Ob Mercedes 170 S/V oder Käfer – die Fahrzeuge haben bei vielen Senioren in Welzheim Emotionen und Erinnerungen ausgelöst. Foto: Heinz Heiss

Im Park des Seniorenheims Bethel wurden Erinnerungen wach – ein Fest, das mehr als Motoren bewegte. Doch eine Szene rührte besonders.

Tag der Deutschen Einheit in Welzheim. Der Park hinter dem Seniorenheim Bethel duftet nach frisch gefallenem Laub – und ein wenig nach Öl und Benzin. Wo sonst Rollatoren ihre Runden drehen, glänzen heute Motorhauben in der Sonne. Eine Fiat Isetta, ein roter BMW 1802, ein NSU Prinz. Ein Mercedes von 1953, dessen Scheinwerfer noch stolz auf den Kotflügeln thronen. Dazwischen: Menschen mit grauem Haar, aber hellwachen Blicken. Staunend, tastend, erzählend.

 

„Das war mein erstes Auto“, sagt eine Bewohnerin leise und streicht mit der Hand über einen VW Käfer. Eine andere nickt anerkennend: „Fiat 500. Knutschkugel. Den hat mein Vater gefahren.“ Was hier passiert, ist keine bloße Fahrzeugschau. Es ist eine Zeitreise.

Ein BMW wird zum Erinnerungsstück eines ganzen Lebens

Mitten drin: Peter Linzmair. 86 Jahre alt, gebürtiger Bayer, begleitet von einer Pflegerin im Rollstuhl. Vor ihm: Ein roter BMW 1802, Baujahr 1972. Genau so habe sein zweites Auto ausgesehen, erzählt er. 90 PS, 950 Kilo leicht. Mehr als 160 Stundenkilometer in der Spitze. „Das waren schon schöne Zeiten“, sagt er – mit einem Glanz in den Augen, der mit Chrom nicht zu vergleichen ist.

Der BMW 1802 hat bei einem Senior ganz besondere Erinnerungen geweckt. Foto: Frank Rodenhausen

Sein erster BMW, ein 1602, sei ihm auf einer glitschigen Bergstraße abhanden gekommen. Er rutschte mit dem Wagen in einen Fluss. Totalschaden. Ihm selbst sei nicht viel passiert. Trotzdem fährt er seither nur noch BMW. Oder fuhr – heute überlässt er das Steuer anderen.

Oldtimer wecken Emotionen und Erinnerungen

Der Oldtimer, der die Erinnerungen wachruft, gehört Thomas Stärk aus Rudersberg. Als Kind saß er hinten, auf der Häkeldecke seiner Mutter. Später wurde geschraubt, restauriert, gefahren. „Ich fahr das Auto seit 38 Jahren“, erzählt Stärk. Nicht ausschließlich, aber mit Herz. Der BMW ist mehr als ein Fortbewegungsmittel – er ist Familiengeschichte auf Rädern. Und genau das macht diesen Tag so besonders.

Automobile Nostalgie trifft auf lebendige Familiengeschichte

Die Initiative zu dem Projekt kam von Carola von der Heide-Frey, Leiterin der sozialen Betreuung im Bethel Welzheim. „Mitten in Corona kam die Idee auf: Was können wir unseren Bewohnern Gutes tun – draußen, mit Abstand, aber voller Gefühl?“ Oldtimer! Die Idee ruhte, bis der Verein Oldtimerfreunde Rems-Murr wieder anklopfte. Diesmal klappte es.

„Die Bewohner waren sofort begeistert“, berichtet sie. Geschichten schwappten hoch wie Sprit aus einem überfüllten Tank. „Mit dem Auto sind wir über den Brenner!“ – „Mein Sohn hatte eine Isetta!“ – „Das war unser Urlaubsauto!“

Vom Schrauben und Schwelgen

Erik Büchel, Vorstandsmitglied bei den Oldtimerfreunden Rems-Murr, ist stolz. Sein Mercedes 170 S/V, Baujahr 1953, stand jahrelang in Einzelteilen – bis ein Freund ihn zum Wiederaufbau motivierte. Heute ist er makellos. „Aber es geht nicht ums Prestige“, sagt Büchel. „Es geht darum, was diese Fahrzeuge bei den Menschen auslösen.“

Insgesamt 14 Fahrzeuge haben er und seine Clubmitglieder nach Welzheim gebracht. Markenoffen, aber mit einem gemeinsamen Ziel: Brücken schlagen zwischen Generationen.

Oldtimer als verbindendes Element zwischen Generationen

Einige Senioren steigen ein, fahren mit – 20 Minuten übers Land. Für manche ein Kraftakt, für andere ein Hochgefühl. Andere bleiben lieber vor Ort, reden, erinnern sich. Es ist ein Fest der leisen Momente, eingebettet ins Oktoberfest-Programm der Einrichtung.

Und Peter Linzmair? Der lehnt die Einladung zur Ausfahrt freundlich ab. Auch wenn Thomas Stärk mehrfach versichert, dass man ihn aus seinem Rollstuhl schon irgendwie ins Auto bugsieren könnte. Linzmair lächelt. „Alles zu seiner Zeit“, sagt er. „Aber Sie haben mir eine riesige Freude gemacht – mir das Auto zu zeigen und sich mit mir zu unterhalten.“