In den USA (im Bild ein Bohrturm in Tunkhannock/Pennsylvania) ist Fracking eine weit verbreitete Methode. Foto: dpa/Jim Lo Scalzo

Deutschland sucht händeringend nach einer Lösung für die Gasknappheit. Ist die umstrittene Fracking-Methode eine Option? Nein, denn Geld und Aufwand wären anderswo sinnvoller investiert, meint Alexander Del Regno.

Es ist nicht lange her, da stritten Berlin und Washington heftig über die Pipeline Nord Stream 2, durch die Russland Erdgas nach Europa leiten wollte. Die USA und die Nato würden Deutschland vor Putin beschützen, und der Bundesregierung falle nichts Besseres ein, als sich von ihm abhängig zu machen, wetterte der damalige US-Präsident Donald Trump. Den USA gehe es nur darum, ihr eigenes Gas zu verkaufen, lautete der Gegenvorwurf aus Deutschland.

 

Keine drei Jahre nach diesem Schlagabtausch hat Russlands Überfall auf die Ukraine die weltpolitische Lage so stark erschüttert, dass ausgerechnet Trumps Ansichten und Forderungen Realität werden sollten: Nord Stream 2 ist nicht in Betrieb, die Abhängigkeit vom Kreml hat Europa in eine Energiekrise gestürzt, und Deutschland bezieht demnächst einen Teil seines Gases aus den USA – verflüssigtes Fracking-Gas.

In Deutschland ist Fracking seit 2017 verboten

Fracking – allein der Begriff verursacht hierzulande nicht nur bei Umweltschützern Magengrimmen. Bei der Methode wird ein Cocktail aus Wasser, Sand und Chemikalien teils Tausende Meter tief in die Erde gepresst, um im Schiefergestein eingeschlossenes Erdgas zutage zu fördern. Dabei könne einiges schiefgehen, monieren Kritiker: Es entweiche klimaschädliches Methan, es komme zu Erdbeben, es könnten krebserregende Chemikalien ins Grundwasser gelangen – und überhaupt müsse die giftige Fracking-Plörre aufwendig an der Oberfläche entsorgt werden, was nicht selten misslinge. In Deutschland waren das Gründe genug, das Verfahren im Jahr 2017 zu verbieten. Befürworter verweisen indes auf technische Neuerungen, die die Probleme minimierten. Auch ein deutsches Expertengremium hat nachgewiesen: Die Risiken sind beherrschbar.

Deutschland könnte mit Schiefergas zehn Prozent seines Bedarfs decken

Sollte Deutschland also seine Schiefergasvorkommen mithilfe von Fracking nutzen? Damit könnte ein Beitrag zu mehr Importunabhängigkeit geleistet werden – schließlich könnte Deutschland laut der Förderbranche so zehn Prozent seines Bedarfs decken. Doch egal, wie man die Risiken einschätzt: Die dringend benötigte Alternative stellt auch Fracking nicht dar. Der Aufwand ist schlichtweg zu groß.

Eine ganze Industrie müsste komplett neu aufgebaut werden. Bis zu vier Jahre dürften vergehen, bis erstmals Gas gefördert werden kann, und noch mehr als doppelt so lang, bis es sich um wirklich nennenswerte Mengen handelt. Hinzu kommt: Das Gas strömt nur relativ kurz aus dem Boden. Während in den amerikanischen Weiten nach Wildwestmanier Tausende Bohrlöcher hintereinander weg in die Tiefe gejagt werden können, ist dies im dicht besiedelten Deutschland nicht möglich – es müsste von einer Stelle aus seitlich gebohrt werden, um das jeweilige Gebiet auf einer sich lohnenden Fläche zu nutzen. Das erfordert viele aufwendige Probebohrungen.

Fracking-Gas nur, wenn es nicht aus Deutschland kommt?

Dennoch sollten Fragen nach den kleineren Übeln erlaubt sein. Wäre Erdgas aus der Nordsee nahe dem Nationalpark Wattenmeer das bessere Rezept? Ist Flüssiggas aus Katar mit seiner zweifelhaften Menschenrechtslage vertretbarer? Und auch die Frage, warum wir bereit sind, unsere Wohnungen mit Fracking-Gas zu wärmen, solange es nur weit genug weg gefördert wird, müssen wir uns gefallen lassen.

Für unsere Energieversorgung gibt es keine Rundum-sorglos-Lösung. Fakt ist: Der Bund hat sich gesetzlich dazu verpflichtet, bis 2045 klimaneutral zu sein. Bis dahin soll fossiles Erdgas durch grünen Wasserstoff ersetzt werden. Auf dieses Ziel sollte Deutschland nun seinen Blick richten. Aufwand und Geld wären darin jedenfalls besser investiert als in den Aufbau einer Fracking-Industrie.