Wissenschaftliche Mitarbeiter hangeln sich an den Unis oft über Jahre durch. Foto: dpa

Sogenannte Kettenbefristungen mit immer neuen befristeten Arbeitsverträgen sind gängig an den deutschen Hochschulen. Einer Ausuferung dieser Praxis hat das Bundesarbeitsgericht erstmals einen Riegel vorgeschoben. Im Einzelfall könne Rechtsmissbrauch zur unbefristeten Einstellung führen.

Erfurt - Befristete Arbeitsverträge, wie sie im Wissenschaftsbereich sehr verbreitet sind, können unwirksam sein. Der Rechtsmissbrauch sei insbesondere bei einer sehr langen Gesamtdauer des Beschäftigungsverhältnisses gegeben sowie bei einer hohen Zahl von aufeinander folgenden befristeten Arbeitsverträgen, hat das Bundesarbeitsgericht erstmals in dieser Deutlichkeit geurteilt. Die Erfurter Richter machten aber eine Einschränkung: Wenn ein erheblicher Teil der Beschäftigungszeiten im Hochschulbereich der wissenschaftlichen Qualifikation dient, wird die vom Gesetz eingeräumte Befristungsmöglichkeit nicht missbräuchlich genutzt.

Genau deswegen hat sich eine wissenschaftliche Mitarbeiterin der Universität Leipzig beim Bundesarbeitsgericht nicht durchsetzen können. Abschließend entschieden wurde über ihren Fall noch nicht.

22 Jahre lang mit befristeten Verträgen an der Uni tätig

Die Frau war von September 1989 bis Oktober 2011 an der Uni beschäftigt – zunächst bis Februar 1996 auf der Basis von vier befristeten Arbeitsverträgen. In dieser Zeit schloss sie ihre Promotion ab und erlang die Habilitation. Von März 1996 bis April 2007 war sie als wissenschaftliche Assistentin im Rahmen eines Beamtenverhältnisses auf Zeit tätig. Danach folgten bis Oktober 2011 zwei befristete Arbeitsverträge, für die als Sachgrund eine Drittmittelfinanzierung genannt wurde. Diese Begründung ermöglicht das Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Drittmittel sind Gelder, die zum Beispiel aus der Privatwirtschaft für Forschungsprojekte eingeworben werden.

Die Frau hält die letzte Befristung von Januar 2009 an für unwirksam, weil man sie mit Daueraufgaben beschäftigt hätte. Nachdem das Landesarbeitsgericht in Sachsen ihrer Klage noch stattgegeben hatte, blieb sie in Erfurt zunächst erfolglos. Endgültig entschieden wurde aber noch nicht, weil das Landesarbeitsgericht erneut klären muss, ob der letzte Arbeitsvertrag tatsächlich wegen Drittmittelfinanzierter Projekte zu Recht befristet wurde.

Hoher Anteil an Drittmitteln im Südwesten

Der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz Baden-Württemberg, Wolfram Ressel, weist darauf hin, dass es wegen des hohen Drittmittelaufkommens immer überproportional viele befristete Arbeitsverhältnisse geben werde. Im Südwesten bestünde der Haushalt einiger Hochschulen zu mehr als 50 Prozent aus Drittmitteln. Alle Universitäten im Lande hätten Selbstverpflichtungen verabschiedet, die einen „verantwortungsvollen Umgang“ mit den Befristungen vorsehen. Vielfach seien es die Mitarbeiter, die mangels Perspektiven außerhalb der Hochschule ihre Beschäftigung dort immer wieder verlängern.

Nach einem Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat sich der Befristungsanteil für wissenschaftliche Mitarbeiter im Arbeitnehmerstatus auf etwa 90 Prozent erhöht. Dies habe mit den erweiterten rechtlichen Möglichkeiten, der zunehmenden Finanzierung durch Drittmittel und dem Zuwachs der Mitarbeiter zu tun. Allein zwischen 1990 und 2014 habe sich deren Zahl von 68 000 auf 178 000 mehr als verdoppelt.