2004 entstand die Pilotanlage des Laing-Solar-Generators in San Diego Foto: Laing

Das Stuttgarter Ehepaar Laing hat mit seiner genialen Solar-Erfindung bisher nur Ärger.

Stuttgart - Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Für Inge und Nikolaus Laing ist das weit mehr als eine Redensart. Das betagte Paar hat einen neuen Solarstrom-Generator entwickelt. Doch statt sich mit einer genialen Idee im Erfolg zu sonnen, erleben die beiden Physiker die Schattenseiten. Inklusive Diebstahl und Erpressung.

Die Kraft der Sonne spüren Inge und Nikolaus Laing fast jeden Tag. Blendend hell knallt das Licht durch die großen Fenster ihres Arbeitszimmers in Bad Cannstatt. "Wir können die Fenster nicht öffnen", sagt Inge Laing. "Der Lärm von der König-Karls-Brücke ist zu laut."

Die Rahmenbedingungen für Solar-Erfinder könnten zurzeit nicht besser sein. Die Kernkraft ist so gut wie erledigt, das Erdöl geht bald zur Neige. Die Zukunft gehört den alternativen Energien. Doch bis der Wind sich dreht, braucht es Geduld. Nur Geduld können sich die Laings nicht leisten. Inge Laing ist 84 Jahre alt, Nikolaus Laing 89.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, den Nikolaus Laing als Testpilot erlebt, lernt er an der Uni Karlsruhe seine Frau kennen. "Schon als Studenten haben wir Erfindungen gemacht", erinnert sich der Mann. "Gute Ideen waren damals gutes Geld wert." Noch während des Studiums bringt ihnen ein Patent für ein Staubsaugergebläse 300.000 Mark. "Das war zu einer Zeit, als ein Eis noch fünf Pfennig gekostet hat."

2004 scheint der Durchbruch nah

Die Ideen sprudeln. Die Laings entwickeln Magnetfeldpumpen, Tauchpumpen, Einspritzpumpen, Tangentialgebläse. 1974 berichtet der "Spiegel" auf drei Seiten von 1700 Patentanmeldungen der Laings, von ihrer Erfinderfabrik, in der sie in Aldingen 114 Wissenschaftler beschäftigen, von Erfindungen, die weltweit jedes Jahr für zwei Milliarden Mark Umsatz sorgen. Hauptthema des "Spiegel"-Artikels ist aber eine Idee, die 37 Jahre später höchst aktuell klingt. Die Laings wollen in der Sahara Sonnenenergie gewinnen und damit Europa versorgen. Acht Jahre hat der Erfindertrust der Laings geforscht, bis der Energietransport mittels Wasserdampf, der in superisolierten Röhren strömen soll, gelöst scheint.

Die Sonnenenergie wird die Laings nicht mehr loslassen. Doch 1979 finden sie sich auf der Schattenseite wieder. Als Solar-Pionier hält Nikolaus Laing in der Liederhalle einen Vortrag. "Man hat mich ausgelacht", erinnert er sich. "Damals war der Glaube an die Atomenergie noch ungebrochen."

Die Laings ziehen die Konsequenzen - und wandern aus. Nach Kalifornien, wo sie sich bessere Rahmenbedingungen erhoffen. Ihre Idee hat zwei Komponenten: Linsen sollen das Sonnenlicht bündeln und konzentriert auf Fotozellen lenken. Außerdem sind diese nicht auf schrägen Tafeln montiert, sondern schwimmend in flachen, runden Wasserbecken. Die Vorteile sind enorm: Auf dem Wasser werden die Zellen gekühlt, sie beschatten sich nicht gegenseitig, sie lassen sich mit minimalem Aufwand der wandernden Sonne nachführen, zudem hat der Wind keine Angriffsfläche. Im Detail aber sind die technischen Probleme enorm. Über 20 Jahre brauchen die Laings, bis sie mit einer Fresnellinse und einem patentierten Glaskeil das Sonnenlicht optimal bündeln, die Nachführintervalle auf 120 Sekunden verlängern und den Wirkungsgrad auf 37,5 Prozent steigern können.

2004 scheint der Durchbruch nah. Die Firma der Laings, bei der Edward C. Nixon, ein Bruder des Ex-Präsidenten, Geschäftsführer ist, beginnt in El Cajon bei San Diego mit dem Bau einer Pilotanlage, die elf Monate laufen wird. Im April 2005 berichtet "Die Zeit" unter der Überschrift "Die Super-Zelle" euphorisch über die Anlage der Laings, die im Vergleich zu herkömmlichen Solarkraftwerken "mit einem deutlich höheren Wirkungsgrad" arbeite. Entscheidend seien die von den Laings entwickelten "Konzentrator-Zellen". Sie "erzeugen rund 800-mal mehr Strom als gleichgroße konventionelle Solarzellen aus Silizium".


Nach dem erfolgreichen Probelauf starten die Laings durch. Mit einem neuen Geschäftsführer wollen sie eine eigene Solarfabrik aufbauen. Dazu beleihen sie ihre Villa bei San Diego mit 1,6 Millionen Dollar.

Doch dann beginnen die Probleme. Nikolaus Laing erkrankt und wird in den Rollstuhl gezwungen. Gleichzeitig laufen beim Aufbau der Fabrik die Kosten aus dem Ruder. "Wir mussten unsere Altersversorgung verkaufen, denn wir waren dem Ziel so nah", sagt Inge Laing.

2007 spitzt sich die finanzielle Lage zu. Aber dann scheint, wie durch ein Wunder, die Pechsträhne zu enden. Ein Investor aus Europa will mit 4,7 Millionen Dollar einsteigen. Statt sie jedoch zu retten, reißt diese Offerte die Laings in einen Strudel aus Bedrohung, Betrug und Erpressung.

Wie kriminell es auf dem hochlukrativen Markt der Sonnenenergie zugehen kann, hat vor einem halben Jahr Ian McEwan in seinem Roman "Solar" beschrieben. Die Fiktion des britischen Schriftstellers wird von den Schilderungen der Laings über die realen Vorkommnisse des Jahres 2007 in Kalifornien allerdings in den Schatten gestellt.

Ehepaar lebt von Minirente

Als ein Vertreter des Investors aus Europa bei den Laings eintrifft, stößt er bei der Durchsicht der Firmenpapiere auf ein Gutachten des Energietechnikers Professor Hartmut Hensel. Darin wird der Wert der Laing-Firma auf Grundlage von 17 Patenten auf 100 Millionen Dollar geschätzt.

Dieses Papier, so die Laings, muss den Besucher auf die Idee gebracht haben, "das ganze Firmenpaket für sich an Land zu ziehen". Jedenfalls ist plötzlich nur noch von einer Investition unter der Bedingung die Rede, dass zuvor die Patente auf den Investor übertragen werden. Als sich die Laings weigern, erhöht der Investor, der inzwischen den Geschäftsführer auf seine Seite gezogen hat, den Druck. Man droht, ohne Patentübertragung würde die Solarfirma die fälligen Bankkredite nicht mehr bedienen.

Die Laings, in Geschäftsdingen aufgrund des Alters und der Krankheit überfordert, sind verzweifelt. Mitten in der US-Immobilienkrise droht der Zwangsverkauf des Hauses. Sie unterschreiben. In einem zweiten Vertrag verzichten sie für 1,2 Millionen Dollar auf die Mehrheitsanteile ihrer Firma. "Von diesem Moment an durften wir sie nicht mehr betreten", sagt Inge Laing.

"Ein Vertrag, der erpresst wurde, kann nicht gültig sein", sagt Nikolaus Laing heute. Seit 2009 kämpft er von Deutschland aus um seine Rechte. Ein Zivilverfahren vor einem Gericht in San Diego kommt allerdings kaum voran. Derweil lebt das Paar von einer Minirente, von bei Freunden geliehenem Geld - und von der Hoffnung.

Seit zwei Monaten verhandeln die Laings mit zwei Investoren aus Deutschland, die je 800.000 Euro für eine Pilotanlage in Baden-Württemberg in Aussicht stellen. Doch auch hier gibt es Probleme. Es geht um Details - und es geht um die Aufteilung der Solar-Welt. Die Investoren verlangen ausschließliche Rechte für ganze Erdteile. Die Laings sind vorsichtig und großzügig zugleich. Auf Asien mit Ausnahme Indiens würden sie verzichten. Aber nicht auf Afrika. Die alte Idee der Energieversorgung Europas aus der Sahara will den Laings nicht aus dem Kopf. "Unser System ist dem modernen Sahara-Projekt Desertec ebenbürtig - mindestens", sagt Nikolaus Laing und blinzelt gegen das Sonnenlicht über dem Neckar. Als hätte das Schattenreich bald kein Chance mehr.