Erben könnte für Unternehmensnachfolger künftig teuer werden Foto: dpa

Familienunternehmen schauen mit Bangen nach Karlsruhe. Kippt das Bundesverfassungsgericht die derzeit geltenden Steuervergünstigungen, wird es für Firmenerben teuer. Das könnte Investitionen und Arbeitsplätze kosten.

Familienunternehmen schauen mit Bangen nach Karlsruhe. Kippt das Bundesverfassungsgericht die derzeit geltenden Steuervergünstigungen, wird es für Firmenerben teuer. Das könnte Investitionen und Arbeitsplätze kosten.

Stuttgart - Maria Dietz, Miteigentümerin des Stuttgarter IT-Dienstleisters GFT, ist nicht die Frau, die schwarzmalt, aber sie ist realistisch. „Wir als Familienunternehmer können nur an die Einsicht der Politik appellieren, die Basis und Stärke der Familienunternehmen in Deutschland auch für die nachfolgende Generation zu erhalten und eine Substanzsteuer in jedem Fall zu vermeiden“, sagt sie.

Würde das Bundesverfassungsgericht die Verschonung von Betriebsvermögen aufheben oder die Bedingungen deutlich verschlechtern, müsste die nächste Generation erhebliche Mittel aufbringen, um die Steuerschuld zu bezahlen. Bezogen aufs eigene Unternehmen könnte dieses Geld sicherlich nur durch den Verkauf von Unternehmensanteilen beschafft werden und würde damit erheblichen Einfluss auf die Unabhängigkeit von GFT und deren starke Innovationsbasis auch in Deutschland haben, sagt sie. Maria Dietz hält 9,68 Prozent der Aktien, ihr Mann Ulrich 20,08 Prozent.

Die Rechtslage

Solche Befürchtungen gibt es in vielen Familienunternehmen, die mit Spannung auf das Urteil aus Karlsruhe warten. Ab 8. Juli beschäftigt sich das Bundesverfassungsgericht mit der Erbschaftsteuer auf Betriebsvermögen. Es geht um die Entscheidung, ob die mit der Erbschaftsteuerreform 2009 eingeführten Steuervergünstigungen für Familienunternehmen rechtens sind. Der Bundesfinanzhof hält die Regelung für verfassungswidrig, weil sie gegen den im Grundgesetz verankerten Gleichheitsgrundsatz verstoße. Wer in Deutschland ein Unternehmen erbt, kann sich von der Erbschaftsteuer befreien lassen, sofern er bestimmte Auflagen erfüllt – ganz im Gegensatz zu Privatpersonen. Dahinter steckt die Absicht des Gesetzgebers, Betriebe bei der Erbschaftsteuer nicht übermäßig zu belasten.

Wer sich verpflichtet, einen vererbten Betrieb mindestens sieben Jahre fortzuführen, ist ganz von der Erbschaftsteuer verschont. Eine der Voraussetzungen dafür ist, dass das Lohnniveau im Unternehmen ungefähr gleich bleibt, also keine Jobs abgebaut werden. Wer sich fünf Jahre verpflichtet, spart mindestens 85 Prozent. Werden diese Voraussetzungen nicht erfüllt, muss Erbschaftsteuer nachgezahlt werden.

Die Folgen

Die Verschonung von Betriebsvermögen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer habe existenzielle Bedeutung für die Zukunft der Familienunternehmen, sagt Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen und Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Stiftung. Er beruft sich auf eine Studie des Ifo-Instituts, das im Auftrag der Stiftung 1729 Betriebe in Deutschland zu den Auswirkungen der Erbschaftsteuer und der Steuererleichterung befragt hat. 43 Prozent der befragen Unternehmen, die einen Erb- oder Schenkungsfall hatten und den Verschonungsabschlag in Anspruch genommen haben, gaben an, dass sie ohne dieses Steuerprivileg im Zuge der Nachfolgeregelung das Unternehmen oder Teile davon hätten verkaufen müssen.

Laut Kirchdörfer sind die Folgen absehbar: In- und ausländische Beteiligungsgesellschaften würden Familienunternehmen verstärkt übernehmen. Perspektivisch seien solche Gesellschaften in der Regel weniger an nachhaltiger Unternehmensführung und Arbeitsplatzsicherheit, sondern an kurzfristiger Rendite ausgerichtet. „Die derzeitige Regelung verhindert, dass Familienunternehmen in der besonders heiklen Phase des Unternehmensübergangs deutlich geschwächt werden“, steht für ihn fest.

Der Ifo-Studie zufolge schätzen 65,9 Prozent der Familienunternehmen, dass sie bei einem Wegfall der Begünstigung ihre Investitionen senken müssten, 52 Prozent schätzen, dass sie Stellen abbauen müssten.

Die Politik

Den vielzitierten Gleichheits- bzw. Gerechtigkeitsgrundsatz sieht Peter Kulitz, Familienunternehmer aus Senden und Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags (BWIHK), mit der jetzigen Steuerregelung gewahrt. „Wer als Firmenerbe Kasse machen will, muss schließlich Erbschaftsteuer zahlen.“ In der Firma gebundenes Betriebsvermögen könne man nicht frei verfügbarem Vermögen wie Sparvermögen oder Häusern vergleichen, sagt er. Familienunternehmen haben für ihn gesellschaftspolitische Bedeutung gerade auch mit Blick auf die Arbeitsplätze.

Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Nils Schmid schlägt in die gleiche Kerbe. „Die Schonung von Unternehmensvermögen vereinfacht die Unternehmensnachfolge und sichert damit viele Arbeitsplätze im Land. Das ist gerade für Baden-Württemberg mit seinen vielen Familienunternehmen besonders wichtig“, sagt er und spricht sich grundsätzlich für die steuerliche Freistellung von Unternehmensvermögen von der Erbschaft- und Schenkungsteuer aus.

Mit einem Urteil aus Karlsruhe wird frühestens im Herbst gerechnet. Möglicherweise könnte es dann eine Übergangsfrist geben, bis ein neues Gesetz erarbeitet ist. Manfred Fuchs, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des Mannheimer Schmierstoffspezialisten Fuchs Petrolub, und seine beiden Schwestern haben bereits gehandelt. Sie haben ihre Mehrheitsbeteiligung am Unternehmen schon 2010 und 2012 in zwei Schritten auf die nächste Generation übertragen – nicht zuletzt mit Blick auf die anstehende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Fuchs’ Sohn Stefan gehört dieser Generation an und leitet als Vorstandschef das Unternehmen.

Die Ausweichstrategie

Offenbar haben andere auch schon im Vorgriff auf das drohende Urteil aus Karlsruhe reagiert. Nach Angaben des Ifo-Instituts wurde 2012 Betriebsvermögen im Wert von rund 19,4 Milliarden Euro übertragen – das war mehr als dreimal so viel wie im Jahr 2009. Für den Anstieg seien hauptsächlich Schenkungen verantwortlich (17 Milliarden Euro). Gleichwohl sind die Steuereinnahmen aus Schenkungen im Jahr 2012 nicht gestiegen. Die jährlichen Einnahmen des Staates aus Erbschaft- und Schenkungsteuer lagen in den Jahren 2009 bis 2012 bei 4,2 bis 4,6 Milliarden Euro.

Nach Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn steht bis 2018 in rund 135 000 Familienunternehmen die Übergabe an. Dies entspricht 27 000 Übergaben pro Jahr. Von den Übertragungen werden im Fünf-Jahres-Zeitraum etwa zwei Millionen Beschäftigte oder 400 000 Beschäftigte pro Jahr betroffen sein.

Für Steuerexperte Kirchdörfer steht schon jetzt fest: „Wie auch immer das Gericht entscheidet, bei den Familienunternehmen bleibt im Gedächtnis, dass man sich, wie schon so oft, auf eine gewisse Planbarkeit des Steuerrechts nicht verlassen kann, weil es laufend geändert wird.“ Gerade für Familienunternehmen sei es besonders fatal, weil diese oft in mehreren Stufen über einen Zeitraum von zehn bis 20 Jahren übertragen würden.