Mit neu entwickelter Technik können aller Wahrscheinlichkeit nach die letzten vier Bohrlöcher saniert werden. In sechs Wochen soll die Arbeit beginnen. Foto: factum/Granville

Bei der Sanierung von fehlerhaften Erdwärmebohrungen hat das Unternehmen offenkundig gegen Vorschriften verstoßen. Mit einen neu entwickelten Verfahren sollen die Erdhebungen endgültig gestoppt werden.

Böblingen - Pikanterweise hat die Bohrfirma Gungl die Probleme bei der Sanierung der letzten Bohrlöcher selbst verursacht. Die Arbeiten mussten wegen des breiartigen Minerals Thaumasit gestoppt werden. Das Material „ist ein Zerfallsprodukt des ursprünglich verwendeten Zements“, sagt Peter Branscheid vom Geotechnik-Büro Vees und Partner. Das Büro arbeitet mit dem Fachunternehmen Keller an der Sanierung der Bohrlöcher, die in Böblingen umfangreiche Erdhebungen verursacht haben. Der Zement, der die Erdwärmeleitungen umhüllt, ist von Sulfat zerfressen worden. Diese Zersetzung war offenkundig absehbar. Laut dem stellvertretenden Landrat Martin Wuttke war die Verwendung sulfatbeständigen Zements vorgeschrieben, und „in den Bohrprotokollen steht sulfatbeständig“, sagt Branscheid, „aber Papier ist geduldig“.

17 Bohrungen der längst insolventen Firma Gungl haben die Erdhebungen verursacht und damit einhergehend Schäden an 200 Häusern. 13 Bohrlöcher haben die Sanierer mühelos abgedichtet. Die Arbeit an den letzten vier stoppte das Thaumasit. Schadhafte Bohrungen werden mit Zement verfüllt. Die herkömmliche Methode dafür war für jene Bohrlöcher untauglich, weil das breiartige Mineral vor dem Zement zurückweicht. Es muss entfernt werden, damit die Abdichtung gelingt.

Die Sanierung der letzten Problembohrungen kann beginnen

Ungeachtet dessen kann die Sanierung der Problembohrungen beginnen, jedenfalls aller Wahrscheinlichkeit nach. Denn das Verfahren dafür ist in der Praxis noch unerprobt. Anderthalb Jahre lang hat Keller an der neuen Technik getüftelt und sie zuletzt unter wirklichkeitsnahen Bedingungen in einem Bergwerk erprobt.

In den Gebieten, in denen erfolgreich saniert wurde, haben die Hebungen sich abrupt verlangsamt. Dies belegen Satellitenmessungen. Im Norden des Gebietes sank das Maß von 55 auf sieben Millimeter pro Jahr, im Süden von 35 auf vier Millimeter – mit Ausnahme der Grundstücke, an denen die vier Problembohrungen niedergebracht wurden. Dort hebt der Boden sich unverändert um 40 Millimeter jährlich.

Im Grunde ist die neu entwickelte Technik schlicht. Die Erdwärmeleitungen werden mit einem Spezialmesser aufgeschnitten. Ein zweites Werkzeug spreizt die Schnitte, so dass das Thaumasit in den Hohlraum fließt. Mit Druckluft wird das Material dann an die Erdoberfläche gepresst. Allerdings ist das Verfahren nicht ohne Risiko. Unter zu hohem Druck können die Rohre bersten. Gearbeitet werden soll mit der Hälfte dessen, was gemäß der vorbereitenden Versuche als sicher gilt.

Wann die Häuser repariert werden können, ist nicht vorhersehbar

In sechs Wochen sollen die Arbeiten beginnen. Für die Hauseigentümer ist dies zwar ein Signal der Hoffnung, aber noch nicht das Ende der seit zehn Jahren währenden Geschichte der Erdhebungen. Dies gilt auch für bereits sanierte Gebiete. Erst wenn die Hebungen vollständig zum Stillstand gekommen sind, können die Häuser repariert werden. Dieser Zeitpunkt ist laut Eva de Haas, der Leiterin des Wasserwirtschaftsamts, nicht vorhersehbar.

„Die Hauseigentümer sind die Gelackmeierten“, sagt der Landrat Roland Bernhard. „Es muss ein ätzendes Gefühl sein, nicht zu wissen, wie es weitergeht.“ Dieser Satz ist auch an die Allianz adressiert, die ihre Haftung auf zwölf Millionen Euro beschränken will. Der Versicherer fasst zwei Bohrungen im Norden genauso zu einem Schaden zusammen wie 15 im Süden. „Diese Rechtsauffassung gilt es zu erschüttern“, sagt Bernhard. Laut Police muss die Allianz je Schadensfall sechs Millionen Euro zahlen. Die Gesamtsumme wird nicht ausreichen, um die Bauschäden zu beheben.

Das Landratsamt war schon vor dem Allianz-Vorschlag davon ausgegangen, dass der südliche Teil in mehrere Schadensgebiete zu unterteilen sei. Diese Auffassung scheint die Erkenntnis zu stützen, dass Gungl den mangelhaften Zement verfüllt hat. Gewissheit soll ein Gutachten des Landesamtes für Geologie ergeben.