Mit dem 24 Tonnen schweren Spezialfahrzeug HEMI 50 wird der Untergrund mittels Schallwellen erkundet. Foto: Heinz Siebold/Heinz Siebold

Im südbadischen Breisgau erkundet der Energieversorger Badenova den Untergrund, um Erdwärme für Kommunen nutzbar zu machen. Doch wie steht es um die Risiken?

Staufen - Der Boden vibriert. Leicht nur, es ist, als ob irgendwo eine Straßenbahn vorbeiführe, aber das ist es nicht. Verantwortlich für die nur wenige Meter spürbare Erdvibration in Breisach am Rhein ist HEMI 50. Das ist ein überdimensionaler Vibrator, eingebaut in der Mitte eines 24 Tonnen schweren, geländegängigen Fahrzeuges mit wuchtiger Bereifung und einem 500 PS starken Caterpillar-Motor. „Wir strahlen ein Schallspektrum von 10 bis 80 Herz ein“, erklärt Klaus Schulz. Der 72-jährige Geophysiker ist ein alter Hase in der Seismik, der Messung der Erdschichten.

 

Es wird nach Thermalwasser gesucht

Seismik funktioniert so: Schallwellen werden erzeugt und ihre Reflektion mit Sensoren eingefangen. „Es ist wie Ultraschall, nur mit mehr Empfängern“, erklärt Schulz, der mit dieser Methode in vielen Regionen dieser Welt nach Erdöl gesucht hat. Eigentlich ist er schon im Ruhestand, aber der von mehreren Gemeinden Südbadens getragene Energieversorger Badenova wollte ihn unbedingt als Berater, weil er die Geologie im Oberrheingraben so gut kennt, wie kaum ein anderer. „Wir können“, betont Schulz, „ein sehr detailliertes Bild der geologischen Strukturen erstellen.“ Drei der mit HEMI 50 ausgestatteten Spezialfahrzeuge werden die nächsten Wochen das kartierte Gebiet abfahren und alle 40 Meter beschallen. Geophone werden die Reflektionen einfangen.

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In Südbaden, bei den Gemeinden Breisach am Rhein, Merdingen, Schallstadt, Ehrenkirchen, Bad Krozingen, Hartheim und Freiburg-Munzingen – auf einem abgesteckten Terrain von 70 Quadratkilometern - geht es bei den Messungen nicht um Erdöl, sondern um Wasser. „Thermalwasser“, präzisiert Klaus Preiser, Geschäftsführer der Badenova-Tochter „Wärme Plus“. „Wir brauchen 100 Grad Wärme und die finden wir vermutlich am Abbruch des Rheintals.“ Das Wasser soll aus einer Tiefe von rund 2000 bis 3500 Metern über eine Leitung hoch- und mit einer anderen zurückgepumpt werden. An der Erdoberfläche wird die Wärme technisch entnommen und in ein Leitungssystem zu Wohngebiete der Gemeinden weitergeleitet. Als Fernwärme ohne CO2-Ausstoß. Der Wärmeverlust ist gering, selbst die westlichen Wohnbezirke von Freiburg in 20 Kilometern Entfernung könnten versorgt werden.

Teile von Staufens Innenstadt haben sich um 70 Zentimeter gehoben

Wärmeerzeugung mit Geothermie? Wo doch in der nahe gelegenen Stadt Staufen ein schief gegangenes Geothermieprojekt seit 14 Jahren Teile der Innenstadt um mittlerweile 70 Zentimeter gehoben und viele Häuser schwer beschädigt hat? „Staufen war eine ganz andere Nummer“, winkt Geophysiker Schulz trocken ab. „Richtig“, bestätigt Staufens Bürgermeister Michael Benitz. „Das war Oberflächengeothermie.“ Bei solchen Bohrungen – in Staufen waren es 130 Meter – wird keine solche seismische Untersuchung gemacht. „Wir hatten ein Riesenpech“, bedauert Benitz. Denn von den sieben Bohrsonden ist eine im Wortsinn aus dem Lot geraten und hat eine relativ kleine Scholle mit Anhydrit getroffen. Fehlende Abdichtung hat Grundwasser damit in Verbindung gebracht und die Erdhebung verursacht. Wer in welchem Umfang rechtlich schuld ist, wurde gerichtlich nie geklärt. Die österreichische Bohrfirma hat recht schnell Insolvenz angemeldet und nach einem Vergleich mit den Versicherungen hat Staufen eine vergleichsweise bescheidene Summe erhalten. Die millionenschwere Hauptlast tragen Gemeinde, Land und Anwohner. 650 Schlichtungsverfahren wurden bereits durchgeführt.

60 Millionen Euro sind veranschlagt

„Ich war dennoch nie ein grundsätzlicher Gegner der Geothermie und Politik, Gesetzgeber und Experten haben aus den Fehlern von Staufen viel gelernt“, betont Michael Benitz. Er wurde über das Projekt quasi vor seiner Haustür von Anfang an von Badenova informiert. „Geothermie ist eine vernünftige erneuerbare Energiequelle“ betont Benitz. „Wenn der Untergrund sorgfältig erkundet wird, bevor man bohrt.“ Der Projektträger Badenova nimmt in Anspruch, das zu tun. Allein die seismische Untersuchung kostet zwischen einer und anderthalb Millionen Euro, der Aufwand für Bohrungssicherheit ist enorm. Rund 60 Millionen sind für das Projekt insgesamt veranschlagt, inklusive Fernwärmeleitung. Der Energieversorger hat mit Wind- und Solaranlagen bereits viel Ökoenergie im Portfolio, will aber mehr. „Wir sitzen am Oberrhein auf einer riesigen Menge Energie“, sagt Wärme-Plus Chef Klaus Preiser. „Mit Wind und Sonne allein schaffen wir die Energiewende nicht.“

Das Projekt wird aufmerksam beobachtet

Die Gemeinden rund um Breisach beobachten das Projekt aufmerksam. Walter Laub, Bürgermeister der Gemeinde Umkirch nahe Freiburg, ist beeindruckt von Messfahrzeugen und -aufwand. „Die Geothermie ist eine große Chance für den Oberrheingraben, wir müssen sie nutzen.“ Nicht weit von Staufen entfernt liegt Schallstadt, dort erwartet Bürgermeister Sebastian Kiss „schon die eine oder andere Frage“ von besorgten Bürgern. Auch er sieht aber gute Chancen, durch Informationen die Bürger vom Unterschied zu „Staufen“ zu überzeugen. Das will auch die Badenova. Der vom Regierungspräsidium Freiburg am 8. Dezember 2021 genehmigte „Aufsuchungsprozess“ wird vom Projektträger von Anfang an durch Informationsveranstaltungen transparent begleitet. Bis Ende Februar sollen die seismischen Untersuchungen abgeschlossen sein, dann werden die Daten ausgewertet und Ende des Jahres wird Badenova entscheiden, ob und wo gebohrt wird.