Seit drei Jahrzehnten ein Fall für das Bundesverfassungsgericht: Die Erbschaftsteuer. Foto: dpa

Der Bund versucht mit einem neuen Kompromissvorschlag, wieder Bewegung in den festgefahrenen Streit um die Reform der Erbschaftsteuer zu bringen.

Berlin - Gemessen an der Zahl der Betroffenen sorgt die Erbschaftsteuer für viele Schlagzeilen. In der Debatte um eine verfassungskonforme Ausgestaltung der Privilegien bei der Vererbung von Unternehmen geht es im Wesentlichen nur noch um die Behandlung der ganz großen Unternehmenserben. Und laut den Daten der aktuellsten Statistik zur Erbschaftsteuer aus dem Jahr 2013 wurden in jenem Jahr nur 197 Erbfälle gezählt, in denen der steuerpflichtige Teil die 20-Millionen-Euro-Grenze überschritt.Insgesamt kommt die Statistik auf rund 14000 Fälle, in denen in jenem Jahr Unternehmen vererbt wurden.

Wohl gemerkt: Um diese niedrige dreistellige Zahl von Fällen, die Jahr für Jahr in etwa auftreten, dreht sich der Streit. Zur Erinnerung: Das Verfassungsgericht hatte Mitte Dezember die geltende Rechtslage bei der Vererbung von betrieblichem Vermögen in vier Punkten verworfen und Bund und Länder aufgefordert, bis Mitte 2016 eine verfassungsfeste Regelung zu finden. Grundsätzlich gilt: Eine Verschonung von der Erbschaftsteuer gibt es nur, wenn der Erbe das Unternehmen nicht verkauft und die Zahl der Mitarbeiter – es geht um die Lohnsumme – weitegehend stabil hält.

Das Bundesfinanzministerium hatte im März einen ersten Vorschlag für die Reform unterbreitet. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte dabei vorgeschlagen, dass Erben, die mehr als 20 Millionen Euro Betriebsvermögen erben, eine individuelle Bedürfnisprüfung durchlaufen müssen. Schäuble hatte zudem vorgeschlagen, dass das Privatvermögen von Unternehmenserben allenfalls zur Hälfte zur Begleichung der Erbschaftsteuerschuld herangezogen wird. Sowohl die 20-Millionen-Grenze als auch die Tatsache, dass Firmenerben zur Begleichung ihrer Steuerschuld überhaupt auf ihr Privatvermögen zurück greifen sollen, ist massiv von Lobbyisten der Familienunternehmen kritisiert worden. Schäuble stand in seinem eigenen Lager einsam da, weil sich die Unionsfraktion im Bundestag sowie die Landtagsfraktion im Südwesten auf die Seite der Lobbyisten geschlagen haben. Sympathien ernteten die Schäuble-Pläne eher von ungewohnter Seite, etwa in den Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen.

Da auch in der Länderkammer Schäubles Konzept keine Mehrheit fand, hat der Minister seine Beamten angewiesen, einen Kompromiss zu erarbeiten. Dieser Vorschlag liegt nun auf dem Tisch. Schäuble muss damit eine Gratwanderung gelingen: Einerseits muss er die Kritiker einfangen, andererseits darf das Konzept die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes nicht verletzen.

Unter dem Strich ist fest zuhalten: Schäuble ist seinen Kritikern in zwei Punkten entgegen gekommen. Erstens: Für diejenigen, die ein großes Unternehmen erben, aber dennoch ihr Privatvermögen nicht offen legen möchten, soll es eine Alternative geben. In dieser Gruppe soll das Steuerprivileg abschmelzen. Je größer der Erbfall ist desto geringer soll die Verschonung in Prozent ausfallen. Ab einem zu vererbenden Betriebsvermögen von 110 Millionen Euro soll in dieser Variante dann maximal noch eine 20- oder 40- prozentige Befreiung von der Erbschaftsteuerschuld möglich sein. Bei Rückgriff auf das Privatvermögen beträgt die Verschonung dagegen 85 bis 100 Prozent.

Außerdem ist Schäuble bereit, die 20-Millionen-Grenze aufzuweichen. Zunächst sollte ab diesem Wert des zu vererbenden Betriebsvermögens eine Bedürfnisprüfung stattfinden. Schäuble schlägt nun vor, dass die Grenze in bestimmten Fällen auf 40 Millionen verdoppelt wird. Und zwar bei Erbfällen, bei denen der Gesellschaftervertrag des Unternehmens die Ausschüttungen an die Familie in der Höhe begrenzt.

Dieser letzte Punkt hört sich kompliziert an. Klar ist aber: Sollte er Gesetzeskraft erlangen, werden die strengeren Maßstäbe für Gewährung der Steuerprivilegien aufgeweicht und an einer noch geringeren Zahl von Unternehmen angelegt als geplant. Dann würde die Bedürfnisprüfung – gemessen an der Statistik von 2013 – jedenfalls deutlich weniger Unternehmen treffen als jene 197. Ob damit dann noch das Bundesverfassungsgericht zufrieden zu stellen ist?