Neue Regeln für Firmenerben? Schäuble (li.) und Kretschmann droht innerparteilicher Streit. Foto: dpa

Die Politik muss die Ausnahmen für Firmenerben neu regeln. Bundesfinanzminister Schäuble glaubt, ein verfassungsfestes Modell gefunden zu haben. Auch für Ministerpräsident Kretschmann ist dies ein heißes Eisen.

Berlin - Der Wirtschaftsstandort Deutschland steht wieder einmal vor Verwerfungen – glaubt man Verbänden und Vertretern der Koalition. Die laufen Sturm gegen Pläne von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für neue Regeln zur Verschonung von Firmenerben, wie sie das Bundesverfassungsgericht fordert. Seit Schäubles Eckpunkte vorliegen, sind Empörung und Entsetzen groß – was zu ungewöhnlichen Allianzen führt. So steht auch die grün-rote Regierung von Baden-Württemberg wegen der vielen Mittelstandsfirmen im Land aufseiten der Kritiker – was einen ziemlichen Spagat erfordert.

Der Mittelstand – das Rückgrat der deutschen Wirtschaft – werde zerschlagen, wettert der Wirtschaftsflügel der CDU. Familienbetriebe stünden vor dem Ausverkauf an „Heuschrecken“. Deutschland werde bald ein anderes Land sein, warnen Familienunternehmer. Statt versprochener „minimalinvasiver“ Eingriffe gehe Schäuble mit der Axt vor.

Die „härteste Erbschaftsteuerreform in der Geschichte“ grenze an Sozialismus, setzt Markus Söder von der CSU einen drauf. Was wohl auch daran liegt, dass die meisten Sozialdemokraten und Grünen gut mit den Eckpunkten des CDU-Mannes leben können. Die Berichterstatterin der SPD-Bundestagsfraktion zur Erbschaftsteuer, Cansel Kiziltepe, sagte den Stuttgarter Nachrichten: „Die Eckpunkte des Bundesfinanzministers sind eine gute Diskussionsgrundlage für die kommenden Gespräche.“

Schäuble spricht von „öffentlichem Getöse“

Besonders wichtig sei ihr die Einbeziehung des Privatvermögens bei der Begleichung der Erbschaftsteuerschuld. Jurist und Ex-Steuerberater Schäuble spricht von „öffentlichem Getöse“, ist aber offen für Alternativen – wenn diese vor den Karlsruher Richtern bestehen.

Auffällig ist, dass aus der CDU-Bundestagsfraktion keinerlei Unterstützung für Schäubles Pläne kommt. Selbst vom Arbeitnehmerflügel der Union war kein prominenter Politiker bereit, im Gespräch mit unserer Zeitung zu Schäubles Eckpunkten Stellung zu nehmen. Nach Informationen unserer Zeitung hat Schäuble den Experten der beiden Koalitionsfraktionen bis zum 15. April Zeit gegeben, in der Sache einen Kompromiss zu erarbeiten. Mit jährlich 5,5 Milliarden Euro macht die Erbschaftsteuer nicht einmal ein Hundertstel des Gesamt-Steueraufkommens aus. Sie fließt komplett an die Bundesländer. Daher ist auch die Zustimmung der Länderkammer erforderlich.

Aus Sicht der obersten Richter darf der Staat Firmenerben gegenüber anderen Erben weiter privilegieren, wenn sie das Unternehmen eine Zeit lang fortführen und Arbeitsplätze erhalten. Firmenerben würden aber allzu pauschal bevorzugt, rügte Karlsruhe – und forderte schärfere Vorgaben.

Kretschmann (Grüne) steckt im Zwiespalt

Grün-Rot fährt im Südwesten beim Thema Erbschaftsteuer eine wirtschaftsfreundliche Linie – zum Leidwesen mancher in den eigenen Reihen. Vor allem Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) steckt in einem Zwiespalt: Schlägt er sich auf die Seite der Familienunternehmen, die auf eine milde Reform der Erbschaftsteuer pochen, provoziert er den linken Flügel seiner Partei. Nimmt er Rücksicht auf seine Bundespartei, läuft er Gefahr, es sich mit der Wirtschaft zu vergraulen, die im Südwesten eine große Rolle spielt – auch bei der Landtagswahl am 13. März 2016, bei der Kretschmann wiedergewählt werden will.

Dass die Landesinteressen im Zweifel den Ausschlag geben und er durchaus seinen eigenen Kopf hat, zeigte sich im Herbst. Damals verhalf er der schwarz-roten Asylrechtsreform im Bundesrat zur Mehrheit. Der Aufschrei beim linken Parteiflügel war groß. Im Südwesten fährt Kretschmann gut mit seiner Linie. Eine Umfrage von Infratest-Dimap im Auftrag von SWR und „Stuttgarter Zeitung“ ergab erst kürzlich rund 25 Prozent für die Südwest-Grünen bei der Sonntagsfrage – ein Wert, von dem die Bundesgrünen weit entfernt sind.

Kretschmann selbst ist so beliebt wie noch nie in der Bevölkerung. Für die Reibereien zwischen Landes- und Bundespartei hat er eine einfache Erklärung. „Meine Bundespartei ist in der Opposition. Und wir regieren. Das sind einfach unterschiedliche Rollen.“