Dieter Schneider zeigt der stellvertretenden Landrätin, Marion Leuze-Mohr, worauf es bei der Steinkauz-Bestimmung ankommt. Der Esslinger Landrat Heinz Eininger ist aufmerksamer Beobachter. Foto: Ines Rudel

Der Steinkauz, vor 40 Jahren vom Aussterben bedroht, ist aus dem Gröbsten raus. Auf den Obstwiesen bei Wendlingen und Köngen gibt es derzeit reichlich Nachwuchs – dank der Jahrzehnte währenden Pflege des Vogelschützers Dieter Schneider.

Wendlingen - Hf 86903 hat Hunger. Eigentlich hat er ja die Mutter mit einer Feldmaus erwartet. Und dann kommt ein komischer Kauz auf den Baum geklettert, stopft ein Handtuch ins Flugloch und ihn in einen Sack. Auf den Rücken werfen und dem vermeintlichen Feind die mit Krallen bewehrten Füße entgegenstrecken, wie es ihn die Natur gelehrt hat, hilft dem jungen Steinkauz nur bedingt.

„130 Gramm, Tarsus: 4,4 Zentimeter, dritte Handschwinge: 6,0 Zentimeter“, notiert Dieter Schneider in seine Kladde, in der er den Steinkauzbestand der Streuobstwiesen rund um Wendlingen, Köngen und Dettingen erfasst. Dann wird dem kleinen Steinkauz, den Schneiders Kollege Gerhard Deuschle aus der hoch oben im Apfelbaum angebrachten Bruthöhle geholt hat, der Ring angelegt. Die darin eingestanzte Nummer Hf 86903 wird ihn nun sein Leben lang begleiten.

Wenn er weiter so viel Glück hat wie in seinen ersten 20 Lebenstagen, dann kann dieses Leben mehr als zehn Jahre lang werden. Denn der kleine Greifvogel steht unter dem besonderen Schutz der Artenschutzgruppe Steinkauz im Nabu-Kreisverband Esslingen – als eines von 85 Käuzchen, die in diesem Jahr in den künstlichen Bruthöhlen auf den Obstwiesen im Albvorland geboren worden sind.

Um jedes Pärchen gekämpft

Als Dieter Schneider die Artenschutzgruppe vor 40 Jahren gegründet hat, konnte er die Zahl der Brutpaare noch an den Fingern einer Hand abzählen. Die Steinkauzpopulation war bis auf wenige lokale Restbestände erloschen. Jetzt sorgen 30 Steinkauz-Paare für einen stabilen Fortbestand der Art. „Wir haben mehr oder weniger um jedes einzelne Pärchen gekämpft“, gibt Schneider das Erfolgsrezept der vergangenen Jahrzehnte preis.

Der Steinkauz, der mit einem Gewicht von rund 200 Gramm ausgewachsen nur wenig größer als eine Amsel wird, ist nahezu ausschließlich auf die Obstwiese als Lebensraum angewiesen. „Zugleich ist sein Vorkommen ein Indikator für intakte Streuobstwiesen“, sagt Schneider.

Der immer noch hungrige Hf 86903 und seine beiden Brüder vertilgen zwischen zehn und 13 Mäuse am Tag. Die müssen die Eltern erst einmal herbeischaffen. „Das geht leichter, wenn die Wiesen gepflegt und regelmäßig gemäht werden“, sagt Schneider. Ohnehin habe er in den vergangenen 40 Jahren ehrenamtlicher Arbeit eines gelernt: Artenschutz geht nur bei gleichzeitigem Biotopschutz. Schwindet der Lebensraum, verschwindet früher oder später auch die auf ihn angewiesene Art. Das Erfolgsmodell Steinkauz ist zum Leidwesen der Naturschützer nicht ohne weiteres auf andere Arten übertragbar. „Wir haben in den vergangenen 20 Jahren bei den Singvögeln einen Rückgang von 60 Prozent festgestellt“, sagt Schneider. Im Gegensatz zum Steinkauz, dessen Population der Mensch mit Hilfe von mardersicheren Niströhren wieder aufgepäppelt hat, lassen sich die Singvögel nicht helfen.

Nicht immer will die Natur, wie der Mensch will

Und selbst dort, wo der Mensch erfolgreich eingreift, verfolgt die Natur häufig ihren eigenen Plan. Hatte es vor zehn Jahren gerade mal ein Uhu-Paar im Landkreis Esslingen gegeben, so sind es jetzt wieder rund zehn Paare, die am Albtrauf heimisch sind – und dort auf Jagd gehen. Weil der ebenfalls streng geschützte Wanderfalke ganz oben auf dem Speiseplan steht, ist es um den Fortbestand des schnellen Jägers ganz schlecht bestellt. „Der Uhu macht Druck auf den Wanderfalken. Von einstmals 17 Paaren sind nur noch zwei geblieben. Der Wanderfalke wird schon bald ganz aus den Felsen verschwunden sein“, sagt Schneider, der kürzlich 80 Jahre geworden ist. Der Esslinger Landrat Heinz Eininger bescheinigte dem Vogelschützer jüngst beim Besuch auf der Streuobstwiese einen langen Atem. Dafür, so der Landrat in seiner Würdigung, spreche der Erfolg in einer Region, in der die Natur, die freie Landschaft und damit auch der Artenschutz immer mehr unter Druck gerät.