Wohnen in Stuttgart ist nicht billig. Wird es gerade tendenziell günstiger? Diese These ruft Protest hervor. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die Situation entspanne sich, meint der Hausbesitzerverein. Der Mieterverein sieht es völlig anders. Die Stadtverwaltung beobachtet das Gerangel gelassen.

Stuttgart - Im Ruf nach mehr Bauland waren sich der Haus- und Grundbesitzerverein und der Mieterverein in Stuttgart eine Zeit lang gar nicht so uneinig, neuerdings aber beharken sie sich wieder. Dabei geht es um die finanzielle Belastung der Mieter. Haus und Grund schreibt in der neuesten Pressemitteilung, die Mietbelastung der Stuttgarter sei in den vergangenen Jahren bis 2020 gesunken, „auch wenn der Mieterverein und interessierte Kreise es nicht wahrhaben wollen“. Die Schere zwischen Einkommen und Mietbelastung öffne sich nicht, sie schließe sich tendenziell. Der Vorsitzende Klaus Lang und der Geschäftsführer Ulrich Wecker machen das Statistische Amt der Stadt zum Kronzeugen. Es habe ermittelt, dass die durchschnittliche Mietbelastung von 32,4 Prozent des Netto-Einkommens im Jahr 2016 auf 30 Prozent im Jahr 2020 gesunken sei.

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Löhne und Gehälter seien stärker gestiegen als die Mietpreise, hatte auch der Bundesverband Haus und Grund vermeldet, in Stuttgart um über elf Prozent. Genau dieses Verhältnis hatte der Mieterverein dann angezweifelt – und damit die Reaktion des hiesigen Hausbesitzervereins am Montag ausgelöst. Am Dienstag blieb aber auch Mietervereins-Chef Rolf Gaßmann bei seiner Meinung: Die Berechnungen seien falsch oder gar erfunden. In Stuttgart hätten sich die Bestandsmieten zwischen 2015 und 2022 laut Mietspiegel um 22,5 Prozent verteuert. Die durchschnittliche Mietbelastung der Stuttgarter habe gerade von 2018 zu 2020 quer durch diverse Einkommensgruppen noch einmal etwas zugenommen, wie zwar nicht der Text, aber eine Grafik im städtischen Wohnungsmarktbericht 2021 belege. Zudem heiße es dort, dass gerade Haushalte mit geringerem Einkommen sehr stark belastet seien. Gaßmanns Fazit lautet: Nur Haus und Grund wisse, warum Arbeitnehmer in Stuttgart, Ludwigsburg und Esslingen heute vom Einkommen weniger für Miete aufwenden sollen als vor fünf Jahren. Auch in Beratungsgesprächen, die der Mieterverein führe, herrsche der Eindruck vor, dass die Mieten zunehmend unbezahlbarer würden.

Statistisches Amt rät zu Vorsicht

Das Statistische Amt, unter dessen Regie der Mietspiegel entsteht, bleibt gelassen. Gerade für die Lage im Jahr 2021 habe man noch keine Zahlen, sagt der Amtsleiter Matthias Fatke. Er rät allerdings von einer Interpretation der Werte für die Mietbelastung, namentlich des Rückgangs um 2,4 Prozentpunkte, den Haus und Grund errechnet habe, ab.

Der Grund: Die Mietspiegelbefragung 2020 habe teilweise im Lockdown stattgefunden. Es hätten sich vermutlich mehr Mieter mit mittleren bis höheren Einkommen im Homeoffice befunden und an der Befragung beteiligt. Der Rücklauf sei im Vergleich zu den vorherigen Befragungen höher gewesen. Zweitens habe man das Einkommen detaillierter und mit mehr zusätzlichen Hinweisen abgefragt als früher, sodass auch weitere Leistungen wie Wohngeld besser berücksichtigt seien. Dadurch seien anteilig weniger Personen in den unteren Einkommensklassen vertreten.