Ein Burnout – das rauchende Durchdrehen des Hinterrades bei stehender Maschine – gehört noch zu den harmloseren Übungen, die im Internet zu sehen sind. Foto: Kozirsky/stock.adobe

Die Polizei Ulm ermittelt gegen 24 junge Männer, die im Straßenverkehr brandgefährliche Manöver fuhren und Bilder davon ins Internet stellten. Statt neuer Likes winken nun deftige Strafen.

Ulm - Halsbrecherisch Motorrad fahren und dabei der Polizei ein Schnippchen schlagen – Bilder davon finden im Internet ein Millionenpublikum. Bei Youtube lassen sich dutzendweise Filmchen dazu finden. Ein Kurzstreifen mit dem Titel „Motorrad mit 300 km/h an Polizei vorbei“ zum Beispiel bringt es auf bisher 6,5 Millionen Aufrufe. Die selbst ernannten Helden, die sich so im Netz feiern lassen, haben meist sorgsam das Helmvisier geschlossen und das Kennzeichen verdeckt oder abgeschraubt.

Polizisten des Verkehrskommissariats Mühlhausen (Kreis Göppingen) ist nun erstmals ein Ermittlungserfolg geglückt, der ein Schlaglicht auf diesen illegalen Teil der Bikerszene werfen könnte. Sie haben „in intensiven und zeitaufwendigen Ermittlungen“, wie das Ulmer Polizeipräsidium mitteilt, 24 Männer im Alter zwischen 17 und 25 Jahren identifiziert. Sie sollen eine sogenannte Stuntcrew gebildet und sich gleich mehrerer Straftaten schuldig gemacht haben. Fahren ohne Fahrerlaubnis und Kennzeichenbetrug gehören noch zu den harmloseren Vorwürfen. Den hohen Aufwand betrieb die Polizei vor allem, um die bewusste Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zu unterbinden.

Volle Fahrt zwischen Autos hindurch

Dass der Begriff Stuntcrew keineswegs mit professioneller Arbeit zum Beispiel in der Filmbranche verbunden sein muss, zeigen seit langem Bilder aus den USA. Hobbyraser dort nennen sich Miami Zoo Crew oder Streetfighterz, ihre mit Helmkameras aufgenommenen Kopfstände oder Stehversuche bei voller Fahrt auf öffentlichen Straßen, oft nur ein Papierblatt entfernt von entgegenkommenden Autos, stellen sie gezielt und oft mit aggressiver Musik unterlegt ins Netz.

So haben es nach Polizeiangaben auch die 24 Verdächtigen aus Oberschwaben gemacht. Sie kommen aus den Regionen Ulm, Dornstadt (Alb-Donau-Kreis) und Biberach. Einen Gruppennamen – in Deutschland sind schon Asphaltkiller oder auch Ghostrider aufgetaucht – haben sie sich offenbar nicht gegeben. Die selbst aufgezeichneten Filme sind laut einer Polizeisprecherin nicht auf einer Clubseite veröffentlicht worden, sondern immer wieder bei Youtube und Facebook. Das Ziel der Verdächtigen sei es gewesen, „sich dann von ihren Followern feiern zu lassen“.

Youtube-Filme lieferten wohl den Beweis

Die Bilder haben es in sich. Einmal soll zu sehen sein, wie ein Motorradfahrer auf einer Straße mit Tempolimit 80 gut 160 Kilometer pro Stunde fährt. Ein andermal fuhr nach Polizeiangabe ein Verdächtiger auf enger Straße per Wheelie, also bloß auf dem Hinterrad, gefährlich dicht an einem entgegenkommenden Auto vorbei. Seit dem vergangenen Jahr hat die Polizei das Treiben mehr oder weniger machtlos am Computer verfolgt – bis einer der Filme endlich entscheidende Hinweise auf die Macher lieferte.

„Für uns war das neu“, sagt die Polizeisprecherin über die oberschwäbische Stuntcrew. Wie es seitens der Landespolizei in Stuttgart heißt, haben solche Motorradgruppen auch landesweit bisher kaum Nachahmer gefunden. Für Verkehrspolizisten ist das gefährliche Posing mit Motorrädern vielmehr eine neue Variante der kriminellen Selbstdarstellung im Internet, ähnlich dem sogenannten Roofing. 2016 kletterten Maskierte auf die Spitze des Ulmer Münsters und den Testturm von ThyssenKrupp in Rottweil. Auch Bilder davon landeten im Netz – zum Selbstruhm der Kletterer. Dass sich, wie im Fall des Ulmer Münsters, beim Besteigen Steine lösen und Passanten in der Tiefe schwer verletzen könnten, wurde in Kauf genommen.

Verdächtige bleiben im Visier der Polizei

Die 24 verdächtigen Biker aus Oberschwaben sind zunächst aus dem Verkehr gezogen worden, das Verfahren gegen sie läuft noch eine ganze Weile weiter. Es werde geprüft, heißt es seitens der Ulmer Polizei, „ob die Zweiradfahrer noch andere Straftaten begangen haben“.

Helmkameras
Der Einsatz von Actioncams oder Dashcams im Straßenverkehr istin der Regel illegal – das gilt auch für Motorradfahrer. Nur wenn eine Überprüfung ergibt, dass die Aufnahmen zu ausschließlich privaten Zwecken und dem persönlichen Gebrauch entstanden, gibt es keine Bedenken.

Rechtslage
Vor allem das unbemerkte Filmen anderer Verkehrsteilnehmer auf öffentlichen Straßen stellt einen Verstoß gegen geltendes Datenschutzrecht dar. Für die Strafverfolgungsbehörden gilt dabei: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Allerdings ist die Zahl der Ermittlungsverfahren bisher noch gering.

Verkehrstote
Im Jahr 2017 sind in Baden-Württemberg 104 Motorradfahrer tödlich verunglückt – eine Zunahme um 40 Prozent im Vergleich zu 2016. Neun der Toten stammten aus dem Bereich des Polizeipräsidiums Ulm. Dort waren außerdem 523 motorisierte Zweiräder an Unfällen beteiligt.