Professor Oliver Zirn präsentiert die E-Zweirad-Prototypen: Einmal fahrbereit und einmal „gefaltet“ für die Mitnahme im Zug. Foto: Ines Rudel

Ein Tüftlerteam an der Hochschule Esslingen hat das weltweit leichteste E-Faltrad entwickelt. Die praktische Mobilitäts-Lösung soll die “last mile“ – also die Strecke zwischen Haltestellen von Bus und Bahn sowie Arbeitsstelle und Wohnung schließen.

Esslingen - Ist Oliver Zirn von seiner Wohnung in Stuttgart-Botnang per Stadtbahn und S-Bahn zu seiner Arbeitsstelle in der Esslinger Neckarstraße unterwegs, dann begleitet ihn ein Gerät, das auf den ersten, flüchtigen Blick einer Kombination aus dem Utensiliengefährt eines Golfers und einem aufwendigen Klapprad ähnelt. Mit der Klapprad-Assoziation kommt man der Sache schon näher: Es handelt sich um ein leichtes, zusammenklappbares E-Bike, mit dessen Hilfe der 50-Jährige den Weg zur Arbeit und zurück jeweils um circa eine halbe Stunde zeitlich verkürzt.

Für den Professor für Fahrzeugtechnik an der Hochschule Esslingen sind die in die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel eingeflochtenen Radfahrten sozusagen ein Teil der Feldforschung für ein umfassendes Projekt. Dabei geht es im Zeichen von Dauerstau, verstopften Straßen und wachsenden Fahrverbotsbefürchtungen darum, den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) attraktiver zu machen, indem man die „letzte Meile“ (last mile) zwischen Haltestellen von Bus und Bahn sowie Arbeitsstelle und Wohnung mittels zusammenfaltbarer E-Bikes schließt. Verkehrsplanerisch ausgedrückt sind damit „geschlossene Wegeketten im ÖPNV“ gemeint. Wichtig ist dabei, dass die Räder nach Gewicht, Handlichkeit und Handhabung die Voraussetzungen eines Gepäckstücks erfüllen – und somit auch zu Stoßzeiten in der Bahn mitgenommen werden können.

200 000 Euro Fördergeld von der Landesregierung

Der Weg zum Lückenschluss der letzten Meile per Faltfahrrad führte ein Tüftlerteam um Hochschullehrer Zirn, verkehrsrechtlich beraten von Professor Axel Norkauer (Hochschule für Technik in Stuttgart), zunächst über elektrisch unterstützte Tretroller, wobei auch schon in diesem Stadium der Faltgedanke mit im Spiel war. Die Crux: Die Roller waren mit bis zu 12 Stundenkilometern zu schnell für die Fahrt auf dem Gehweg, laut Oliver Zirn anfänglich eine erstrebenswerte Vorgabe für die Konzeption des Stuttgart-Esslinger „Mikromobilitätslabors“. Eine Drosselung auf sechs Kilometer pro Stunde wiederum – darüber hinaus gilt ein Vehikel als Kraftfahrzeug und wird auf die Straße verwiesen – stellte sich als inakzeptabel heraus. Da könne man ja gleich zu Fuß gehen, hieß es.

Also wurde vor zwei Jahren vom Roller auf das Fahrrad umgesattelt, ein Umstieg, dem die Landesregierung mit 200 000 Euro Fördergeld zum finanziellen Rückenwind verhalf. Zwar war damals schon Vergleichbares auf dem Markt, sagt Zirn, aber die Leichtigkeit der Prototypen aus der Neckarstadt und deren flexible Handhabung ließen sie an der Konkurrenz vorbeiziehen. In Kooperation mit einem taiwanesischen Unternehmen war es zudem gelungen, das Gewicht des E-Bikes auf Kohlefaserbasis (Carbon) auf knapp unter zehn Kilogramm zu drücken, und somit, wie es heißt, das weltweit leichteste E-Faltrad zu präsentieren. Die Variante aus Aluminium ist freilich zweieinhalb Kilo schwerer.

Easy bergauf mit zuschaltbarem Elektromotor

Zur Ausstattung des Esslinger Modell-Faltrads zählen ein zuschaltbarer Elektromotor und ein Akku jeweils handelsüblicher Machart. Der Akku mit seiner Kapazität von 100 Wattstunden reicht für acht bis zwölf Kilometer, wird er nicht gebraucht, wandert er in den Rucksack oder verbringt die Nacht am Ladegerät. Was die elektrische Unterstützung angeht, so gibt sich Oliver Zirn überzeugt: „Damit kommt man ohne große Anstrengung die Weinsteige in Stuttgart hinauf.“ Und auf ebener Strecke sind nach Hochschulangaben immerhin Geschwindigkeiten bis zu 22 Kilometer pro Stunde drin.

Oliver Zirn sieht mit dem nunmehr erreichten Status des E-Faltrads „das Problem der Mikromobilität als gelöst“ an. Noch freilich gibt es das ÖPNV-kompatible Zweirad nicht zu kaufen. Zuvor muss der Lückenaufschließer zur letzten Meile noch Hürden nehmen, sei es in juristischer, bürokratischer, sicherheitstechnischer und nicht zuletzt kommerzieller Hinsicht.

Techniker sind auf Firmensuche

Preise
Wenn es auch das ÖPNV-kompatible E-Faltrad aus der Esslinger Ideenschmiede noch nicht zu kaufen gibt, so gibt Professor Oliver Zirn doch einen groben Kostenrahmen vor: Danach wird das superleichte Kohlefasermodell mit etwa 4000 Euro veranschlagt, für etwa ein Viertel davon ist die Alu-Variante zu haben.

Kommerz
Für die Produktion der Falträder sind die Konzeptionisten und Fahrzeugtüftler der Esslinger Hochschule auf Firmensuche. Allerdings, so heißt es, spüre man derzeit in der Branche eine deutliche Zurückhaltung. Ein möglicher Grund dafür wird unter anderem darin gesehen, dass amerikanische Investoren nachweislich in den Startlöchern sitzen, um wie in den USA auch deutsche Städte mit ganzen Flotten von E-Tretrollern im Sharing-System zu beglücken.