Gegen die Festnahme des Chefredakteurs der Oppositions-Zeitung „Cumhuriyet“, Murat Sabuncu, regt sich vorsichtiger Protest in Ankara. Foto: AFP

Im Ausnahmezustand hat die türkische Regierung zahlreiche kritische Medien schließen lassen. Eine der wenigen verbliebenen kritischen Stimmen, „Cumhuriyet“, wird nun auch ausgeschaltet. Ihr Chefredakteur und zahlreiche Mitarbeiter wurden festgenommen.

Ankara - Eine der letzten regierungskritischen Stimmen in der türkischen Medienlandschaft soll offenbar zum Schweigen gebracht werden: In Istanbul wurden am Montagmorgen der Chefredakteur der Zeitung „Cumhuriyet“, Murat Sabuncu, und weitere Redaktionsmitglieder festgenommen, unter ihnen der prominente Kolumnist Aydin Engin.

Ihre Wohnungen wurden durchsucht. Nach den Bestimmungen des Ausnahmezustandes, der nach dem Putschversuch vom 15. Juli verhängt wurde, dürfen die Festgenommenen fünf Tage lang völlig isoliert werden. Ihnen ist auch kein Kontakt zu Anwälten gestattet.

In einer am Montagmorgen herausgegebenen Mitteilung der Staatsanwaltschaft Istanbul hieß es, den Journalisten würden „Verbrechen im Auftrag der Fethullah-Terror-Organisation“ (Fetö) und der kurdischen Arbeiterpartei PKK vorgeworfen. Fetö ist die regierungsübliche Bezeichnung für die Bewegung des in den USA lebenden Exil-Predigers Fethullah Gülen. Staatschef Recep Tayyip Erdogan macht seinen früheren Verbündeten und heutigen Widersacher Fethullah Gülen, der in den USA im Exil lebt, für den Putschversuch vom 15. Juli verantwortlich. Die Gülen-Bewegung wird von der türkischen Regierung als Terrororganisation eingestuft.

Vorstandschef ist im Ausland

Die Staatsanwaltschaft habe die Festnahme von 14 Mitarbeitern der Zeitung angeordnet, berichtete „Cumhuriyet“. Zwölf von ihnen wurden bereits am Montagmorgen festgenommen. Unter den Gesuchten ist auch der Vorstandsvorsitzende Akin Atalay, der sich zurzeit im Ausland aufhält. Ebenfalls gesucht wurde Musa Kart, einer der bekanntesten Karikaturisten der Türkei. Gegen ihn hatte Erdogan in den vergangenen Jahren mehrfach Strafanträge wegen Zeichnungen gestellt, durch die er sich beleidigt fühlte. Die Polizei durchsuchte in Istanbul Karts Wohnung.

Auch der frühere Chefredakteur des Blattes, Can Dündar, wurde zur Fahndung ausgeschrieben. Dündar wurde im Mai in erster Instanz zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt, weil er Dokumente über Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an syrische Dschihadisten veröffentlicht hatte. Erdogan persönlich hatte Strafantrag gestellt und angekündigt, der Journalist werde „einen hohen Preis bezahlen“. Dündar ging in die Revision und setzte sich nach Deutschland ab. Erst vergangene Woche hatte er vor dem Europaparlament die EU-Staaten aufgerufen, zur Verfolgung von Journalisten und Oppositionellen nicht länger zu schweigen.

Die älteste Zeitung der Türkei

Unter den am Montag Festgenommenen ist auch einer seiner Anwälte, Bülent Utku. Er sitzt im Vorstand der Stiftung, der die Zeitung „Cumhuriyet“ gehört. Die linksgerichtete „Cumhuriyet“ ist die älteste Zeitung der Türkei. Das 1924 gegründete Blatt wurde im September 2016 mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. „Cumhuriyet“ beweise, „dass die Stimme der Demokratie nicht zum Schweigen gebracht werden kann“, hieß es zur Begründung – eine Einschätzung, die sich nun als frommer Wunsch herausstellen könnte. Mit den Festnahmen bei „Cumhuriyet“ setzen die türkischen Behörden die Gleichschaltung der Medien fort.

Erst am Wochenende hatte Erdogan per Dekret 15 überwiegend pro-kurdischen Medien verbieten lassen. Anfang Oktober waren 23 Radio- und Fernsehsender unter dem Vorwurf der „Terror-Propaganda“ geschlossen worden. Insgesamt wurden seit dem Putschversuch bereits fast 170 regierungskritische Medien verboten.