Gab sein Wissen weiter: Podolsky bei einem Vortrag vor Kriminalbeamten im Jahr 2012 Foto: BDK

Verbrechen lohnte sich – bis in die neunziger Jahre hinein. Dann fand der LKA-Beamte Johann Podolsky einen Weg, Kriminellen ihr Vermögen abzuknöpfen. Nun bekommt er dafür das Bundesverdienstkreuz.

Stuttgart - Alles begann mit dem Schwiegervater eines guten Freundes. Der Schwiegervater war einem Betrüger aufgesessen, hatte Millionen verloren. Die Polizei kümmerte sich, aber nur um die Aufklärung der Straftat. So war das damals üblich, in der ersten Hälfte der neunziger Jahre. Dem Sindelfinger Polizeibeamten Johann Podolsky, beim Landeskriminalamt (LKA) in Stuttgart beschäftigt, ließ das keine Ruhe. Wie konnte man dem Schwiegervater wieder zu seinen Millionen verhelfen? Wie ungerecht ist das denn, wenn ein Betrüger nach Verbüßung seiner Haftstrafe das Geld, das er anderen abgeluchst hat, wieder aus seinem Versteck holen kann? Oder wie Podolsky es ausdrückt: „Es kann doch nicht sein, dass Straftäter im Genuss von Tatfrüchten bleiben.“

Podolsky vertiefte sich in die Vorschriften, und er war dafür gerüstet. Kurz zuvor hatte er seine Polizeilaufbahn für vier Jahre unterbrochen, um in Tübingen und Stuttgart Jura zu studieren. Er fand Vorschriften aus den sechziger Jahren, die es in der Theorie erlaubten, nach dem Vermögen von Tatverdächtigen zu fahnden und es vorläufig sicherzustellen. In der Praxis tat dies die Polizei so gut wie nie. Das Ganze galt als zu kompliziert und zu wenig erfolgversprechend.

„Nach umfassendem Studium entschloss ich mich, dass diese Vorschriften künftig zur Anwendung gebracht werden“, erzählt Podolsky heute. Aber das war gar nicht so einfach. Er musste erst den damaligen LKA-Präsidenten Franz Hellmut Schürholz davon überzeugen. Podolsky bekam schließlich vier Beamte zur Seite gestellt – auf Probe. Die Vereinbarung war: Sollte seine Idee nach einem Jahr keine Früchte tragen, wird das Projekt wieder eingestellt.

Anfangs gab es Widerstände

Podolsky und sein Team legten los wie die Feuerwehr: „Schon eine Woche nach Einrichtung der Projektgruppe haben wir einen Ex-Polizisten mit einer großen Menge Rauschgift festgenommen und im erheblichen Umfang Vermögen gesichert“, erzählt er. Plötzlich wollten alle Strafverfolgungsbehörden in Deutschland wissen, wie man das macht: Kriminellen an den Geldbeutel gehen. Na ja, fast alle.

Anfangs habe es durchaus Widerstände gegeben, sagt Podolsky. So habe der Leiter einer Staatsanwaltschaft ihm ausrichten lassen, er habe für einen Vortrag über das Thema zu seiner Behörde keinen Zutritt. „Jahre später wurde ich von ihm eigens zu einem Vortrag eingeladen“, erzählt er. Erfolg öffnet halt alle Türen, und Podolskys Erfolg war durchschlagend und grenzüberschreitend. Nicht nur in ganz Deutschland, sondern in fast ganz Europa wird heute die von ihm ausgetüftelte Methode angewandt. Milliarden an kriminell erworbenem Vermögen sind seitdem an Opfer und den Staat zurückgeflossen. Allein in Baden-Württemberg sind bei der Polizei mittlerweile 60 Vermögensabschöpfer aktiv, die zu Strafverfahren hinzugezogen werden. „Wir haben ständig so um die 1500 betreute Verfahren im Land“, sagt Roland Baier von der Zentralstelle der Finanzermittler im Landeskriminalamt. Zwischen 30 und 70 Millionen Euro schöpfen er und seine Mitstreiter pro Jahr an kriminellem Vermögen ab. Zwei Drittel davon gehen in der Regel an die Geschädigten, ein Drittel an den Staat. Das Geld geht zum Teil in den allgemeinen Haushalt, zum Teil werden damit auch Personalstellen in der Justiz finanziert. Sollten beim Staat in einem Jahr mehr als 6,39 Millionen Euro hängen bleiben, profitiert dann auch die Polizei von dem Geld.

Auch Verkehrssündern kann der Gewinn abgeschöpft werden

Mittlerweile wird Podolskys Methode auch verstärkt von Bußgeldstellen angewandt. Wenn sich zum Beispiel eine Spedition durch ständiges Überladen ihrer Lastwagen weitere Fahrten oder durch permanente Lenkzeiten-Überschreitungen einen Fahrer erspart, kann es ihr passieren, dass die Bußgeldstellen ihr nun auch den Gewinn abschöpfen. „Das hat man in den letzten Jahren forciert“, sagt Baier. Die entsprechenden Fortbildungen, sagt er, „basieren immer noch auf dem, was Herr Podolsky bereits 1995 angestoßen hat“.

Podolsky ist jetzt 64 und seit vier Jahren im Ruhestand. Gelegentlich, sagt er, referiere er noch bei Fortbildungen. Am Dienstag nächster Woche darf er allerdings vor allem zuhören. Dann bekommt er im LKA von Regierungspräsident Johannes Schmalzl für seine Verdienste das Bundesverdienstkreuz überreicht Der gute Freund, mit dessen Schwiegervater alles anfing, wird auch da sein.