Auf der Durchreise: Afrikanische Migranten in der Stadt Agadez im Niger. Foto: dpa

Experten kritisieren, dass die deutsche Entwicklungspolitik zu sehr auf rasch sinkende Flüchtlingszahlen setzt. Nachhaltige Entwicklung armer Länder bleibe dabei auf der Strecke.

Stuttgart - Der Kampf von Bundesregierung und Europäischer Union gegen Fluchtursachen in Afrika greift nach Ansicht des Stuttgarter Entwicklungsexperten Johannes Baumgart viel zu kurz. So würde Niger, Mali und anderen Ländern an den Fluchtrouten zwar dabei geholfen, „Menschen zurückzuhalten und gegen Schleuser vorzugehen“, sagte er unserer Zeitung mit Blick auf die 2017 im Vergleich zum Vorjahr deutlich geringere Zahl von Menschen, die aus Afrika nach Europa kamen. Tiefer reichende Fluchtursachen wie Armut und Überbevölkerung würden aber nicht nachhaltig angegangen. „Da geschieht sehr wenig.“

Baumgart ist seit Mitte der siebziger Jahre in der Entwicklungshilfe tätig, darunter auch viele Jahre in Westafrika. Nach Auffassung des Experten bräuchte es viel größerer Anstrengungen gerade bei der Bildung von Mädchen und jungen Frauen, um die hohe Geburtenrate von mehr als sieben Kindern pro Frau etwa im Niger zu reduzieren. „Seit vielen Jahren sind Grund- und Berufsbildung in der Entwicklungshilfe in den Hintergrund geraten“, beklagt er.

Zudem reiche es in bettelarmen Staaten nicht, nur die Landwirtschaft und den Rohstoffabbau zu unterstützen. „Es bräuchte auch eine verarbeitende Industrie“, so der Experte. So könnte der für Entwicklung nötige Mehrwert geschaffen werden. Derzeit exportiere der Niger aber alle seine Rohstoffe, statt sie selbst zu verarbeiten.

Afrika-Experten der Stiftung Wissenschaft und Politik kritisieren in einer neuen Studie die Europäer ebenfalls für die „Fixierung auf Wanderungsstatistiken“. Sie warnen, vor allem auf rasch sinkende Flüchtlingszahlen zu setzen. Damit würden oft Autokraten gestärkt und wirtschaftlicher Schaden angerichtet. Dies berge die Gefahr, dass die Hilfe in den betroffenen Ländern gesellschaftliche und wirtschaftliche Spannungen „verschärft oder Konflikte auslöst“.