Der Stuttgarter Choreograf und Compagnie-Chef Eric Gauthier saß im Theaterhaus, während er digital mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zur Lage der Kultur sprach Foto: Jeanette Bak

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Kultur als „Lebensmittel“ bezeichnet, das „mehr denn je“ gebraucht werde. Als Mutmacher rühmt er den Stuttgarter Ballettstar Eric Gauthier, mit dem er digital über Hoffnung in der Krise sprach.

Stuttgart - „You are so cool!“ Am Ende des einstündigen Gesprächs, das am Mittwochabend live im Netz übertragen wird, ist Eric Gauthier völlig aus dem Häuschen. Eine große Ehre ist es für den Choreografen und künstlerischen Leiter von Gauthier Dance, dass ihn der Bundespräsident eingeladen hat, um mit ihm über die Lage der Kultur in der Pandemie zu sprechen. Dass der erste Mann im Staat so locker drauf ist, er ihn immer wieder zum Lachen bringt und von ihm mit Lob überhäuft wird, hat der aus Kanada stammende Ballettstar wohl nicht erwartet.

Nicht nur Eric Gauthier ist an diesem Abend begeistert – auch Frank-Walter Steinmeier gibt sich als gut informierter Fan des modernes Tanzes made in Stuttgart zu erkennen. „The Dying Swans Project“, das mit 64 Kunstschaffenden aus den Bereichen Tanz, Choreografie, Musik und Film in Stuttgart in der Coronakrise geschaffen wurde, ist der Grund, warum der Bundespräsident mit dem „Mutmacher“ persönlich live auf seinem Instagram-Kanal in der Reihe #miteinander sprechen will. „Wie haben Sie das gewuppt in der Pandemie?“, fragt Steinmeier.

„Ja, Leidenschaft kann anstecken“

Eric Gauthier erzählt von den traurigen Gesichtern seines Ensembles, als er stets von Neuem sagen musste, dass Auftritte nicht möglich sind. Er sah die zunehmende Traurigkeit in den Augen seiner 16 Tänzerinnen und Tänzer – dem wollte er etwas entgegensetzen. Seine „sterbenden Schwäne“ bekamen eine neue künstlerische Herausforderung, in jeweils dreiminütigen Filmen festgehalten. Der Bundespräsident ist begeistert davon. „Wir müssen Kultur öffentlich in Erinnerung bringen“, sagt er, „wir müssen die Lust am Auftritt erhalten und Ermutigung aussenden.“ Dies sei dem Stuttgarter Ballettstar auf „vielfältige Weise hervorragend“ gelungen.

„Ja, Leidenschaft kann anstecken“, antwortet Gauthier, der seine Tänzerin Bruna Andrade mitgebracht hat, die auf der Bühne vom T 2 des Theaterhauses vor leeren Stuhlreihen tanzt. Von ihr will Steinmeier danach wissen, wie sie den Lockdown erlebt. „Für eine Tänzerin sind zwei Jahre Pause wie 20 Jahre im normalen Leben“ sagt sie. Denn eine Tänzerin habe nur einen kleinen Abschnitt ihres Lebens für den Tanz zur Verfügung. Wenn dieser Abschnitt noch weiter verkürzt wird durch die Pandemie, schmerze dies sehr.

Grüße nach Kanada zu Gauthiers Mutter

Der Bundespräsident will Mut machen. „Durch Impfungen und richtiges Verhalten kommen wir aus der Krise“, sagt er. Die Arbeit von Eric Gauthier sieht er dabei als Hilfe an. 16 Tänzerinnen und Tänzer haben den Schwan hoffnungsvoll und das Leben bejahend in den kurzen Filmen dargestellt, nicht sterbend. Steinmeier grüßt nach Kanada, wo Gauthiers Mutter mit ihrer Deutschlerngruppe den Stream verfolgt. Streaming ist für den Chef von Gauthier Dance keine Lösung für immer. „Wir brauchen das Live-Erlebnis“, sagt der Choreograf, „Live-Kultur bringt uns weiter.“ Steinmeier, der an diesem Abend auffällt durch viel Detailwissen über das Stuttgarter Ballettleben, nickt und strahlt: „Da kann ich Ihnen nur Recht geben.“ Eric Gauthier wird noch lange vom Präsidenten schwärmen. Der Mann ist schließlich „so cool“.