Eine Woche nach dem Erdbeben beseitigen Rettungskräfte und Helfer die Trümmer eines eingestürzten Gebäudes in Mexiko-Stadt (Mexiko). Foto:  

Das Beben vom 19. September, bei demmehr als 330 Menschen ums Leben gekommen sind, wirft ein grelles Licht auf die Korruption im Bausektor Mexikos.

Mexiko-Stadt - In der Avenida Nuevo León 238 im Herzen des Stadtteils Condesa in Mexikos Hauptstadt sind die Menschen mit dem Schrecken davon gekommen. Das neunstöckige Bürogebäude blieb beim verheerenden Beben vom 19. September stehen. Die Nachbarn des riesigen Baus aber hatten nicht so Glück. Das Bürogebäude geriet ins Schwanken wie ein Betrunkener und beschädigte die niedrigeren Häuser links und rechts neben sich schwer. Doch wäre es nach den Anwohnern gegangen, hätte das gar nicht passieren dürfen. „Seit Jahresbeginn haben wir die Baubehörde gedrängt, das Gebäude abzureißen, weil es ein Risiko für die Umgebung darstellt“, sagt Rafael Guarneros, Vorsitzender der Nachbarschaftsinitiative.

Guarneros ärgert sich vor allem über den Hubschrauberlandeplatz, der sich seit einiger Zeit auf dem Dach des Gebäudes befindet. Die tragenden Strukturen seien nicht für ein solches Ungetüm aus Stahl und Beton ausgelegt, sagt er. Der Architekt José Ávila Méndez, Sicherheitsexperte bei der Stadtregierung bestätigt: „Unter diesem Gewicht könnte das Gebäude schon ohne Beben zusammenbrechen.“

Der Fall des Heliports mitten in einem Wohn- und Büroviertel von Mexiko-Stadt ist nur einer von Hunderten, die in diesen Tagen nach dem schweren Erdbeben vom 19. September ans Licht kommen und die Wut der Bürger schüren. Fälle von massiver Verletzung der Bauvorschriften ermöglicht durch Korruption haben mit dazu beigetragen, dass 38 Gebäude in Mexiko-Stadt wie Kartenhäuser kollabierten und 8300 weitere bei dem Beben beschädigt wurden – von abgesprengtem Putz bis zu vollständiger Zerstörung.

Die Hauptstadt erlebte in den vergangenen Jahren einen Bauboom

Bei den Erdstößen der Stärke 7,1 am Dienstag vor einer Woche starben mehr als 330 Menschen im ganzen Land, 191 davon alleine in Mexiko-Stadt. Die Hauptstadt erlebte in den vergangenen Jahren einen Bauboom. Büro- und Bankentürme von bis zu 60 Stockwerken in der Innenstadt, Wohntürme mit bis zu 20 Stockwerken in den beliebtesten Vierteln wurden schnell hochgezogen – oft ohne Einhaltung der nach dem Erdbeben von 1985 verschärften Baugesetze

Rafael Guarneros von der Nachbarschaftsinitiative in der Condesa fragt sich zum Beispiel, wie der Heliport auf dem Bürogebäude genehmigt werden konnte. Auch die zivile Luftfahrtbehörde hätte den Landeplatz niemals genehmigen dürfen. Zumal weite Teile der Condesa und des angrenzenden Viertels Roma auf geologisch weichem Untergrund stehen und stärkeren Einschränkungen beim Bau unterworfen sind als andere Stadtteile.

„Teile von Mexiko-Stadt stehen auf einem Wackelpudding“, sagt der Bauingenieur Torgen Mörschel von der deutschen Sektion der „International Search and Rescue“ nach einem Besuch in der Metropole. Da dürfte eigentlich gar nicht hoch gebaut werden. Tatsächlich gelten die sieben Stadtteile Mexico Citys, die am härtesten vom Beben betroffen wurden, als Risikozonen. Hier dürfen in den Seitenstraßen nur Gebäude mit maximal fünf und auf großen Verkehrsachsen mit maximal sieben Stockwerken gebaut werden. Ganz sicher keine Heliports.

Die Anwohner wehren sich seit Jahren gegen unkontrolliertes Bauen

Zudem müssen seit 1986 Sicherheitsexperten die Erdbebensicherheit der Bauwerke prüfen. Im Laufe der Jahre allerdings wurden die Vorschriften gelockert oder einfach ignoriert, weil immer mehr Menschen in die Stadt drängten und oft ohne die entsprechende Erlaubnis gebaut wurde.

Mehrere tausend Beschwerden haben die Bewohner der Condesa und Roma in den vergangenen Jahren bei den Behörden eingereicht: „Dann stoppen die Arbeiten mal für zwei Wochen, danach geht es aber weiter. Die Bauunternehmen wissen, dass sie nur genug Geld in die Hand nehmen müssen, um machen zu können, was sie wollen“, ärgert sich Nachbarschaftsaktivist Guarneros. „Wie viele Opfer des Bebens könnten ohne Korruption noch leben“?

Ein anderer krasser Fall ist die Grundschule „Enrique Rébsamen“ im Stadtteil Coapa im Süden von Mexiko-Stadt, die in Teilen einstürzte und 21 Schüler und vier Lehrer tötete. Die Eigentümerin und Direktorin der privaten Grundschule hatte auf das Schuldach ihre Wohnung gebaut – inklusive Whirlpool. Nach ersten Untersuchungen führte das große Gewicht dazu, dass das Dach über den Klassenräumen zusammenbrach und die Schüler unter sich begrub.