Die Erbschaftsteuer stürzt die Politik in kaum lösbare Konflikte Foto: dpa-Zentralbild

Die einen wollen härtere Belastungen für Firmenerben, die anderen sind dagegen, die Verfassungsrichter verlangen eine Reform: Wie kann das gutgehen?

Stuttgart -

So hört es sich an, wenn die Politik sich selbst beglückwünscht: Die Politik habe ihre Handlungsfähigkeit bewiesen, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann nach dem Kompromiss um die Erbschaftsteuer, und auch Bayerns Regierungschef Horst Seehofer zeigte sich „sehr zufrieden“ mit dem Ergebnis. Das alles hört sich an, als sei dem Vermittlungsausschuss in der entscheidenden Nacht ein Befreiungsschlag gelungen. Doch bei Tageslicht betrachtet, hat der Ausschuss der verkorksten Geschichte der deutschen Steuerpolitik nur ein weiteres Kapitel hinzugefügt.

Die neue Regelung soll einerseits dazu führen, dass die Erben von Firmen nicht die Firma zerschlagen oder gar verkaufen müssen, um die Erbschaftsteuer zahlen zu können. Zugleich soll die Steuer aber nicht dazu führen, dass Reiche bevorzugt werden. Eine Steuer, die Firmenerben begünstigt, ohne Wohlhabende besserzustellen – das passt schon auf den ersten Blick nicht zusammen. Vor diesem Dilemma ist die Politik in die Unverständlichkeit geflüchtet. Hier eine Erleichterung für Firmen, dort eine neue Hürde – man kann sich förmlich vorstellen, dass jede Änderung einen Rattenschwanz von Gegenänderungen hinter sich herzog. Aus der Binnensicht der Verhandlungsführer ist es ein veritabler Erfolg, in dieser Lage überhaupt ein Resultat erzielt zu haben. Doch das Ergebnis selbst sollte man lieber nicht allzu genau anschauen.

Die Hobbys der Schönen und Reichen als Kriterium der Abgrenzung

Ob es um die Abgrenzung zwischen Betriebs- und Verwaltungsvermögen geht oder um die Bewertung des Vermögens des Erben, das unter Umständen für die Zahlung der Steuer herangezogen wird – zwischen den Steuerjuristen auf beiden Seiten wird es ein teures Hase-und-Igel-Spiel geben. Der hilflose Versuch, Oldtimer, Jachten und Kunstwerke von einer Begünstigung auszunehmen, symbolisiert das ungelöste Grundproblem: Die Frage, was Privatvermögen ist und was zur Firma gehört, wird auf klischeehafte Vorstellungen über die Hobbys der Schönen und Reichen reduziert. Das gleicht dem Eingeständnis, dass es schier unmöglich ist, bei Unternehmern Privat- und Firmenbesitz zu trennen.

Einst ließen findige Berater Cash-GmbHs gründen, die das Verwalten des Privatvermögens flugs zum Firmenzweck erklärten und dieses somit steuerfrei am Fiskus vorbei leiteten. Dieses Schlupfloch ist geschlossen, doch längst kursieren neue Tricks: Wie wäre es etwa, die Firma den kleinen Kindern zu übertragen, die dann die Hälfte ihres Vermögens von null Euro zur Begleichung der Erbschaftsteuer einsetzen müssen? Je zahlreicher die Schlupflöcher und je höher die Steuersätze, desto lohnender ist das Tricksen.

Die Reform der Erbschaftsteuer ist symptomatisch für fast alle Steuerreformen, die das System gerechter machen sollten: Staat und Steuerzahler jagen einander durch einen Teufelskreis, und die Verlierer sind all die Bürger, die von Vergünstigungen jenseits der Pendlerpauschale nur träumen können. Sehr viel besser wäre ein echter Befreiungsschlag, wie er von immer mehr Ökonomen gefordert wird: Weg von dem durchlöcherten Steuerrecht hin zu einer Regelung, die alle Vermögen oberhalb eines Freibetrags gleich behandelt – und diese im Gegenzug mit einem Steuersatz um die zehn Prozent belegt, den sich Otto Normalerbe ebenso leisten kann wie der Firmenerbe.

Dann gibt es zwar für viele Firmen keine völlige Befreiung mehr – dafür wird das Land aber von einem Steuerrecht befreit, das zum Missbrauch einlädt und sich schon deshalb vom Postulat der Gerechtigkeit immer weiter entfernt.

klaus.koester@stuttgarter-nachrichten.de