Vegetarier und Veganer berichten laut einer aktuellen Umfrage, dass sie öfter diskriminiert werden. Foto: imago//ictoria Rayu

Laut einer aktuellen Studie leiden Vegetarier doppelt so häufig unter depressiven Verstimmungen. Doch das liegt wohl nicht an ihrer Ernährung.

Das Forscherteam um Vivian Luft von der Bundesuniversität Rio Grande do Sul in Porto Alegre erfasste die depressiven Episoden von über 42 000 brasilianischen Männern und Frauen und betrachtete sie im Vergleich zu deren Ernährungsverhalten, das mithilfe eines Fragebogens erfasst wurde. Bei diesem fokussierte man sich auf den Fleischverzehr, während andere Faktoren wie etwa die aufgenommene Kalorienmenge sowie der Alkohol-, Vitamin- und Mineralienkonsum herausgerechnet wurden.

Nicht der Speiseplan drückt auf die Stimmung

Die Wissenschaftler kamen zu dem Schluss: „Bei Nichtfleischkonsumenten traten depressive Episoden etwa doppelt so häufig auf wie bei Fleischkonsumenten.“ Wer sich also im Restaurant mit einem Vegetarier trifft, muss mehr als bei einem Mischköstler damit rechnen, dass ihm gegenüber ein Mensch in einer depressiven Stimmungslage sitzt.

Die brasilianischen Ernährungswissenschaftler und Epidemiologen betonen jedoch, dass ihre Studie keinen kausalen Schluss zulässt. Es ist also nicht gesagt, dass ein vegetarischer Speiseplan – etwa aufgrund seines geringen Eisen- und Vitamin-B12-Gehalts – auf die Stimmung drückt. Die Studienautoren gehen vielmehr umgekehrt davon aus, dass eine bereits bestehende Depression die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass sich ein Mensch für eine vegetarische Ernährung entscheidet, „beispielsweise aus Schuld- oder Empathiegefühlen gegenüber den Tieren“. Zudem erhielten depressive Menschen, sofern sie deswegen in Behandlung sind, oft Medikamente, die zu Übergewicht führen können. Dies könnte ebenfalls ihre ausgeprägte Neigung zur – bekanntermaßen kalorienärmeren – Veggie-Kost erklären.

90 Prozent der Veganer berichten von Diskriminierung

Auch Chris Bryant von der Universität im englischen Bath vermutet die Ursachen für die stärkere Depressionsneigung von Vegetariern jenseits ihrer bevorzugten Nahrungsmittel. So könne, wie der Psychologe erklärt, die Entscheidung für den Vegetarismus „die Beziehungen zu anderen Menschen und die Teilnahme an sozialen Aktivitäten beeinträchtigen und manchmal mit Hänseleien oder anderen Formen der sozialen Ausgrenzung verbunden sein“. Und das erhöhe das Depressionsrisiko.

Tatsächlich sind Vegetarier und insbesondere Veganer – sie verzichten nicht nur auf Fleisch, sondern auch auf Eier, Milchprodukte und andere tierische Nahrungsmittel – immer noch ein beliebtes Diffamierungsobjekt. Und das gilt nicht nur für traditionell fleischlastige Länder wie Brasilien, sondern auch für Deutschland, wo Veggie-Restaurants mittlerweile allgegenwärtig sind. Hier beklagen in aktuellen Umfragen über 90 Prozent der Veganer, schon einmal Ausgrenzung oder Diskriminierung erlebt zu haben. Rund 70 Prozent haben sich sogar den Vorwurf des Extremismus anhören müssen.