Eine Protestkundgebung gegen Fracking in Hannover im Jahr 2016. Foto: dpa/Sebastian Gollnow

In einer Kehrtwende hat Großbritannien nun die Erdgas-Förderung mit der ökologisch umstrittenen Methode wieder erlaubt. Wäre Fracking auch hierzulande eine Lösung?

Erdgas gibt es auch in Deutschland. Immerhin 5,2 Milliarden Kubikmeter sind im vergangenen Jahr aus heimischen Quellen gefördert worden, davon 97 Prozent in Niedersachsen. Doch auch wenn die Zahl imposant klingt, so sind dies doch nur etwas mehr als fünf Prozent des Bedarfs. Aber rein technologisch wäre das Potenzial deutlich größer: Wenn man eine in den USA viel verwendete Fördermethode, das so genannte Fracking anwenden würde, dann wäre das Potenzial deutlich größer.

 

Hier wird mit großem Druck mit chemischen Mitteln versetztes Wasser in die unterirdischen Gesteinsschichten gepumpt, was auch das dort festsitzende, so genannte Schiefergas erschließbar macht.

Umstrittenes Potenzial

Die derzeit in Deutschland erreichbaren Vorkommen, die auf 32 Milliarden Kubikmeter geschätzt werden, würden sich damit vervielfachen. Der Bundesverband Erdgas, Erdöl und Geoenergie (BVEG) spricht von potenziell bis zu 2,3 Billionen Kubikmetern Gas aus Schiefergesteinen. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) ist allerdings zurückhaltender und sieht realistischerweise nur ein Potenzial von 800 Milliarden Kubikmetern – das wäre aber immerhin genug, um den deutschen Jahresverbrauch rechnerisch für knapp zehn Jahre zu decken.

Zum Vergleich: Mit großen Anstrengungen hat die Bundesregierung erreicht, dass in diesem Jahr 15 Milliarden Kubikmeter verflüssigtes Erdgas, das so genannte LNG, zusätzlich nach Deutschland importiert werden. Schon eine Verdreifachung der heimischen Förderung hätte also dieselbe Entlastungswirkung. Unter anderem Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat sich deshalb bereits dafür ausgesprochen, das Fracking in Deutschland zu erlauben, so wie das jetzt gerade die neue britische Regierung getan hat, die ein geltendes Fracking-Verbot aufgehoben hat.

Viele Gegenargumente

Dennoch gibt es viele Argumente, die gegen das Fracking sprechen, sodass nicht nur Deutschland, sondern auch Frankreich, Dänemark, Bulgarien oder der wichtige deutsche Erdgaslieferant Niederlande diese Fördermethode verboten haben. Die Förderung braucht erhebliche Wassermengen. Die dabei verwendeten Chemikalien bedrohen potenziell das Grundwasser und es können lokale Erdbeben ausgelöst werden.

In Großbritannien war das Fracking 2019 wegen solcher Beben eingestellt worden. Selbst konventionelle Förderung birgt hier übrigens Risiken. In den Niederlanden haben sich die Erdbeben in der Provinz Groningen in den vergangenen Jahren gehäuft. Eine geplante Verdoppelung der Förderung stößt hier deshalb auf Widerstand.

Keine kurzfristige Lösung

Was in dünn besiedelten Regionen der USA verantwortbar ist, schafft deshalb im dichter besiedelten Europa einige Probleme. Zudem ist es keine kurzfristige Lösung: Ob das Erdgas tatsächlich erschließbar ist, muss erst in Probebohrungen herausgefunden werden. Kurzfristig ist das Fracking also keine Lösung. Importe von Flüssiggas sind schneller zu steigern.

Hier profitiert Deutschland dann aber indirekt vom Fracking in anderen Ländern, weil hier sehr wahrscheinlich die USA zu einem großen Lieferanten aufsteigen werden. Langfristig stellt sich die Frage, ob Deutschland überhaupt weiter auf diesen fossilen Energieträger setzen soll, bei dem ja ebenfalls CO2 frei wird und der generell eher als Brücke betrachtet wird, bis klimaneutrale Technologien wie Windkraft oder Solarenergie genügend ausgebaut sind.

Förderunternehmen zögern

Die genannten, weit auseinanderliegenden Schätzungen von Industrie und der zuständigen Bundesbehörde über die deutschen Vorkommen, zeigen auch, mit welch hohen ökonomischen Unsicherheiten das Fracking in Deutschland behaftet ist. Die Förderung wäre nur bei einem dauerhaft hohen Gaspreis rentabel. Private Förderunternehmen dürften das Risiko ohne langfristig verlässliche staatliche Regulierung scheuen. Wenn es wirklich zu Problemen kommen sollte, befürchten sie nämlich eine mögliche rasche politische Kehrtwende.

Niedersachsen will nicht

Die politische Interessenlage ist dabei auch in Deutschland sehr unterschiedlich. In Regionen, wo heute Erdgas gefördert wird, hat man wenig Neigung, für die Energiesicherheit im Rest des Landes die Nebenwirkungen dieser Fördermethode in Kauf zu nehmen.

So reagierte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) im Sommer ungehalten auf den Vorschlag seines bayerischen Amtskollegen Markus Söder (CSU), das Fracking in Deutschland zu erlauben. Dieser schlug vor, die Nutzung von Fracking-Gas im Norden Deutschlands zu prüfen. „Lieber Markus Söder, wie wär‘s endlich mit Windkraft in Bayern?“, sagte Weil damals.