Wer zu unrecht Hartz IV bekommt, begeht eine Straftat. Die Ermittlungen der Behörden sind allerdings schwierig. Foto: dpa

Elf Monate Haft auf Bewährung: die Strafe für einen Mann aus Bietigheim, der zu Unrecht Hartz IV bezogen hat, ist empfindlich. Doch er ist kein Einzelfall: Immer wieder kassieren Menschen zu unrecht Geld vom Staat. Sie zu ermitteln ist aufwändig, doch es lohnt sich.

Kreis Ludwigsburg - Elf Monate Haft auf Bewährung: Die Strafe, die das Heilbronner Amtsgericht unlängst für einen Mann aus Bietigheim-Bissingen ausgesprochen hat, ist empfindlich. Der 38-Jährige hatte über acht Monate hinweg zu unrecht Arbeitslosengeld II (ALG II), im Volksmund Hartz IV genannt, bekommen. 7000 Euro muss er deshalb nun zurückzahlen – und ist kein Einzelfall. Ebenfalls verurteilt wurde im vergangenen Jahr ein Mann aus Remseck, der mehr als 6000 Euro kassierte, obwohl sie ihm nicht zustanden. Damit diese Fälle vor Gericht landen, betreibt das Jobcenter im Kreis einen großen Aufwand.

Wie werden die Betrüger ermittelt?

Das Zauberwort bei der Suche nach Personen, die zu unrecht Geld vom Staat bekommen, heißt Daleb. Die Kurzform steht für den „Datenabgleich von Leistungsempfängern mit den Beschäftigtendaten“. Und genau das findet, computerunterstützt, im Ludwigsburger Landratsamt statt, wo das Jobcenter angesiedelt ist.

Vereinfacht könnte man sagen, dass das Jobcenter, das für das Arbeitslosengeld II zuständig ist, laufend seine Daten über Personen, die Geld bekommen, austauscht mit anderen Behörden. Dazu gehört die Arbeitsagentur, das Bundeszentralamt für Steuern oder die Deutschen Rentenversicherung. Es wird geprüft, ob die Personen, die ALG II bekommen, noch weitere Einkünfte haben, bereits ein Vermögen besitzen oder anderweitig vom Staat unterstützt werden. Findet sich ein Treffer, schreibt das Jobcenter den Leistungsempfänger an mit der Bitte, sich zu erklären. Kommt auf den Brief keine Antwort, entscheidet das Jobcenter nach Aktenlage. Das Daleb-Verfahren wiederholt sich alle drei Monate.

Was ist erlaubt – und was verboten?

Der vermeintlich naheliegende Gedanke „Wer arbeitet, darf kein Arbeitslosengeld bekommen“, gilt nicht. ALG II steht zum Beispiel auch Menschen zu, die in Vollzeit arbeiten, aber trotzdem zu wenig verdienen (sogenannte „Aufstocker“). Grundsätzlich gilt: jedes Einkommen und jedes Vermögen muss dem Jobcenter gemeldet werden. Dazu sind diejenigen, die Geld bekommen, verpflichtet. Denn ab einer gewissen Grenze gewährt der Staat keine Unterstützung mehr – und die Sozialleistungen fließen zu unrecht. Strafrechtlich handelt es sich dann um einen Betrug.

Wie landen die Fälle vor Gericht?

Erfahren die Mitarbeiter im Jobcenter, dass Personen ein Einkommen oder Vermögen verheimlichen, können sie entweder ein Verwarnungs- oder ein Bußgeld verhängen. In schwereren Fällen werden die Hauptzollämter in Stuttgart oder Heilbronn informiert, die dann ermitteln. In seltenen Fällen zeigt das Jobcenter die Personen direkt bei der Staatsanwaltschaft an.

Die Behörden werden aber nicht nur durch das Daleb-Verfahren auf möglichen Missbrauch von Hartz IV aufmerksam. Teilweise melden sich auch Bürger im Landratsamt, um einen Verdacht zu äußern – gegen Nachbarn, Bekannte oder Familienmitglieder.

Hat das Daleb-Verfahren auch Grenzen?

Das System erfasst viele Betrugsfälle, aber längst nicht alle. Arbeitstellen, die gar nicht erst bei den Behörden gemeldet werden oder Einkünfte aus Schwarzarbeit lassen sich nur schwer ermitteln. In diesen Fällen lassen sich auch keine zu unrecht bezogenen Sozialleistungen nachweisen.

Wie viele Betrüger gibt es?

Einen Prozentsatz zu nennen, sei extrem schwierig, erklärt Kathrin Falke, die Leiterin des Ludwigsburger Jobcenters. „Da gibt es keine seriöse Schätzung.“ Ein paar Kennzahlen gibt es allerdings: Rund 13 000 Menschen zwischen 15 und 65 Jahren haben zuletzt im Landkreis Ludwigsburg ALG II bezogen. Im Jahr 2017 hat das Jobcenter rund 600-mal ein Verwarnungs- oder Bußgeld verhängt, knapp 220 Fälle an den Zoll weitergeleitet und 28 Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft eingebracht. Schwierig bei dieser Betrachtung ist allerdings, dass die Anzeigen und Ermittlungsverfahren nicht nur wegen Betrugs bei Sozialleistungen begonnen wurden. Es geht zum Beispiel auch im Urkundenfälschung.

Ein Trend, was die Zahl der Betrugsverfahren angeht, ist laut Falke nicht erkennbar. Klar scheint, dass es kein Massenphänomen ist, sondern eine Minderheit betrifft. Um die zu finden, ist allerdings ein großer Aufwand notwendig.