Ein Foto aus dem Ersten Weltkrieg zeigt die Stellung am Winterberg Foto: privat/privat

Im Ersten Weltkrieg wurden über 200 Soldaten bei Kämpfen in einem Tunnel verschüttet. Die Frage ist, ob die Männer geborgen werden sollen.

Paris - Der Streit um die Toten vom Winterberg hat die Parlamente in Paris und Berlin erreicht. In einem Tunnel auf halber Höhe über dem Dörfchen Craonne liegen wohl über 200 deutsche Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg. Sie wurden einst bei einem Angriff verschüttet und sind in einem tagelangen Todeskampf qualvoll erstickt. Doch nun erhebt sich Streit um die Frage, ob man die Männer bergen oder sie dort ruhen lassen soll.

Letzte Ruhestätte für die Soldaten

Mit einer Mitteilung hat sich nun die deutsch-französischen Parlamentarischen Versammlung zu Wort gemeldet und die diplomatische Wortwahl lässt erahnen, dass das Thema auch 100 Jahre nach dem Ende der blutigen Schlacht einigen Sprengstoff birgt. Ausführlich beschworen wird die „einzigartige Freundschaft“ zwischen Deutschland und Frankreich nach den „blutigen und grausamen“ Kriegen. Die Geschehnisse am Winterberg sollen mit Unterstützung beider Regierungen aufgearbeitet werden, geplant ist auch „ein Ort für ein gemeinsames Gedenken“. Alles deutet darauf hin, dass die Soldaten in dem Tunnel ihre letzte Ruhestätte finden sollen.

Das aber reicht vor allem den Hobbyforschern nicht, die nach jahrelanger akribischer Suche den Winterbergtunnel entdeckt haben. Sie wollen die toten Soldaten des deutschen Reserve-Infanterie-Regiments 111 bergen und ihnen ein würdiges Begräbnis bereiten. Die meisten der Männer stammten aus Baden. Um den Handlungsdruck auf die zuständigen Behörden zu erhöhen, hatten einige der Privatleute bereits auf eigene Faust gegraben und mehrere Fundstücke präsentiert, die darauf schließen ließen, dass sich an der Stelle tatsächlich der Eingang zu besagten Tunnel befinden könnte.

Graben nach den toten Soldaten

Die Behörden, darunter der Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge VDK, waren entsetzt und sprachen von strafbarer „Grabräuberei“. Allerdings hatten die Hobbyforscher ihr Ziel erreicht. Der VDK und seine französischen Partnerorganisationen stellten in diesen Tagen selbst Grabungen an. Doch schnell wurde deutlich, dass die Suche nach den toten Soldaten weit aufwendiger sein würde als erwartet. Die Sandschicht über dem Tunnel ist nach Angaben des VDK wesentlich dicker als erwartet und zudem dicht durchsetzt mit gefährlichen Munitionsresten. So entschlossen sich Arne Schrader, technischer Projektleiter des Volksbundes, und sein französischer Kollege, Eric Maury vom Generalsekretariat der ONAC, die Sondierungsarbeiten bis auf weiteres abzubrechen. Schrader erklärte: „Die Totenruhe ist wichtig, aber die Sicherheit der Mitarbeiter ist wichtiger.“

Heftige Reaktionen auf Facebook

Gegen diese Entscheidung formiert sich nun allerdings immer größerer Widerstand. Ein Post zum Thema auf der Facebook-Seite des VDK wurde entsprechend deutlich kommentiert. Ein Student aus Tübingen etwa glaubt seinen Urgroßonkel in dem Tunnel und fordert, ihn und dessen Kameraden zu bergen und würdig zu bestatten. Allerdings gibt es auch viele Stimmen, die es für sinnvoller halten, die Männer dort an Ort und Stelle im Winterberg ruhen zu lassen.

Die Männer um Alain Malinowski, der zusammen mit seinen Söhnen nach jahrelangen Recherchen den Eingang zum Tunnel gefunden hat, können ihre Enttäuschung allerdings kaum verbergen. Für sie ist völlig unverständlich, dass nicht weiter nach den Soldaten gegraben wurde. Die Schwierigkeiten, etwa mit den gefährlichen Munitionsfunden, halten sie für vorgeschoben, für solche Einsätze gebe es doch Spezialisten. Sie befürchten, dass für die offiziellen Stellen in Deutschland und Frankreich die Suche nach den Soldaten am Winterberg abgeschlossen ist. Das wäre aber eine Entscheidung, mit der sich die Männer um Alain Malinowski nicht abfinden wollen.