Der Equal Pay Day am Montag markiert symbolisch die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern. Auch im Rems-Murr-Kreis gibt es Unterschiede bei der Bezahlung von Männern und Frauen.
Waiblingen - Der Unterschied beträgt 700 Euro: Männer mit einer Vollzeitstelle kommen im Rems-Murr-Kreis auf ein durchschnittliches Bruttoeinkommen von 3676 Euro, Frauen auf 2976 Euro – so groß ist einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit zufolge die Lohnlücke, auch Gender Pay Gap genannt. Die Zahlen sind von 2017, neuere liegen noch nicht vor.
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) spricht vor diesem Hintergrund von einer „Diskriminierung per Lohnzettel“. Es könne nicht sein, dass Frauen bei der Bezahlung trotz gleicher Arbeitszeit systematisch den Kürzeren zögen, kritisiert der NGG-Regionalchef Hartmut Zacher: „Dabei sind es immer noch vor allem die Frauen, die sich nach einem langen Arbeitstag um Familie und Haushalt kümmern – und das unbezahlt.“
Die Arbeitsagentur schreibt in den Erläuterungen zu ihrer Statistik, dass unterschiedliche Löhne in denselben Berufen häufig auf die „familienbedingten Unterbrechungen der Beschäftigung“ zurückzuführen sind. Das bedeutet: Scheidet eine Frau aufgrund der Kindererziehung für einige Zeit aus dem Berufsleben aus, kann es passieren, dass sie Gehaltserhöhungen, die an die Berufserfahrung oder die Dauer der Betriebszugehörigkeit gebunden sind, nicht oder später als ihre Kollegen erhält.
Am Rollenverständnis hat sich wenig geändert
Tatsächlich sei das Rollenverständnis heute noch bei vielen Paaren so, dass der Mann weiterarbeite und die Frau länger im Job pausiere, wenn sich Nachwuchs ankündige, sagt Claudia Huber, die Landesfrauensekretärin bei der NGG im Landesbezirk Südwest. Der Gewerkschafter Zacher: „Will ein Mann heutzutage eine lange Elternzeit nehmen, braucht er einen sehr fortschrittlichen Personalchef.“ Eigentlich sollte jeder Betrieb ein Vergütungssystem haben, das Männer und Frauen gleich behandelt, sagt Claudia Huber. Stattdessen kennt die Landesfrauensekretärin viele Fälle von versteckter Diskriminierung: Das Gehalt möge zunächst gleich sein, doch die Zulagen, die Männer erhielten, seien höher als die der Frauen. „Das Argument dahinter lautet oft: „Der Mann muss ja seine Familie ernähren“, so Huber.
Dass es laut der Statistik, die unterschiedliche Berufe in die Berechnung miteinbezieht, zu Unterschieden im Lohnniveau kommt, hat nach Ansicht der Gewerkschaft NGG aber noch andere Gründe: So hätten Frauen häufig niedrigere Positionen als ihre männlichen Kollegen. Zudem würden Tätigkeiten, die überwiegend von Frauen erledigt werden – beispielsweise im pflegerischen oder sozialen Bereich – schlechter bewertet. „Das war schon immer so. Wären in diesen Berufen in der Vergangenheit hauptsächlich Männer tätig gewesen, hätten wir da heute ganz andere Löhne – denn Männer mussten ja von ihrem Gehalt eine Familie ernähren können. Bei Frauen hieß es eher, die verdienen was dazu“, erklärt Claudia Huber. Diese historisch gewachsenen Einstellungen veränderten sich nur langsam. „Für Frauen ist es auch heute nicht so einfach, in männerdominierte Berufe vorzudringen“, sagt Huber. Die Statistik scheint das zu belegen, wenn man den hohen Gehaltsunterschied im Landkreis Böblingen betrachtet. Dort arbeiten laut der Arbeitsagentur sehr viele Menschen in fertigungstechnischen Berufen – einer männerdominierten Branche. 1838 Euro liegen die Gehälter dort im Schnitt auseinander.
Entgelttransparenzgesetz schließt viele aus
Den Gender Pay Gap zu verringern ist Huber zufolge sehr schwer. Das Bewusstsein und die Aufteilung der Haus- und Erziehungsarbeit müssten sich ändern. Frauen rät sie, mutiger zu sein bei Gehaltsverhandlungen. In Firmen, die einen Betriebsrat haben oder nach Tarif bezahlen, gebe es tendenziell weniger Diskriminierung.
Von Seiten der Politik fordert die NGG, die Entgelttransparenz nachzubessern. Sie erlaubt eine Auskunft über das Gehalt der Kollegen erst in Betrieben mit mehr als 200 Mitarbeitern – „das schließt ganz viele Arbeitnehmer aus“, kritisiert Huber. Niedrige Löhne von Frauen haben spätestens bei der Rente massive Auswirkungen. „Das führt zu Armutsrenten, die der Staat aufstocken muss“, warnt Hartmut Zacher. Am Ende zahlten so die Steuerzahler die Quittung für die Benachteiligung von Frauen.