Herzinfarkten, Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder Zöliakie zu beraten.

Das in Getreide enthaltene Gluten ist für Zöliakie-Patienten schädlich. /IMAGO/CHROMORANGE

Denn inzwischen hat sie ein Studium der Ernährungswissenschaften an der Uni Freiburg absolviert und Hospitanzen beim Ernährungsteam des Klinikums Stuttgart, am Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart (CVUA) und in der Lebensmittelbranche gemacht. Seit Anfang Februar bietet die zertifizierte Ernährungstherapeutin in ihrer Praxis in Weinstadt-Endersbach Ernährungstherapie, präventive Ernährungsberatung und Sporternährung an.

Die präventive Beratung richtet sich an gesunde Menschen, wobei der Begriff Ernährungsberater nicht geschützt ist. „Das ist ein Riesenmarkt“, sagt Tanja Degler und ergänzt, angesichts von Unmengen von Zertifikaten und Coaches müsse man als Kunde genau hinschauen. Sie selbst hat das Zertifikat „E-Zert Ernährungstherapie“, das mehrere Berufsverbände gemeinsam vergeben und dessen Träger sich regelmäßig weiterbilden müssen. „Wenn jemand eine Vorerkrankung hat, dann ist die Beratung Sache einer Ernährungstherapeutin“, sagt Tanja Degler, die sich auf diesen Bereich spezialisiert hat.

Hilfe bei Zöliakie, Morbus Crohn und Arteriosklerose

Menschen, die beispielsweise an Zöliakie, Morbus Crohn oder Arteriosklerose leiden, also Erkrankungen haben, die sich durch Ernährung positiv beeinflussen oder gar heilen lassen, bekommen vom Arzt eine Notwendigkeitsbescheinigung für die Beratung durch qualifizierte Ernährungstherapeuten wie Tanja Degler. Diese wird dann bezuschusst – die Höhe des Zuschusses variiert je nach Krankenkasse. Für Adipositas-Patienten, die beispielsweise eine Magenverkleinerung planen, ist eine sechsmonatige vorherige Ernährungstherapie sogar Pflicht.

„Die Patienten bringen zu Beginn ihre ärztlichen Befunde mit. Ich bitte sie dann in der Regel für eine gewisse Zeit ein Ernährungstagebuch zu führen“, erklärt Tanja Degler. Das bringt oft ans Licht, dass die Ratsuchenden sich längst nicht so optimal in Bezug auf ihre Erkrankung ernähren, wie sie selbst vielleicht glauben. „Man lügt sich da zum Teil gern mal in die eigene Tasche.“ Tanja Degler analysiert die Essgewohnheiten, schlägt Verbesserungen vor und erstellt auf Wunsch auch einen Ernährungsplan.

Kühlschrank-Check mit der Ernährungstherapeutin

Zudem bietet sie praktische Hilfen wie einen Check des Kühl- und Vorratsschranks an, beurteilt die Lebensmittel, die sie dort entdeckt, und klärt auf, was so alles an Aromen und Zusatzstoffen in den Produkten steckt. Wer mag, kann auch eine gemeinsame Einkaufstour durch den Supermarkt buchen und sich von Tanja Degler zeigen lassen, welche gesünderen Alternativen es zu bisher bevorzugten Lebensmitteln gibt.

 

Nahrungsergänzungsmittel sollten nur bei einem akuten, im Labor festgestellten Mangel geschluckt werden: „Meistens sind sie aber schlicht nicht notwendig.“ Trend-Diäten sieht Tanja Degler eher kritisch: „Häufig gilt: Die Dosis macht das Gift.“ Auch von sogenannten Krebsdiäten hält sie rein gar nichts: „Es wäre ein Segen, wenn es eine bestimmte Diät gäbe, mit der man Krebs heilen könnte, aber so einfach ist es leider nicht.“

Den Heilungsprozess bei einer Krebserkrankung mit der Ernährung zu unterstützen, hält sie dennoch für immens wichtig. Allerdings steht nicht nur die Auswahl spezifischer Lebensmittel im Mittelpunkt: „Manchmal helfen schon Tipps wie Ablenkung oder Gesellschaft beim Essen, um die Aufnahme der Nahrungsmenge zu steigern.“