Die Aussagen von Jan Böhmermann beschäftigen auch die Türken in Stuttgart. Foto: AFP, dpa

Die Debatte um die Schmähsatire von Jan Böhmermann gegen den türkischen Präsidenten Erdogan wühlt auch die türkische Community in der Region auf. Viele kritisieren den Fernsehmacher und betrachten den Auftritt als unzulässige Beleidigung Erdogans.

Stuttgart - Im Salon von Tanribuyurdu Ruhi geht es heiter zu. Bei dem „Frisör für Herren“ direkt an der Feuerbacher Ditib-Moschee wird dem Gast ein Glas Tee zur Begrüßung angeboten, dazu gibt’s ein Späßchen eines Kunden: „Woher kommen Sie?“, fragt Musa Kalayci, grinst und fügt hinzu. „Aber wir kommen mit Ausländern klar.“

Der Name Jan Böhmermann sagt den Anwesenden zwar etwas, aber sonderlich aufgeregt wirken die drei Herren nicht über den Streit wegen der Schmäh-Satire gegen den türkischen Präsidenten mähkritik. Selbst im türkischen Fernsehen sei das nicht das große Thema, erzählt Musa Kalayci. „So was passiert mit Erdogan ja öfter, wir sind das gewöhnt.“

Troudi Bechir : Das bringt Angela Merkel in eine schwierige Lage

Was nicht heißt, dass der 52-jährige aus Feuerbach Böhmermanns Auftritt akzeptiert. Diskutieren und Politiker kritisieren, das sei ja alles in Ordnung, aber persönlich beleidigen, das gehe nicht. Deshalb sei es richtig, findet Musa Kalayci, dass Erdogan die Sache vor Gericht bringen will. „Pressefreiheit ist gut“, meint vom Friseurstuhl aus auch Troudi Bechir aus Zuffenhausen. „Aber man sollte es nicht übertreiben, es gibt Grenzen.“ Den 66 Jahre alten Tunesier ärgert noch etwas an der Sache: „Das Ganze bringt Angela Merkel in eine schwierige Lage. Es gibt auch Grenzen.“

So ähnlich sehen es viele an der Mauserstraße. Um die Mittagszeit ist viel los in „Kleinistanbul“ rund um Stuttgarts größte Moschee. Akif Y. ist verärgert. Der 26-Jährige aus Feuerbach, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, würde Böhmermann, so er ihn träfe, „ins Gesicht spucken“ wegen der Schmähung des türkischen Präsidenten. Er fragt: „Wie würden Sie reagieren, wenn ich hier rumlaufen und Angela Merkel eine Schlampe nennen würde?“ Akif Y. fühlt sich durch den Fernsehbeitrag „auch beleidigt“.

Aussagen sind unverschämt

Nicht wenige hier sorgen sich um das Miteinander in der Gesellschaft. „Ich finde das unverschämt“, sagt Ünaldi Nussat über die Satire Böhmermanns. „Das wäre auch so, wenn es Merkel oder Gauck getroffen hätte“, betont der 53-Jährige aus Renningen, der seit 36 Jahren hier lebt und einen deutschen Pass hat. Sein Kollege Muamas Altun aus Sindelfingen, sagt, es dürfe wegen solcher Konflikte keine Trennung zwischen den Menschen geben. „Wir wollen hier weiter friedlich zusammenleben.“

Enis Kaplan hat den Eindruck, dass selbst die Erdogan-Kritiker unter den Deutschtürken in diesem Fall zu einem guten Teil auf der Seite des Präsidenten stehen. Der 26 Jahre alte IT-Systemkaufmann aus Heilbronn hat dafür Verständnis. Nach der ersten Satire im NDR habe er die Reaktion des Präsidenten noch „lächerlich“ gefunden, aber Böhmermann habe es „übertrieben“. Angesichts der Stimmung ist Kaplan froh über die Reaktion von Angela Merkel, welche das Ganze etwas entspanne.

Kerim Arpad, der Geschäftsführer des Deutsch-Türkischen Forums in Stuttgart, hält den ganzen Vorgang für „gekünstelt und völlig unnötig“. Der Beitrag Böhmermanns sei beleidigend gewesen, sagt Arpad, Erdogans Reaktion aber übertrieben. Die Sache führe zuletzt nur zu einer noch tieferen Spaltung von Gegnern und Anhängern Erdogans in der türkischen Community und spiele den Rechtspopulisten in die Hände. Arpad: „Die können die Türken mal wieder an den Pranger stellen und als Feindbild aufbauen.“