Im Jahr 2015 besuchte der damalige Landeswirtschaftsminister Nils Schmid iranische Unternehmen wie hier den Kristallglashersteller Noritazeh. Foto: Wirtschaftsministerium/Martin Stollberg

Die Erwartungen baden-württembergischer Unternehmer, die seit dem Wegfall des Embargos 2015 den Iran bereisten, haben sich bei weitem nicht erfüllt. Das liegt nicht zuletzt an Finanzierungsproblemen.

Stuttgart - Die Euphorie war 2015 riesig. Ob aus Frankreich, Großbritannien, Spanien oder Deutschland – von Politikern angeführte Wirtschaftsdelegationen gaben sich die Klinke in die Hand. Auch die damaligen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (Bund) und Nils Schmid(Baden-Württemberg) sahen Chancen. Ihr aller Ziel: Teheran. Ausgelöst wurde die Euphorie vom gerade unterzeichneten Atomvertrag mit dem Iran, der dem durch das jahrelange Embargo gebeutelten Land der Mullahs die Rückkehr in die Staatengemeinschaft ebnen sollte. In allen Branchen hatten hiesige Unternehmen einen enormen Modernisierungsbedarf ausgemacht – was lukrative Geschäfte versprach. Auf zehn Milliarden Euro sollte sich das deutsch-iranische Handelsvolumen innerhalb von nur fünf Jahren – also bis 2020 – vervierfachen, erwartete die Wirtschaft, Traumzahlen. Tatsächlich stiegen die deutschen Ausfuhren in den Iran 2017 auf 3,5 (Vorjahr: 2,6) Milliarden Euro.

„Der durch den Wegfall der US-Sanktionen ausgelöste Hype im Iran-Geschäft scheint aus unserer Sicht einer gewissen Ernüchterung gewichen zu sein“, urteilt Kai Schmidt-Eisenlohr, Geschäftsführer von Baden-Württemberg International (BW-I), jetzt. BW-I organisiert Delegationsreisen im Südwesten. Insgesamt drei Reisen sollten in den Iran führen – zwei davon in den Jahren 2015 und 2016 trafen auf sehr große Nachfrage. Eine ursprünglich für Oktober 2017 angebotene Unternehmerreise musste mangels Interesse abgesagt werden, so Schmidt-Eisenlohr.

Enttäuschte Unternehmer

Hiesige Unternehmen, die bei der wirtschaftlichen Erneuerung des Iran dabei sein wollten, bestätigen den Trend. „Unser Engagement vor Ort ist geringer, als wir uns das erhofft haben“, heißt es beim Zulieferer Allgaier. „Nach Aufhebung der Sanktionen waren die Erwartungen bei uns groß. Diese Hoffnungen haben sich für uns und andere Unternehmen bis heute nicht erfüllt“, so der Pneumatikspezialist Festo.

Beim Zulieferer ZF sieht man das Potenzial des iranischen Marktes, der aber „aufgrund der besonderen politischen Lage zahlreichen Sondereinflüssen ausgesetzt“ ist, „die die wirtschaftliche Entwicklung erschweren“. Bosch hat seit der Gründung einer Regionalgesellschaft 2015 das Geschäft im Iran „deutlich ausgebaut – unser Umsatz ist im vergangenen Jahr stark gewachsen“, sagt eine Sprecherin. Doch die derzeit 50 Mitarbeiter vor Ort lassen auf ein noch überschaubares Volumen schließen. Der Autobauer Daimler hat 2016 seine Repräsentanz in Teheran eröffnet und beschäftigt dort eine „Handvoll Mitarbeiter“, so ein Sprecher. Verkauft wurde eine niedrige dreistellige Zahl von Fuso-Lkw.

Projekte für die Schublade

Woher rührt die Enttäuschung, die die iranische Bevölkerung auf die Straßen treibt? Die Wirtschaft des Landes ist zuletzt um 12,5 Prozent gewachsen. Rechnet man den so wichtigen Ölsektor heraus, lag das Plus nur noch bei 3,3 Prozent. Die Bevölkerung profitiert nicht davon; die Arbeitslosigkeit bleibt hoch, und die Gehälter steigen langsamer als die Lebenshaltungskosten. Dabei hatte die Regierung in Teheran doch hohe Investitionen versprochen. Doch die seien „nur ansatzweise realisiert“ worden, urteilt ein Sprecher der bundeseigenen Gesellschaft für Wirtschaftsförderung GTAI. Ulrich Ackermann sieht es ähnlich. Viele Großprojekte mit staatlichen Firmen seien bis ins Detail ausgehandelt worden, die Verträge dann in der Schublade verschwunden, sagt der Leiter Außenhandel beim Maschinenbauverband VDMA. „Geld ist grundsätzlich da“, sagt Ackermann. Die Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft seien deutlich gestiegen.

Doch dieses Geld floss nicht in den Aufbau der Wirtschaft, sondern häufig in andere Kanäle, so Ackermann. Die iranische Geistlichkeit scheint da eine eher unrühmliche Rolle zu spielen. Erschwerend kommt hinzu, dass der iranische Rial in den vergangenen Monaten deutlich an Wert verloren hat – Importe werden damit für den Iran teurer. Dann sind da noch die unverändert bestehenden Finanzierungsprobleme. Deutsche Großbanken halten sich mit Krediten zurück, weil sie nach wie vor US-Sanktionen fürchten. Es soll vorgekommen sein, ist zu hören, dass Überweisungen aus dem Iran von hiesigen Instituten abgewiesen wurden. Bestätigt wird das nicht.