Gerd Rathgeb übergibt im Dorf Nova Vista einem Bewohner eine Solarlampe. Jede Familie dort sollte mit Strom versorgt werden. Foto:  

Passend zur Fußball-Weltmeisterschaft berichtet Gerd Rathgeb am 3. Juli in Degerloch über ein Entwicklungshilfeprojekt in Brasilien – und über die Korruption bei der WM sowie bei Bau des drittgrößten Wasserkraftwerkes der Welt am Amazonas.

Degerloch - Die Welt ist im Fußballfieber. Fahnen an vielen Autos, Donuts in Fußballdesign beim Bäcker, Menschen in Trikots oder mit angemalten Gesichtern prägen während der Fußball-Weltmeisterschaft den Alltag. Bei all dem Trubel rückt die Erinnerung an die schlechten Schlagzeilen zur Situation im Gastgeberland Brasilien in den Hintergrund.

Genau das soll ein Informations- und Filmeabends am Donnerstag, 3. Juli, im Bürger- und Kulturtreffpunkt, Mittlere Straße 17, verhindern. „Es geht um die Korruption bei der Weltmeisterschaft und den Bau des drittgrößten Wasserkraftwerkes der Welt am Amazonas.“ Das sagt Gerd Rathgeb. Er ist der Vorsitzende des Vereins Poema. Die Abkürzung steht für poebreza e meio ambiente na Amazônia, zu deutsch Armut und Umwelt in Amazonien.

Poema gibt es seit 25 Jahren. „Begonnen hat alles mit einem sozio-ökologischen Projekt beim Daimlerwerk in São Paulo. „Es ging um dort gewonnene Kokosfasern für Autositze“, erklärt der ehemalige Daimler-Betriebsrat Rathgeb. Er war im Auftrag des Konzerns zum ersten Mal nach Amazonien gereist. „So entstand der Kontakt. Nach dem Daimlerprojekt entwickelten sich neue kontinuierliche Projekte.“

Die Projekte finanzieren sich über Spenden

Mittlerweile ist der 70-jährige Rathgeb seit zehn Jahren im Ruhestand und hat sich Poema gänzlich verschrieben. „Am Anfang war die Bevölkerung skeptisch, da die Politiker in dem Land oft viel versprechen, aber nichts verändern. Doch dann haben sie gemerkt, dass ich wiederkomme, und das hat sie beeindruckt“, sagt er lächelnd.

Unter anderem über die Arbeit von Poema in Amazonien spricht Rathgeb am kommenden Donnerstag. Die Projekte finanzieren sich über Spenden. Es geht vor allem um sauberes Trinkwasser, Stromversorgung, Gesundheit und Wiederaufforstung. ,,Wir kümmern uns vor allem um diese Gebiete, organisieren zum Beispiel Gesundheitskurse für die Ureinwohner und kümmern uns darum, dass die Stromversorgung durch Solarenergie gesichert wird“, sagt der Poema-Vorsitzende.

Er selbst fliegt zweimal im Jahr nach Amazonien. Er spricht mit den Menschen dort, initiiert neue Projekte oder passt alte an neue Gegebenheiten an. ,,Das Wichtigste für unsere Arbeit sind die persönlichen und freundschaftlichen Beziehungen, die in den Jahren zu einer Vertrauensbasis geführt haben“, sagt Rathgeb.

Die Schüler fasziniert das Authentische

Daheim in Degerloch besucht Rathgeb Schulklassen. Dabei macht er den Jugendlichen den Zusammenhang zwischen dem westlichen Konsumverhalten und den Folgen für Amazonien deutlich. „Die Schüler fasziniert das Authentische, jemand der wirklich da war und von seinen eigenen Erfahrungen berichten kann“, sagt Rathgeb.

Die Dimensionen der Bauvorhaben im Regenwald sind gigantisch. Am Amazonas entsteht derzeit ein riesiges Wasserkraftwerk. Der dafür notwendige Stausee ist eineinhalb Mal so groß wie der Bodensee. Im Rahmen des Veranstaltung am 3. Juli werden auch Ausschnitte aus dem Dokumentarfilm ,,Count-Down am Xingu IV“ von Martin Keßler zu sehen sein. Dieser zeigt die Probleme, die beim Bau des Kraftwerkes aufgekommen sind. ,,Keßler und ich haben uns im Januar das erste Mal in Amazonien getroffen, da lag es nahe, über seine Arbeit zu berichten“, sagt Rathgeb.

Fußballfan ist der Poema-Vorsitzende trotzdem; jedoch spricht er sich gegen „die Enteignung des brasilianischen Fußballs unter anderem durch die Fifa“ aus. In Brasilien kann sich ein Großteil der Menschen keine Stadionkarte leisten. „Ich bin wie die Brasilianer, die ihren eigenen Fußball lieben“, sagt er.