Friedrich Westmeyer war ein Kämpfer für Frieden und soziale Gerechtigkeit. Er gründete unter anderem die Waldheime in Heslach, Sillenbuch und Gaisburg. Am 14. Januar findet am Marienplatz eine Gedenkveranstaltung zum 150. Geburtstag des SPD-Politikers statt.
Die Gründe, weshalb es Menschen etwa ins Clara-Zetkin-Heim in Sillenbuch oder ins Waldheim Gaisburg zieht, sind heute andere als in deren Gründungsjahren Anfang des 20. Jahrhunderts. Zwar sind die bessere Luft, der Blick ins Grüne oder in den Talkessel bis heute Aspekte, die einen Besuch lohnen, doch Ausgangspunkt für die Gründung dieser Einrichtungen war ein anderer: Die Wohnungsnot am Vorabend des Ersten Weltkriegs. Und das Elend, in dem jene Arbeiter lebten, die eine Wohnung hatten.
Im Jahr 1911 hat der Sozialist, Landtagsabgeordnete und Stadtrat Fritz Westmeyer eine Broschüre mit dem Titel „Wohnungselend in Stuttgart“ veröffentlicht, die für Aufsehen sorgte. Zum einen wegen des Inhalts, zum anderen, weil das Elend hier nicht nur wortreich beschrieben wurde, sondern weil auch Fotografien veröffentlicht wurden. Das war damals etwas ganz Neues, erregte entsprechendes Aufsehen, zumal der Inhalt ja auch brisant war.
Elend und Wohnungsnot
Westmeyer hielt Lichtbildvorträge zu diesem Thema, wetterte gegen „Terrainspekulanten“, verwies darauf, dass der Boden „Erbschaft des ganzen Menschengeschlechts“ sei und dass die Gemeinden eine Pflicht zum Wohnungsbau hätten. Er forderte nicht nur die Gründung von Waldheimen, er initiierte sie auch, konkret 1908 das Waldheim Heslach, 1909 das heutige Zetkin-Haus und 1910 das Waldheim Gaisburg. Er entwickelte diese als Erholungsorte der Arbeiterschaft sowie als kulturelle Zentren, in denen sich die Arbeiterschaft weiterbilden kann.
Erholungsorte und kulturelle Zentren
Daran erinnert die Geschichtswerkstatt Süd am Samstag, 14. Januar, vor dem Kaiserbau am Marienplatz anlässlich des 150. Geburtstags von Westmeyer. Dabei sind das Theater Rampe sowie die Naturfreunde Heslach. Um 14 Uhr gibt es einen szenische Lesung mit dem Schauspieler Robert Atzlinger, es musizieren „Die Marbacher“. Wolfgang Jaworek von der Geschichtswerkstatt Süd stellt in einem Flugblatt das Leben von Westmeyer vor. Vor dem Kaiserbau endete am 15. September 1912 auch ein Sternmarsch, bei dem Westmeyer eine Rede hielt.
Schaut man heute auf Westmeyers Leben, so stellt es sich fast so bewegt, wild und wirr dar wie die Zeit damals generell. Einer der wenigen Fixpunkte in seinem Leben war sicherlich die Zigarrenhandlung in der Marienstraße 1, mit der er seinen Lebensunterhalt finanzierte.
Journalistisches Talent
Westmeyer wurde 1873 in Osnabrück geboren, ging wie viele junge Menschen auf Wanderschaft, blieb zunächst in Fürth hängen in der Holzverarbeitung, wurde Gewerkschaftsfunktionär und SPD-Mitglied. Bei der „Fränkischen Tagpost“ erkannte man sein journalistisches Talent, er wurde Redakteur, wechselte nach Hannover zum „Volkswillen“ und kam als Redakteur der „Schwäbischen Tagwacht“ 1905 nach Stuttgart. Nach innerparteilichen Auseinandersetzungen wurde er dort 1910 entlassen.
Die traditionell eher linksorientierte Stuttgarter SPD stellte ihn als hauptamtlichen Sekretär ein, dort wurde er 1915 entlassen. Unabhängig davon wurde er 1912 in den württembergischen Landtag gewählt, 1915 wurde er dort ausgeschlossen. In den Stuttgarter Gemeinderat kam er 1917, kurz vor seinem Tod im Schützengraben bei Reims. Westmeyer ist dann schnell in Vergessenheit geraten. 2017 erinnerte das Waldheim Gaisburg an den 100. Todestag, indem es sich zusätzlich Friedrich-Westmeyer-Haus nennt.