Marco Grüttner lebt aktuell seinen Traum – und ist sich dessen auch voll und ganz bewusst. Foto: dpa

Marco Grüttner spielt mit dem SSV Jahn Regensburg das erste Jahr in der 2. Bundesliga – und genießt jeden Moment.

Erdmannhausen - Der 32-jährige Stürmer hat das Fußballspielen beim GSV Erdmannhausen begonnen. In der Jugend wechselte er zum SGV Freiberg, später trug er als Aktiver unter anderem die Trikots der SG Sonnenhof Großaspach, des TSV Schwieberdingen, erneut des SGV Freiberg, des SSV Ulm, des VfR Aalen, der Stuttgarter Kickers und des VfB Stuttgart II. In der Saison 2016/2017 führte der Weg des Erdmannhäusers dann zum SSV Jahn Regensburg, mit dem er vergangene Saison in die 2. Bundesliga aufstieg. Wie es dort für ihn läuft, wie es weitergehen soll und über eine Rückkehr ins Ländle spricht er im Interview.

 
Für Dich ist es aktuell das erste Zweitliga-Jahr Deiner Karriere. Wie lautet denn Dein Fazit nach der Hinrunde?
Es fällt sehr positiv aus. Wir haben bislang 25 Punkte geholt. Es hätte zwar der ein oder andere Punkt mehr sein können, weil am Anfang der Saison die Ergebnisse noch nicht gestimmt haben, aber die letzten sieben Spiele haben wir ja sehr erfolgreich gestaltet. Deshalb stehen wir aktuell ganz gut da.
Habt Ihr Euch erst in der Liga akklimatisieren müssen nach dem Aufstieg?
Das würde ich so nicht sagen. Wir sind eigentlich immer gleich drin gewesen in den Spielen und haben auch gute Leistungen gebracht, aber das Ergebnis hat zunächst oft nicht gestimmt. Der Gegner war da manchmal einfach noch ein bisschen abgezockter oder ein bisschen erfahrener und hat zum richtigen Zeitpunkt die Tore gemacht. So sind wir dann häufig mit leeren Händen dagestanden. In der zweiten Hälfte der Hinrunde sind dann auch die Ergebnisse gekommen, damit ist auch das Selbstbewusstsein der Mannschaft gewachsen und so haben wir noch viele Punkte sammeln können.
Aktuell steht Platz acht – damit kann man absolut zufrieden sein, oder?
Auf jeden Fall. Aber man darf sich davon nicht blenden lassen, der Tabellenplatz ist eine Momentaufnahme, die noch nicht viel aussagt. Es sind ganz wenige Punkte nach unten, und ich habe schon oft gesagt: Würzburg hatte vergangene Saison zum gleichen Zeitpunkt 27 Punkte und ist dann noch abgestiegen. Wir wissen deshalb schon, dass da noch ein hartes Stück Arbeit auf uns wartet. Klar, wir freuen uns über die Punkte, aber ausruhen können wir uns noch lange nicht.
Was habt Ihr Euch für die Rückrunde vorgenommen?
Wir wollen an die vergangenen Wochen anknüpfen und so schnell wie möglich die 15 Punkte holen, die wir brauchen, um auf die 40 zu kommen, die dieses Jahr wahrscheinlich für den Klassenerhalt reichen. Das ist unser ganz großes Ziel.
Wie fällt Dein persönliches Fazit im Deinem ersten Zweitliga-Jahr aus? Was hast Du für Eindrücke gesammelt? Ist es härter?
Härter geht es in der 2. Liga nicht zu, aber das Spiel ist laufintensiver. Gefühlt ist der Ball viel weniger im Aus, es geht immer hin und her. Zudem zeichnet die Liga die hohe, individuelle Qualität und die Erfahrung, die die Spieler mitbringen, aus. Es gibt in den Teams ganz viele ehemalige Bundesliga-Profis, auch aktuelle Nationalspieler. Gegen diese Konkurrenz muss man Woche für Woche bestehen. Man kann sich eigentlich nie ausruhen, und muss immer an sein Limit gehen. Tut man das nicht, hat man keine Chance. Das ist schon sehr anstrengend, aber ich bin wirklich zufrieden mit Hinrundemeinem ersten Halbjahr in der 2. Liga. Ein, zwei Tore mehr wären natürlich schön gewesen– als Stürmer will man ja immer so viele Tore wie möglich schießen –, aber die Ausbeute ist gut. Ich bin froh, jede Woche auflaufen zu können.
Was war Dein Highlight diese Saison? Waren es die beiden Pokalabende oder ein besonderes Liga-Spiel?
Das Highlight 2017 ist natürlich der Aufstieg gewesen – mit den Relegationsspielen gegen 1860 München. Gerade das Rückspiel in der Allianz Arena in München vor 60 000 Zuschauern war klasse. In der 2. Liga war der erste Spieltag ein ganz großes Highlight für mich. Der Moment, als ich im Kabinengang in Bielefeld gestanden bin und darauf gewartet habe, mein erstes Zweitliga-Spiel zu machen.
Da hattest Du Gänsehaut-Feeling?
Absolut. Darauf habe ich mich schon lange gefreut, und dann war es endlich so weit. Seitdem jagt wirklich ein Highlight das andere. Man kann eigentlich jede Woche und bei jedem Zweitliga-Spiel von einem Highlight sprechen. Auch unser Aus im DFB-Pokal war ein ganz besonderer Gänsehaut-Moment, denn unsere Fans standen trotz der deutlichen 2:5-Niederlage gegen Heidenheim hinter uns und haben uns nach dem Spiel besungen und uns Mut zugesprochen. Da dachte man eigentlich, jetzt pfeifen sie uns aus, doch das haben sie nicht gemacht. Alles in allem gibt es ganz viele besondere Momente. Auf St. Pauli am Millerntor zu spielen, ist zum Beispiel ein Traum von jedem Fußballer.
Das heißt: Du lebst gerade Deinen Traum vom Fußball so richtig und genießt es in vollen Zügen?
Und wie. Ich sage immer wieder: Wenn mir das jemand vor ein paar Jahren gesagt hätte, dem hätte ich den Vogel gezeigt. Als ich in der Verbands- und Oberliga gespielt habe, hätte ich nie gedacht, dass ich mal in der 2. Liga spiele gegen solche Mannschaften und solche Spieler. Das ist schon ein Traum und macht einfach nur Spaß. Ich habe in jedem Pflichtspiel über 90 Minuten auf dem Platz gestanden. Das freut mich natürlich sehr.
Wie kam denn diese Entwicklung bei Dir? Es ging ja stetig nach oben . . .
Ich habe einfach nie aufgegeben. Ich habe immer wieder einen Schritt nach vorne gemacht, auch wenn es dann mal wieder einen Schritt zurück ging – ob durch eine Verletzung oder beispielsweise durch den Abstieg mit dem VfB Stuttgart II. Ich habe mich von Rückschlägen nie entmutigen lassen. Das wurde mit dem Wechsel nach Regensburg und dem Aufstieg in die 2. Bundesliga belohnt. Ein Highlight, das nicht viele in ihrer Karriere erleben dürfen. Ich denke, mein großes Plus ist, dass ich immer an den Aufgaben wachse. Ich versuche, stets das Bestmögliche aus mir herauszuholen, und das gelingt mir aktuell Jahr für Jahr. So habe ich es dahin geschafft, wo ich jetzt bin. Natürlich gehört da auch ganz viel Glück dazu, dass man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Vielleicht war da auch der Abstieg mit dem VfB Stuttgart richtig. Wären wir nicht abgestiegen, wäre ich nicht nach Regensburg gekommen und würde jetzt auch nicht in der 2. Liga spielen. Das sind die Momente, in denen man wohl einfach mal das Quäntchen Glück hat, das man sich durch jahrelange Arbeit verdient hat. Deshalb bin ich stolz darauf, das geschafft zu haben. Ich komme ja auch nicht aus einem Nachwuchs-Leistungszentrum, sondern habe einen längeren Umweg genommen.
Jetzt bist Du 32 Jahre alt – schaffst Du es noch hoch in die 1. Bundesliga?
(lacht) Das werde ich oft gefragt. Natürlich wäre das ein weiteres Highlight, das ist aber genauso weit weg wie es damals in der Verbandsliga die 2. Bundesliga war. Ich kann es mir ehrlich gesagt nicht vorstellen – man soll ja realistisch und bodenständig bleiben. Wenn mit dem, was ich jetzt erreicht habe, Schluss wäre, wäre das schon ein Traum.
Du bist aktuell mit sechs Toren und zehn Scorerpunkten der Top-Stürmer in Regensburg. Hättest Du Dir diese Rolle nach dem Aufstieg sofort wieder zugetraut?
Wie gesagt, man wächst immer an seinen Aufgaben, und wenn man das Vertrauen vom Trainer bekommt, spielt man als Fußballer ganz befreit auf. Zudem hängt es natürlich auch mit der Mannschaft zusammen. Wir kennen uns schon lange, spielen schon eine Weile zusammen. Da sind die Abläufe bekannt. Am Anfang hatte ich fünf, sechs Spiele, in denen ich nicht getroffen habe. Es war deshalb natürlich umso schöner, als dann der erste Treffer gefallen ist. Das war wie ein Knotenlöser, der Rest ist fast von alleine gekommen.
Du kommst hier aus der Region, aus Erdmannhausen. Verfolgst du das Geschehen Deiner Ex-Clubs noch?
Immer. Ich habe meine Apps auf dem Handy, in denen ist von der Kreisliga bis hoch zur Bundesliga alles vertreten. Ich schaue mir da immer die Tabellen an und verfolge meine ehemaligen Vereine. Meine Kumpels spielen ja auch noch – egal ob das in der Kreisliga oder in der Oberliga ist. Nach jedem Wochenende, jedem Spiel, schaue ich mir die Ergebnisse an und freue mich, wenn es positiv läuft für sie.
Wenn Du einen Wunsch fürs neue Jahr frei hättest, was würdest Du Dir wünschen?
Für mich persönlich: Dass meine Familie und ich gesund bleiben. Das ist immer noch das Wichtigste, das steht über allem und da kommt auch der Fußball nicht dran. Sportlich würde ich mir wünschen, dass es so gut weiterläuft und dass ich verletzungsfrei bleibe. Für den Verein hoffe ich, dass er den Weg weitergehen kann, den er momentan geht, und dass wir als Mannschaft weiter so erfolgreich sind wie aktuell. Es wäre enorm wichtig, dass wir in der 2. Liga bleiben und uns da etablieren. Toll wäre es, wenn wir so schöne Momente, wie wir sie 2017 erlebt haben, auch im Jahr 2018 erleben dürften. Daran arbeiten wir tagtäglich.
Das heißt: Auch nach einem halben Jahr Hinrunde ist die 2. Bundesliga für dich noch keine Routine?
Nein, auf gar keinen Fall. Das war in der Oberliga, in der 3. Liga und ist jetzt in der 2. Bundesliga so. Wenn ich mein Trikot anziehen darf, dann vor dem Spiel im Kabinentrakt stehe und schließlich rauslaufen darf aufs Spielfeld, da bekomme ich jedes Mal Gänsehaut. Ich freue mich von Spieltag zu Spieltag unheimlich darauf, das Trikot tragen zu dürfen. Das ist null komma null Routine. Es macht einfach nur Spaß.
Wie lange habt Ihr jetzt Pause?
Wir starten am 3. Januar wieder, haben also bis zum 2. Januar frei. Wobei wir nie so ganz frei haben. Wir mussten bereits die ersten Läufe machen. Dafür haben wir Uhren und einen Laufplan, mit dem wir auch über die Feiertage an den Grundlagen arbeiten. Klar: Heiligabend, den ersten und zweiten Weihnachtsfeiertag sowie Silvester haben wir komplett frei. Das war es dann aber auch. Wir hatten jetzt nach der Hinrunde genau einen Tag komplett Pause, dann mussten wir schon wieder den ersten Lauf machen. Da es einfach eine enorm kurze Vorbereitung ist – wir spielen ja am 23. Januar schon wieder in Nürnberg – kann man jetzt nicht einfach zwei Wochen lang die Füße hochlegen.
Das ist das Los des Fußballers sagen da viele. Dem gegenüber stehen ja andere Privilegien. Wie schwer wiegt jedoch der Verzicht? Auf Urlaub oder freie Tage wie sie ein gewöhnlicher Arbeitnehmer hat?
Ich sag das immer wieder: Wir haben den schönsten Job, den es gibt. Wir trainieren effektiv ja auch nicht den ganzen Tag, sondern „nur“ ein bis zwei Stunden, plus Trainingsvorbereitung, Behandlungen und so weiter. Da bleibt schon mehr Zeit als bei vielen „normalen“ Arbeitnehmern. Aber man darf nie vergessen: Wir haben keine Wochenenden frei, wir können nicht einfach sagen, wir nehmen jetzt zwei Wochen Urlaub. Ich kann nicht kommen, wenn eine Hochzeit ist: ‚Ja, da nehme ich mir mal frei und gehe zu der Hochzeit.’ Das sind einfach so Dinge. Bei Geburtstagen das selbe. Wenn man Glück hat klappt es irgendwie, wenn man Pech hat eben nicht. Im Sommer und im Winter haben wir ein kleines Zeitfenster, doch in dem muss der Partner natürlich mitspielen. Meine Frau ist Lehrerin, gerade in Elternzeit. Als sie noch gearbeitet hat, hatten wir nur einen begrenzten Zeitraum, in dem wir in Urlaub gehen konnten – und zwar wenn Ferien waren. Wenn ihre Ferien und meine freien Tage nicht aufeinander getroffen sind, dann war Urlaub halt auch nicht drin. Klar, das sehen viele Leute nicht. Sie sehen nur das Schöne – man bekommt viel Aufmerksamkeit in der Presse und im Fernsehen, oft positiv –, das ist schon schön, da stimme ich auch zu. Aber man muss als Fußballer schon auch auf sehr, sehr viel verzichten. Aber ich will micht nicht beschweren. Wie gesagt, ich genieße jeden Tag.
Deine Familie wohnt ja noch hier, oder? Wie oft siehst Du sie?
Ja, meine Familie wohnt in Erdmannhausen, die meiner Frau in Kornwestheim. Ich sehe sie nicht so oft, auch wenn meine Eltern immer zu den Heimspielen nach Regensburg fahren und ich meinen Hauptwohnsitz nach wie vor hier in Remseck habe. Meine Frau und ich pendeln so gut es geht. Aber klar: Am Wochenende, wenn der normale Arbeitnehmer von Freitagmittag bis Sonntagabend frei hat, habe ich nicht frei. Jedes zweite Wochenende bin ich von Freitag bis Sonntag sogar komplett weg, weil wir auswärts spielen.
Umso entspannter ist es jetzt trotzdem, ein paar Tage frei zu haben, oder nicht?
Ja. Weihnachten haben wir mit der ganzen Familie in Remseck gefeiert.
Du bist jetzt 32 Jahre – wie lange kannst Du Dir noch vorstellen, auf diesem Niveau wie jetzt zu spielen?
Ich habe noch bis zum Sommer 2019 Vertrag. Was dann kommt, wird sich zeigen. Aber wir werden auf jeden Fall wieder hierher zurück kommen, das steht außer Frage.
Das heißt irgendwann dürfen wir Dich hier wieder in einem Verein begrüßen?
Auf jeden Fall.