Schmeckt: Der kleine Mischlingshund Lenny knabbert genüsslich an einer Möhre. Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Können Hunde rein pflanzlich ernährt werden? Manche halten das für Tierquälerei, andere hingegen für dringend geboten. Die Wissenschaft liefert zu der Frage erste Erkenntnisse.

Für Tessa Zaune-Figlar begann ihre Geschäftsidee mit einer Allergie: Ihr Hund, ein Schäferhund-Labrador-Mix, litt unter Juckreiz und häufigem Durchfall. Warum, war lange Zeit nicht klar – bis Zaune-Figlars Tierärztin vorschlug, versuchsweise auf tierische Nahrung zu verzichten. „Ich dachte erst, das wäre ein Witz“, erinnert sich die 38-Jährige. „Der Hund stammt doch vom Wolf ab!“ Trotzdem mischte sie Tofu, Hirse, Linsen, Kartoffeln und verschiedenes Gemüse, gab ein Mineralpulver hinzu und servierte es ihrem Hund. „Nach vier Wochen waren die Beschwerden weg.“

Wie wär’s mit einer Kaustange aus Roter Bete?

Inspiriert von diesem Erlebnis, gründete sie die Firma Vegdog, die sich auf veganes Hundefutter spezialisiert. Seit 2016 sind Produkte wie „Farmer’s Crunch“ (Trockenfutter), „Sensibelchen No 1“ (Dosenfutter) oder „Dentals“ (Kaustange aus Roter Bete) auf dem Markt. Aus Sicht von Befürwortern spricht – genau wie beim Menschen – einiges für diese Form der Ernährung. Sie soll gesünder sein, der Massentierhaltung entgegenwirken und das Klima schonen.

Tierisches Hundefutter verursacht viel CO2

So kommt eine Studie der TU Berlin zu dem Schluss, dass ein durchschnittlicher Hund im Laufe seines Lebens so viel CO2 ausstößt wie 13 Hin- und Rückflüge von Berlin nach Barcelona oder 72 800 Kilometer im Auto. Der Großteil davon komme durch tierisches Hundefutter zustande. Zwar werden meist Schlachtnebenprodukte wie Herz, Lunge, Magen, Euter oder Zunge verarbeitet, Körperteile, die Menschen ohnehin kaum essen. Es gibt allerdings auch Hersteller, die mit „reinem Muskelfleisch“ werben. Oder anders formuliert: Tiere werden gezüchtet und getötet, um andere Tiere zu ernähren.

Zugleich bieten immer mehr Hersteller vegetarisches oder veganes Futter an. Ist eine solche Ernährung bei Hunden wirklich artgerecht? Oder kann ein Tier, das vom Wolf abstammt, mit Roter Bete und Linsentofu nichts anfangen? Viele Hundehalterinnen und -halter sind verunsichert und geben ihrem Liebling im Zweifel doch lieber Standardfutter – oft auch dann, wenn sie selbst keine Tiere essen. Noch gibt es nur einzelne wissenschaftliche Studien zu solchen Fragen. Die vorhandenen Untersuchungen kommen allerdings zu einem erstaunlich eindeutigen Ergebnis: Der Hund von heute kann im Grunde alles fressen.

Der Hund hat sich den Menschen angepasst

Vor mehr als 10 000 Jahren begann die Domestizierung des Wolfs. Die besten Chancen hatten dabei Individuen, die menschliche Essenreste – also vor allem Getreide – gut verdauen konnten. Zu diesem Schluss kommt eine Forschungsgruppe der Universität Uppsala, die 2013 die genetischen Unterschiede zwischen Wolf und Hund untersuchte. Demnach können Hunde deutlich besser Pflanzen verdauen als Wölfe. Der beste Freund des Menschen hat sich diesem also über die Jahrtausende angepasst. Ein aktueller Aufsatz von Forschenden der University of Alberta (Kanada) stößt ins selbe Horn. In der Vergangenheit ernährten sich Hunde vor allem von Resten, die ihnen Menschen übrig ließen. Parallel zur Entwicklung der Landwirtschaft passten sich auch die Hunde an und lernten, Stärke besser zu verdauen.

„Der Hund als Allesfresser kann sowohl vegan als auch vegetarisch ernährt werden“, schreibt die Schweizerische Vereinigung für Kleintiermedizin (SVK) in einem Positionspapier aus dem Jahr 2020. Um den Nährstoffbedarf zu decken, sollte man jedoch diverse Vitamine und Mineralstoffe ergänzen. „Bei selbst zusammengesetzten Rationen ist stets eine professionelle tierärztliche Beratung einzuholen“, rät der Verband.

Die Fachtierärztin Petra Kölle von der Medizinischen Kleintierklinik der LMU München befasst sich schon seit Langem mit Tierernährung. Wenn Hundehalter zu ihr kommen, die ihr Futter umstellen möchten, greift sie auf ein Computerprogramm zurück. Je nach Rasse, Alter und Geschlecht stellt die Software die Nährstoffe zusammen, die der Vierbeiner benötigt. „Die Moden nehmen insgesamt zu“, stellt die Tiermedizinerin fest – vom vegetarischen Trend bis hin zum „Barfen“, also dem Füttern von rohem Fleisch.

Vorsicht bei Welpen und Junghunden

Hunde seien tatsächlich Allesfresser und damit auch potenzielle Vegetarier. Verzichtet man aber auf alle tierischen Bestandteile, sollte man Vitaminmineralmischungen ins Futter rühren. In jedem Fall rät auch sie zu einer tierärztlichen Beratung. „Es gibt dazu einfach noch keine Langzeitstudien“, warnt Kölle.

Welpen und Junghunde sollten in keinem Fall vegetarisch ernährt werden. „Der Bedarf an Mineralstoffen liegt höher als beim ausgewachsenen Hund“, heißt es in dem Positionspapier der SVK. Diesen Bedarf könne man durch vegetarische Ernährung allein nicht decken. Ähnlich sieht es bei Katzen aus: Diese seien reine Fleischfresser und müssten auch entsprechend ernährt werden, betont der Verband.

Pflanzliches Tierfutter im Test

Ergebnis
Die Zeitschrift „Ökotest“ hat zuletzt 2017 Bio-Hundefutter getestet, darunter auch mehrere vegetarische und vegane Sorten. Knapp die Hälfte der getesteten Produkte fiel damals durch.

Mangel
Im Durchschnitt schnitten die fünf vegetarischen und veganen Futter im Test bei der Nährstoffversorgung nicht besser oder schlechter ab als die zehn mit Fleisch, so das Resümee. Sowohl Fleischdosen als auch pflanzliche Rezepturen erhielten mehrfach die Note „mangelhaft“ oder „ungenügend“, weil wichtige Vitamine oder Mineralstoffe fehlten.