Gustav Schwab war etwa 30 Jahre alt, als er seine Alb-Wanderungen unternommen hat. Foto: /Historiograf

Vor 200 Jahren hat Gustav Schwab den ersten Reiseführer zur Schwäbischen Alb veröffentlicht. Er hat damit – noch vor Karl Baedecker – ein neues Genre mitbegründet.

Die allermeisten heutigen Wanderer darf man heute getrost als verweichlicht bezeichnen, nachdem man Gustav Schwabs Reise- und Wanderführer „Die Neckarseite der Schwäbischen Alb“ gelesen hat, der vor genau 200 Jahren in der Metzlerschen Buchhandlung zu Stuttgart erschienen ist. Denn alle zehn beschriebenen Tagestouren, die von Tübingen über Balingen nach Heubach auf der Ostalb führen, dauern mindestens acht und teils auch zwölf Stunden. Schwab muss rund sechs Kilometer in der Stunde marschiert sein, nur so waren die Strecken von 50 Kilometern und mehr am Tag zu bewältigen. Kein Wunder, dass er empfiehlt, mit der „ersten Morgenfrische“ aufzubrechen. Das Erstaunlichste daran aber ist, dass Schwab gar kein Aufhebens darum macht: Damals war es ganz normal, lange Strecken zu Fuß zu gehen.

Gustav Schwab (1792-1850) dürfte vielen ein Begriff sein wegen seines Werkes „Die schönsten Sagen des klassischen Altertums“, durch das ganze Generationen von Pennälern die Welt von Odysseus, Achilles und Ödipus kennengelernt haben. Aber das Buch führt in die Irre, wenn man wissen will, was Schwab in tiefster Seele ausmachte: Als evangelischer Pfarrer, Dichter und Literaturredakteur stand er fest – manche sagen sogar zu fest – auf christlichem und württembergischem Boden.

Gustav Schwab förderte zahlreiche jüngere Autoren

Er wirkte vorwiegend in Stuttgart, als Lehrer und Professor an Gymnasien, später als Stadtpfarrer an St. Leonhard. In seiner Eigenschaft als Redakteur des berühmten „Morgenblatts für gebildete Stände“ förderte er zahlreiche Schriftsteller, darunter Eduard Mörike und Wilhelm Hauff. Er gab zusammen mit Ludwig Uhland 1826 erstmals die Gedichte Friedrich Hölderlins heraus; wer weiß, ob ohne dieses Buch das damals verkannte Werk Hölderlins bis in unsere Tage überdauert hätte. Und er schrieb selbst viele Gedichte, die allerdings nicht selten im Konventionellen verharrten. Gustav Schwab war, so abgegriffen dies sich anhören mag, einer der leuchtendsten Sterne am damaligen Schwabenhimmel.

Der Alb-Reiseführer gehört deshalb mehr zu Schwabs Markenkern als seine griechischen Sagen. Und dieser Reiseführer war in vielerlei Hinsicht ein Novum. Auch vorher schon hatten Reisebeschreibungen den Nerv der Zeit getroffen. Am bekanntesten ist natürlich Goethes „Italienische Reise“, aber auch für die Alb gab es schon ein solches Buch: Der Pfarrer und Hobbygeograf Friedrich August Köhler (1768-1844) beschreibt in „Eine Albreise im Jahre 1790 zu Fuß von Tübingen nach Ulm“ seine Wanderung durch die vielen Kleinstaaten, die er unterwegs passierte.

Karl Baedecker hat seinen ersten Reiseführer später veröffentlicht

Aber alle diese Bücher waren eher Reisetagebücher denn Reiseführer – ihnen fehlte der praktische Serviceteil zum Nachahmen. Diesen liefert Gustav Schwab in seinem Alb-Band, in dem er Zeitangaben macht und Übernachtungstipps liefert. Damit war Schwab seiner Zeit voraus – Karl Baedecker, der oft als Begründer des Genres der Reiseführer gilt, veröffentlichte den ersten Band über eine Rheinreise erst zwölf Jahre später, also 1835. Gustav Schwab gibt zudem auch immer an, wenn es brenzlig mit der Orientierung wird, was in Zeiten, als der Albverein noch 75 Jahre auf seine Gründung warten musste und noch nirgendwo ein Wanderschild im Wald stand, häufig der Fall war. Tatsächlich galt die Alb damals als unzugänglich – den Blick vom Schloss Lichtenstein ins Echaztal beschreibt Schwab so: „In der Höhe das wildeste Gebirge mit Wald und Fels, rechts und links die rauheste Alb.“

Ohne einen Führer ging es oft nicht

Schwab empfiehlt deshalb häufig, sich einen ortskundigen Bauern als Führer zu nehmen, etwa auf dem Weg zur Nebelhöhle: „Auch zu dieser Wanderung bedarf es noch immer des Führers, wozu daher in Talheim oder Mössingen ein sichrer und auch des fernern Weges kundiger Mann gewählt werden muss, den jedoch die Wirte immer zu schaffen wissen.“

Weiter lädt Schwab sein Buch mit poetischer Kraft auf. Seine Ortsbeschreibungen sind oft lyrisch, wenn er etwa den Uracher Wasserfall beschreibt: „Was von ferne nur schmal und schwach erschien, wird hier zum Strom, und bei hellem Himmel und günstigem Sonnenstand schlingen sich durch den Wasserstaub die Edelgesteine eines oft wiederholten Regenbogens.“ Und Schwab scheut sich auch nicht, einige seiner eigenen Gedichte in den Band einzustreuen.

Das Buch ist ein kulturhistorisches Dokument

Bis heute ist es ein Genuss, den Alb-Führer Schwabs zu lesen, führt er doch vorbei an den größten Sehenswürdigkeiten, die die Alb zu bieten hat: den Lochenstein, die Burg Hohenzollern (die damals Ruine war), den Hohenneuffen, den Hohenstaufen oder den Rosenstein. Zudem dürfte es für viele Leser spannend sein zu erfahren, wie viel sich seit Schwabs Zeit verändert hat – das Buch ist unbedingt ein kulturhistorisches Dokument, ebenso wie sein 14 Jahre später erschienenes Werk „Wanderungen durch Schwaben“. Aber es dürfte für viele auch eine Freude sein zu erkennen, wie viele der schönen Plätze doch gleich geblieben sind.

Leider sind selbst die Reprints des Bandes derzeit vergriffen, sie können aber in den einschlägigen Antiquariaten online bestellt werden. Dort kursieren übrigens auch Erstausgaben von 1823 – diese kosten dann bis zu 300 Euro.