Der Planer und Mediziner Bernd Kühlmuß vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) rät vorbelasteten Menschen, Grundfragen vor dem Besuch der Impfzentren zu klären. Ein Härtetest in einem Impfzentrum in Ulm zeigt, was schon funktioniert – und was nicht.
Ulm - Das Massenimpfen wird glattgehen, wenn alle Impfzentren funktionieren wie in Ulm, glaubt der Mediziner Bernd Kühlmuß vom Deutschen Roten Kreuz (DRK). Ein paar Dinge müssen aber nachgebessert werden.
Herr Kühlmuß, kürzlich haben Sie das Ulmer Impfzentrum einem Härtetest unterzogen. Mit welchem Ziel?
Bei der Übung haben 173 unbezahlte Helfer teilgenommen. Sie sollten sich eindenken in ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger, versuchen, mit deren Augen zu sehen, mit deren Geschwindigkeit zu denken, zu agieren und entsprechende Fragen zu stellen. Unsere Testpersonen haben bis hin zum Kreislaufkollaps alles gespielt. Sie konnten plötzlich nicht mehr gehen, wurden beim Impfen bewusstlos. So etwas muss die Organisation hier später abarbeiten können.
Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Der Test hat gut funktioniert. Nur Kleinigkeiten fehlen. Die Toiletten waren schlecht ausgeschildert, das muss geändert werden. Die Beschriftungen sind noch nicht fertig. Die IT-Abläufe sind uns vor Ort noch nicht bekannt – das Zusammenspiel von Terminierungssoftware, Registrierungssoftware und dem Programm zur Datennachverfolgung. Wir wissen zum Beispiel auch noch nicht, ob unsere Barcode-Scanner funktionieren, ob und gegebenenfalls wie viel wir von Hand schreiben müssen.
Aus verschiedenen Landesteilen kamen Warnungen, es könnte am Personal für die Impfzentren fehlen. War das in Ulm ein Problem?
Wir haben eine große Zahl von Bewerbern. Allein mehr als 5000 Ärztinnen und Ärzte haben sich im Vorfeld in Baden-Württemberg bereit erklärt, bei den Impfzentren mitzumachen, ich bekomme täglich Mails, Anrufe, Briefe, auch von medizinischem Fachpersonal. Sogar eine ehemalige Arzthelferin von mir hat sich gemeldet – sie würde gerne mithelfen. Aus meiner Sicht gibt es dafür zwei Gründe. Zum einen ist es eine sinnstiftende Tätigkeit, die Menschen wollen etwas beitragen zur Bekämpfung der Pandemie. Außerdem haben viele ihre Arbeit verloren, gerade in den Bereichen der Saisonarbeit. Hier gibt’s die Möglichkeit, für einige Monate an ein stabiles, festes Beschäftigungsverhältnis zu kommen. Wir zahlen in Ulm nach dem DRK-Tarifvertrag.
Ein wichtiger Punkt sind die individuellen Aufklärungsgespräche vor dem Impfen. Sie veranschlagen dafür durchschnittlich fünf Minuten pro Person. Ist das nicht viel zu wenig Zeit für einen Schlaganfall- oder Krebspatienten, der möglicherweise mit Ängsten ins Impfzentrum kommt?
Ich wünsche mir, dass die Leute schon grundsätzlich informiert sind, bevor sie hier eintreffen. Dass sie mit ihren betreuenden Ärztinnen und Ärzten, mit ihren Familien und vor allem mit sich selber ausgemacht haben: Will ich diese Chance nutzen, ja oder nein? Viele haben ja das Gespräch mit dem Haus- oder Facharzt schon vorher gesucht, viel Information ist schon vorhanden.
Und wenn jemand in der Arztkabine doch zaudert?
Fünf oder zehn Fragen während des Aufklärungsgesprächs sind völlig normal; falls sie nicht kommen, fragen wir selber unter anderem nach Vorerkrankungen, chronischen Krankheiten oder regelmäßig genommenen Medikamenten. Aber gehen Sie davon aus: Wenn jemand hundert Fragen hat, dann ist er noch nicht bereit, geimpft zu werden. Jeder kann selbstverständlich wieder gehen. Aber es wäre unglaublich schade, wenn ein Impftermin hier vereinbart wird, der dann nicht wahrgenommen wird und dadurch Chancen für andere Menschen vergeben werden.