Wer elektrisch fahren will, muss sich in eine ganz neue Welt hineindenken, mit vielen Unsicherheiten und unklaren Kosten. Das gilt besonders, wenn das Geld nur für einen Kleinwagen reicht. Ein Erfahrungsbericht aus dem Dschungel der Autohäuser.
Mein Freund Günther hat es gut: Er fährt einen Tesla mit effektiv 550 Kilometern Reichweite, schicken digitalen Features wie Tote-Winkel-Kameras und großem Fahrspaß. Geladen wird fast nur in der heimischen Garage an der Wallbox. „Bequemer und billiger geht es nicht“, sagt Günther: „Alle E-Auto-Probleme sind gelöst.“
Wirklich alle? Nicht für jemanden, der keine 50 000 Euro ausgeben will oder kann und trotzdem endlich umsteigen möchte. So habe ich mich aufgemacht, den Markt zu sondieren und bin auf viele Probleme gestoßen. Ein neues Fahrzeug unter 30 000 Euro zu finden, ist fast unmöglich. Wer in Miete wohnt und öffentliche Ladesäulen nutzen muss, hat mit dem E-Auto zudem hohe Betriebskosten. Hinzu kommen die ganzen verunsichernden Umstellungen, wie Steckervielfalt, Ladekarten-Wirrwarr und Reichweitenangst. Beim ersten E-Auto-Kauf sind die Unwägbarkeiten so groß, dass viele am Ende doch beim günstigeren und bekannten Verbrenner bleiben. Aber worin bestehen nun tatsächliche Hürden und was ist nur die Furcht vor dem Unbekannten?
Welche E-Modelle unter 30 000 Euro gibt es?
Wenn man sich nur den Listenpreis anschaut: eigentlich gar keine. Renault Twingo, Fiat 500 oder Opel Corsa kosten zwar laut einer ADAC-Aufstellung einige hundert Euro weniger als 30 000 Euro, aber schon mit kleinen Extras wie einer Metallic-Lackierung wäre die genannte Preisgrenze überschritten. Auch chinesische Modelle von MG, BYD oder Ora liegen drüber. Der Fiat 500 kostet übrigens als Verbrenner in der Basisversion „nur“ 17 490 Euro – gerade bei kleinen E-Autos ist also der Aufpreis zum Benziner in Relation zum Gesamtpreis enorm.
Bekommt man derzeit große Nachlässe?
Seit der Bund im letzten Jahr die Umweltprämie abgeschafft hat, ist der Verkauf von E-Autos deutlich zurückgegangen, konkret um elf Prozent für die Monate Januar bis April 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Der Anteil der reinen E-Autos an den Neuzulassungen im April lag laut dem Kraftfahrtbundesamt bei gerade zwölf Prozent, jener der verschiedenen Hybrid-Varianten immerhin bei gut 30 Prozent. Viele Hersteller und Autohäuser werben jedenfalls derzeit mit Sparaktionen für reine Elektrofahrzeuge. Ein Verkäufer sagte: „Es gibt einen deutlichen Überschuss an Autos, wir wechseln häufig nur noch das Geld.“
Aber man sollte trotzdem gut aufpassen und Angebote in mehreren Autohäusern einholen. Der Preis für einen Opel Mokka e beispielsweise als Leasingauto für zwei Jahre lag zwischen monatlich 320 und 708 Euro.
Aber man rollt doch E-Auto-Käufern den roten Teppich aus?
Keineswegs, der Personalmangel scheint auch in den Autohäusern eklatant zu sein. In zwei Autohäusern standen beim Besuch die Türen zwar offen, aber es war kein Personal anzutreffen. Auf E-Mails erhält man oft keine Rückmeldung, auch versprochene Rückrufe blieben aus: „Ich arbeite zwölf Stunden am Tag, mehr geht einfach nicht“, entschuldigte sich ein Autoverkäufer. Es ist jedenfalls langwierige Arbeit, bis man sich als Kunde bis zur Vertragsunterschrift durchgekämpft hat.
Wie real ist die Reichweitenangst?
Welcher Reichweitenstandard gilt denn nun: EPA, NEFZ oder WLTP? Es ist nicht ganz leicht, die tatsächliche Reichweite der E-Autos einzuschätzen, da die Messverfahren stark voneinander abweichen. WLTP ist mittlerweile die offizielle Angabe, aber real ist auch sie nicht. Der ADAC testet dagegen im (sommerlichen) Alltag und kommt oft auf eine rund 20 Prozent geringere Reichweite gegenüber WLTP. Da kleine Autos meist auch kleinere Batterien haben, fällt sie dann in dieser Fahrzeugklasse oft auf 150 bis 250 Kilometer ab, und im Winter geht es noch weiter nach unten.
Bei kleinen E-Autos ist die Reichweitenangst deshalb ein großes Thema, Allerdings dürfte bei mittlerweile 118 000 öffentlichen Ladepunkten in Deutschland die nächste Säule nie sehr weit sein. Konkret geht es vermutlich nicht mehr ums Liegenbleiben, sondern nur noch um die lästige Ladewartezeit. Zudem haben kleinere E-Autos oft kein so gutes Lademanagement wie etwa ein Mercedes, der dem Fahrer entsprechend der „Tankfüllung“ eine konkrete freie Säule auf seiner Route vorschlägt.
Wie hoch sind die Ladekosten?
Wer eine Wallbox hat, tankt zum Hausstromtarif. Das sind laut Verivox im bundesweiten Durchschnitt derzeit 27 Cent pro Kilowattstunde (ohne Grundpreis). Ökostrom, und den sollte man als E-Auto-Besitzer tanken, liegt oft etwas höher. Die Stadtwerke Stuttgart verlangen derzeit knapp 30 Cent. Die Fahrtkosten eines kleinen E-Autos mit einem Stromhunger von 15 bis 20 Kilowattstunden (inklusive Ladeverlusten) auf 100 Kilometer liegen also bei 4,50 bis sechs Euro. Zum Vergleich: Ein Verbrenner-Auto mit sechs Litern Benzinbedarf auf 100 Kilometern bringt es bei 1,80 Euro pro Liter auf 10,80 Euro. Noch günstiger wird es langfristig, wenn man eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach hat. Allerdings: Schon eine Wallbox kostet 1500 bis 5000 Euro inklusive Installation; da muss man mehrere zehntausend Kilometer fahren, um die Kosten zu amortisieren.
Wer an einer Ladesäule tanken muss, bezahlt deutlich mehr – die EnBW etwa verlangt derzeit 39 bis 61 Cent pro Kilowattstunde (ohne monatlichen Kartenpreis von null bis 18 Euro), macht im Schnitt 7,50 Euro auf 100 Kilometern.
Laut dem Portal Statista liegt der bundesweite Durchschnittspreis für den Gleichstrom (damit lädt man schneller) sogar bei 66 Cent. Der Preisvorteil gegenüber dem Verbrenner ist dann fast oder ganz aufgebraucht, und der höhere Anschaffungspreis für das E-Auto amortisiert sich gar nicht mehr. Man muss also vor dem Kauf klären, wo man am häufigsten lädt – und dann ist Rechnen angesagt.
Um günstig tanken zu können, muss man manchmal sogar den Anbieter für den Hausstrom wechseln: Die Stadtwerke Nürtingen zum Beispiel gewähren ihren günstigen 38-Cent-Strom an Ladesäulen nur den eigenen Energiekunden. Wer denkt denn an so etwas beim Autokauf?
Zugleich ist die Kostentransparenz miserabel. Je nach Anbieter und benutzter Karte können die Preise an einer gleichen Ladesäule sehr unterschiedlich sein – das ist ärgerlich und teuer. Etwa mit der EnBW-Karte kostet das Tanken bei fremden Säulen bis zu 89 Cent pro Kilowattstunde.
Wie viele Ladestecker brauche ich?
Für Verwirrung sorgen bei E-Greenhorns noch immer die Ladekabel, obwohl die Vielfalt gegenüber früher deutlich gesunken ist. Am meisten verbreitet ist für Wallbox und öffentliche Ladesäulen das Kabel Typ 2 (Standard in der EU). Weiter gibt es das sogenannte CCS-Schnellladekabel. Zuhause könnte man zudem auch an einer normalen Steckdose oder einer Starkstromsteckdose laden. Etwa in der EnBW-Mobility-App ist immer angegeben, welche Ladesäule welche Anschlüsse hat. Es ist mühsam, sich in die Ladetechnik hineinzufuchsen. Aber vermutlich ist man nach einem Monat so gut drin, dass das Steckerthema erledigt ist.
Benötige ich jetzt fünf verschiedene Ladekarten?
Für Unsicherheit sorgt schon vor dem Kauf auch die Vielfalt an Bezahlkarten und -apps. Tatsächlich funktioniert das Bezahlen aber mittlerweile ähnlich wie das Roaming beim Handy: Man ist oft nur bei einem Anbieter registriert, kann aber bei den allermeisten anderen auch laden, allerdings eben meist zu höheren Preisen. Am Ende wird man deshalb wohl doch zwei oder drei Karten im Portemonnaie haben. Seit Kurzem müssen zumindest neue Ladesäulen auch das Bezahlen mit Kredit- oder Debitkarte anbieten; häufig sind sie aber wohl noch nicht.
Übrigens: Immer mehr Anbieter haben Sperrkosten eingeführt. Wer sein Auto länger als vier Stunden an der Ladesäule stehen lässt, zahlt etwa bei der EnBW zehn Cent pro Minute Blockiergebühr.
Sind die Werkstattkosten wirklich günstiger?
Ein einfacher Elektromotor ist deutlich weniger reparaturanfällig, die Werkstattkosten sind also gering – so heißt es immer. Eine kürzlich veröffentlichte Studie des Gesamtverbandes der Versicherer (GDV) kommt zu einem anderen Ergebnis: „Die Reparaturkosten von Elektroautos sind viel höher. Sie liegen im Schnitt um 30 bis 35 Prozent über denen vergleichbarer Autos mit Verbrennungsmotor“, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen.
Grund sind vor allem die Batterien; wenn sie defekt sind, entstehen hohe Kosten. Allerdings: Elektroautos müssen tatsächlich um etwa 20 Prozent seltener in die Werkstatt.
Kann ich mich auf die Batterie also nicht verlassen?
Es gebe erst eine zehnjährige Erfahrung mit Autobatterien, so Asmusen weiter – völlig transparent sind die Langzeitkosten und -mängel deshalb noch nicht. Die Autobauer haben auf diese Batteriephobie reagiert: Die meisten bieten mittlerweile eine Garantie von acht Jahren oder 160 000 Kilometern auf die Batterie. Garantiert wird, dass die Zellen noch mindestens 70 Prozent ihrer Leistung bringen.
Der ADAC hält dieses Versprechen nach mehreren Langzeittests für realistisch. Etwa ein BMW i3 könne vermutlich sogar zehn Jahre oder 200 000 Kilometer fahren, bevor die Kapazität unter 70 Prozent sinke.
Wie lautet das Fazit?
Der Kauf eines E-Autos ist mit vielen Verhaltens-Änderungen, manchen technischen Unsicherheiten und unklaren Kosten verbunden – das schreckt viele noch immer ab. Man muss jedenfalls schon sehr überzeugt von Elektromobilität sein, um sich durch alle Themen hindurchzuackern und damit man manche Kröte schluckt. Die Autoindustrie und die Politik müssten dringend die Preise senken und den Komfort erhöhen.
Am Ende habe ich selbst doch ein Elektroauto gekauft, einen Opel Mokka, aber nur, weil er „wegen eines deutlichen Überbestandes“, so der Verkäufer, um gut 40 Prozent gegenüber dem Listenpreis vergünstigt war. So war der Wagen konkurrenzfähig mit dem Verbrenner. Trotzdem: Am Ende war es eine Bauchentscheidung und kein betriebswirtschaftliches Kalkül. Ich werde sehen, ob ich mit der kleinen Reichweite von 250 Kilometern und den hohen Ladesäulenpreisen wirklich zurechtkomme.