Anderer Kraftstoff, andere Betankung: Fahrer von Erdgasautos schätzen das sehr. Foto: Jan Reich

Die Erdgaslobby schmollt und hält der Stadt Stuttgart glatte Falschinformation vor. Das Umweltbundesamt staunt zumindest. Anlass ist ein Text, mit dem die Stadt aus Anlass des Feinstaubalarms über Gasautos informiert. Erdgas-Pkw kommen darin zu schlecht weg.

Stuttgart - Max S. (Name von der Redaktion geändert) hat sich ein Erdgasauto gekauft. Jetzt fragt er sich, ob er damit völlig falsch gelegen ist. Denn Max S. hat auf der städtischen Internetseite zum Stuttgarter Feinstaubalarm das Kapitel „Wie umweltfreundlich sind Gasautos?“ gelesen.

Da steht, dass Fahrzeuge im Erdgasbetrieb zwar deutlich weniger Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) ausstoßen als Benziner und Diesel, aber deutlich mehr Methan. Das schwäche den für den Klimaschutz positiven Effekt beim CO2 wieder ab.

Staunen in Dessau

Was die krankmachenden Luftschadstoffe angeht, die mit dem Feinstaubalarm bekämpft werden sollen, findet die Stadt noch ungünstigere Beurteilungen. Die Belastung mit Stickstoffdioxid (NO2) und Feinstaub, die von Erdgasautos ausgehe, sei ähnlich hoch wie beim Benziner. Im Vergleich zu Dieseln hätten Erdgasfahrzeuge ähnlich hohe Stickoxid- und etwas höhere Feinstaubwerte, heißt es auf der Internetseite – mit dem Hinweis, dass man hier nur die momentan modernsten Pkw der Euro-6-Norm verglichen habe.

Da staunt nun der Experte und der Laie wundert sich. Denn immerhin hat Berlin noch 2013 die Forcierung der Erdgasmobilität im Luftreinhalteplan der Umweltzone verankert. Der Experte Lars Mönch vom Umweltbundesamt in Dessau findet diese Sätze zwar nicht grundlegend falsch, allerdings „wenig differenziert“. Als ob der Text eines Fachmanns von einer Kommunikationsabteilung überarbeitet worden sei.

Geringerer Ausstoß von Kohlendioxid

Auch er wundere sich, sagt Mönch. Er würde den Sachverhalt eher anders herum formulieren. Ab Werk ausgerüstete Erdgasautos und Benzinfahrzeuge seien vergleichbar, nämlich „relativ gut“, und sie seien das kleinere Übel auf den Straßen. Richtig müsse es heißen, dass das Erdgasauto deutlich weniger CO2 ausstoße als ein Benziner und rund 20 Prozent weniger als ein Diesel.

Zwar meint auch Mönch, dass Methan im Erdgas vom Motor nicht komplett verbrannt wird und ein bisschen was aus dem Auspuff komme. Das sei misslich, weil Methan 25-mal so klimarelevant sei wie CO2, doch die Vorteile des Erdgasmobils würden bei den Mengen von Methan, um die es hier gehe, nur in geringem Maß abgeschwächt.

Umweltbundesamt: Erdgasmobile können eine gute Wahl sein

Unbestritten ist, dass Erdgasfahrzeuge zwar von Reifen und Bremsen Partikel in die Luft abgeben, aber aus der Erdgasverbrennung so gut wie gar nicht. Das heiße, dass Erdgasfahrzeuge im Grunde im Vergleich zu Benzinern zu empfehlen sind, meint Mönch. Vor allem dann, wenn die Motoren, die ja auch im Benzinbetrieb laufen können, nicht mit Direkteinspritzung funktionieren. Denn was sich die Autohersteller zur Verringerung von Verbrauch und Stickoxiden sowie zur Steigerung der Leistung einfallen ließen, bescherte in den letzten Jahren sogar den vermeintlich modernsten Euro-6-Benzinern ein Feinstaubproblem. „Erdgasfahrzeuge ohne Direkteinspritzung sind für die Umwelt eine gute Wahl“, meint Mönch.

Timm Kehler, Vorstand beim Verein Zukunft Erdgas in Berlin und damit ein führender Mann der Erdgaslobby, geht mit der Stadt heftiger ins Gericht. Er nennt ihren Text „schlichtweg falsch“, irreführend und für die Käufer von Erdgasfahrzeugen auch ärgerlich. Denn Erdgas sei eine der spannendsten Lösungen für das Stickoxidproblem. Außerdem setze das Erdgasauto aus der Gasverbrennung praktisch keinen Feinstaub frei.

Erdgaslobby protestiert

Dieselfahrzeuge hätten zwar aufgeholt, sagt Kehler im Blick auf die Euro-6-Norm und die Senkung des NO2-Ausstoßes durch Einspritzung von Harnsäure in den Dieselmotor. Aber wegen des geringen Kohlenstoff- und hohen Wasserstoffanteils im Erdgas seien die Erdgasmobile im Vorteil. Ihren Methanausstoß hält Kehler für vernachlässigbar. Weil im gehandelten Erdgas heute meist 20 Prozent erzeugtes Biomethan enthalten sei, hätten sie beim CO2 deutliche Vorteile. Beim NO2 schätzt Kehler den Vorteil auf 87 Prozent gegenüber dem Benziner und 90 Prozent gegenüber dem Diesel. Bei Tests des Automobilclubs ADAC und von Umweltverbänden habe ein Audi A3 mit Erdgasausrüstung Elektroautos überholt.

Lars Mönch würde, wenn es um einen neuen Dienstwagen für den überwiegenden innerstädtischen Einsatz geht, trotzdem ein Hybridfahrzeug für Elektro- und konventionellen Betrieb oder ein Elektrofahrzeug zum Anschluss an die Steckdose als sinnhafteste Lösung vorschlagen. Und da ist er sich wohl ziemlich einig mit der Stadtverwaltung und OB Fritz Kuhn (Grüne), die sich sehr für Elektroantrieb einsetzen.

Nur kleines Zugeständnis der Stadt

Der Gasauto-Fahrer Max S. aber versteht die Stadt nicht: Jahrelang habe sie die Erdgasmobilität ignoriert, jetzt rede sie sich auch noch schlecht. Die Stadtverwaltung aber verteidigt die Darstellung gegen die Kritik. Allerdings, erklärte sie, werde man der Vollständigkeit halber einen Vergleich von Gasautos und Pkw der Euro-5-Norm ermöglichen. Dort sind die relativ neuen Dieselfahrzeuge enthalten, die das Land und die Stadt gern aus dem Verkehr ziehen würden. Und mit denen will die Stadt die Erdgasautos dann doch nicht auf eine Stufe setzen.