Die Autoindustrie zählt zu den wichtigsten Kunden des Entwicklungsdienstleisters Bertrandt. Foto: Bertrandt

Bertrandt hängt nicht zuletzt an der Autoindustrie. Um technologisch auf dem aktuellen Stand zu sein, hat der Ehninger Entwicklungsdienstleister etwa ein Hochvoltzentrum gebaut.

Stuttgart - Arbeit für Entwicklungsdienstleister wie Bertrandt gibt es derzeit genügend. Die Autohersteller, die zu den wichtigen Kunden des Ehninger Unternehmens gehören, stehen vor großen Herausforderungen: Sie müssen die Verbrennungsmotoren verbessern, alternative Antriebe wie Brennstoffzellen und Elektromotoren entwickeln, sowie das autonome Fahren vorantreiben. Sie suchten dabei Unterstützung vor allem bei größeren, breit aufgestellten Entwicklungsdienstleistern. Die Anforderungen der Kunden aus der Autoindustrie würden zunehmend komplexer und die Projektumfänge größer, erläuterte Dietmar Bichler, der scheidende Bertrandt-Chef, die Marktlage. Bertrandt, eines der führenden Unternehmen in der Branche, sieht darin seine Chancen. „Es zeichnet sich eine erhöhte Kundennachfrage im Bereich Elektrik und Elektronik ab“, sagte Bichler in Stuttgart.

Doch reibungslos verläuft das Geschäft nicht: „Es kam teilweise zu Verzögerungen bei der Vergabe von externen Entwicklungsaufträgen an Engieering-Dienstleister“, erläuterte Bichler. Und: „Die Anspannung auf der Preisseite blieb deutlich spürbar.“ Auch wenn die Autoindustrie unter Termindruck steht – sie verstünde es, den Preisdruck hoch zu halten. Bichler nahm gar Worte wie „ausgefuchste Beschaffungsstrukturen“ in den Mund. Hinzu komme, dass neue Wettbewerber etwa aus südosteuropäischen Ländern über den Preis in den Markt strebten.

Bau eines Hochvoltzentrums

Bertrandt stelle sich auf die Wünsche der Kunden ein und habe in „übergreifendes Wissen und Infrastruktur“ investiert, erklärte Bichler. So wurde am Firmensitz in Ehningen ein Hochvoltprüfzentrum gebaut, welches im Frühjahr 2019 fertig sein soll. Dort können Hochvolt-Batterien, die sowohl in Hybridfahrzeugen als auch in reinen Elektrofahrzeugen sind, unter verschiedenen Klima- und Lastbedingungen getestet werden. Geplant sei zudem der Bau von zwei Prüfzentren für neue Antriebstechnologien. Um solche Technologien künftig anbieten zu können, suchen die Ehninger, die auch Kunden in der Luftfahrt und der Medizintechnik haben, derzeit Ingenieure der Elektro- und Fahrzeugtechnik, Informatiker, Mathematiker und Physiker. Insgesamt seien 1000 Stellen offen, sagte Bichler. Ähnliche Größenordnungen hat er auch in den vergangenen Jahren genannt.

Für das laufende Geschäftsjahr, dass am 1. Oktober begann, geht der Vorstandschef von einer positiven Unternehmens-Entwicklung aus. Das Geschäftsjahr sei insgesamt „robust angelaufen“, sagte Bichler. Nicht eindeutig sei allerdings die Lage in China, wo sich zuletzt die Konjunktur abgekühlt habe. „Man bekommt nicht genügend Informationen“, so Bichler, der seit 2001 Vorstandschef ist. Und auch der Handelskonflikt, der von US-Präsident Donald Trump angezettelt wurde, sei eine „völlig offene Wette“.

Bichler wechsel in den Aufsichtsrat

Bichler, der Anfang nächsten Jahres 60 Jahre alt wird, bestreitet im Februar seine letzte Hauptversammlung als Vorstandschef. Er will dann in den Aufsichtsrat wechseln und dort den Vorsitz übernehmen. An der Zustimmung der Aktionäre – der Sportwagenhersteller Porsche hält 28,97 Prozent an Bertrandt und der Abgasspezialist Boysen 14,9 Prozent – besteht kein Zweifel. Der Deutsche Corporate Governance-Kodex – ein Regelwerk zur guten Unternehmensführung – schreibt für einen solchen Wechsel eine Übergangsphase von zwei Jahren vor. „Wenn ich zwei Jahre warten würde, wäre ich technologisch abgehängt“, hält Bichler, der selbst vier Prozent der Bertrandt-Anteile besitzt, dagegen. Er setze vielmehr auf Kontinuität für die Entwicklung des Unternehmens.

Einen direkten Nachfolger für ihn soll es im Bertrandt-Vorstand nicht geben. Die drei verbleibenden Vorstandsmitglieder sollen das Unternehmen gleichberechtigt führen. Das vernetzte Arbeiten werden künftig noch mehr Bedeutung bekommen. Indem die Vorstandsmitglieder gleichberechtigt seien, setze Bertrandt dieses Modell konsequent um, so Bichler.